Am 2. Januar 2023 blieb in der NFL die Zeit stehen - und nicht nur das. Damar Hamlin erlitt im Spiel seiner Buffalo Bills gegen die Cincinnati Bengals nach einem Tackling einen Herzstillstand. Er musste auf dem Spielfeld reanimiert werden, danach im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt werden. Die Bills und die ganze Liga standen unter Schock.
Erst dreieinhalb Monate später bekam der Safety die Erlaubnis, seinem Beruf wieder nachzugehen. Er machte sich an die Trainingsarbeit - und feierte tatsächlich nur neun Monate nach seinem dramatischen Unfall das Comeback auf dem Rasen in einem Spiel der NFL. Beim 48:20 seiner Bills gegen die Miami Dolphins stand Hamlin am 1. Oktober wieder auf dem Feld. Eine Wiederauferstehung, die ihresgleichen sucht.
Die aber nicht ausreichte, um die persönliche NFL-Aufzeichnung für das Comeback des Jahres zu erhalten. Die sahnte stattdessen Joe Flacco ab, seines Zeichens 39-jähriger Quarterback der Cleveland Browns (mittlerweile Indianapolis Colts), dem gefühlt keiner mehr einen einzigen geraden Pass zugetraut hatte, der seine Kritiker aber Lügen strafte, eine astreine Saison hinlegte und mit den Browns die Playoffs erreichte.
Damar Hamlin will jeden Wettkampf gewinnen
Eine ohne Zweifel beeindruckende Leistung, doch beeindruckender als die Rückkehr eines Spielers, der mit einem Bein schon im Jenseits stand? Entsprechend wurde gestritten, ob nicht Hamlin der wahre Comebacker des Jahres war. Auch Hamlin hatte ganz kurz den Gedanken daran, sich an der Debatte zu beteiligen. "Ich habe das mitgekriegt", sagte er jetzt in der Maggie and Perloff Show, "ich habe gehört, dass manche Leute in Aufruhr waren. Ich will nicht lügen, das war ich anfangs auch."
Allerdings hatte das nichts mit Eitelkeiten oder übermäßigem Stolz zu tun, sondern lag schlicht an seinem sportlichen Ehrgeiz: "Das war ich anfangs auch ein bisschen, weil ich ein Wettkämpfer bin", sagte Hamlin, "jeden Wettbewerb, dem ich mich stelle, will ich gewinnen. Aber ich habe Joe applaudiert, als er auf die Bühne gegangen ist, und ich habe ihm applaudiert, als er wieder runterging."
Spirituelle Reise ist größer als jede Trophäe
Böses Blut oder Enttäuschung ob der verpassten persönlichen Auszeichnung herrscht also nicht. Viel mehr ist sich Hamlin im Zuge seines Glaubens sicher, dass nichts zufällig geschieht. "Alles ist Gottes Plan. Gott hat einen Grund, Joe die Trophäe zu geben. Gott hat einen Grund für seine Reise. Das will ich auf keinen Fall diskreditieren."
In der vergangenen Saison brachte es Hamlin auf fünf Einsätze, in denen er zwei Tackles machte. Die ersten zwei, nachdem ihm bei seinem letzten das Herz stehengeblieben ist. Zahlen, die keine Rolle spielen. "Ich glaube wirklich daran, dass meine Reise, mein Comeback, nichts mit dieser Welt zu tun hat. Es ist nichts, dass eine Trophäe definieren könnte. Gott hat mir seine Trophäe gegeben, indem er mich jeden Tag aufwachen lässt, immer noch am Leben, immer noch am Atmen. Ein gesundes Leben. Eine gesunde Familie. Ich fühle mich gesegnet mit jeder Möglichkeit, die ich bekomme."
Und das alles zählt mehr als ein Pokal. "Es wäre verrückt, wegen einer Trophäe sauer zu sein. Ich will sie nicht runterspielen, ich wollte sie gewinnen, aber ich fühle, dass meine Reise wesentlich spiritueller ist als jeder irdische Preis."