Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten absoluten Aussagen. Schreckensszenarien, die eine historische Dimension aufgreifen. Und beim Thema Cleveland Browns und Deshaun Watson fällt es immer schwerer, Gegenargumente zu finden.
Der 28 Jahre alte Quarterback wird seinem Team in dieser Saison nicht mehr helfen können. Am Mittwoch verkündeten die Browns, dass Watson aufgrund einer verschobenen Fraktur in der Schulter sofort operiert werden muss, die Spielzeit ist für ihn beendet. Und für die Browns vielleicht auch.
Gerade erst deutete alles in Cleveland darauf hin, dass die chronisch erfolglose Franchise in diesem Jahr vielleicht den großen Coup landen könnte. Die Browns haben die womöglich beste Defense der Liga, im Topspiel bei den Baltimore Ravens in der Vorwoche glänzte dann endlich auch einmal die Offense um Watson.
Watson-Trade wird zum Fluch für die Browns
Doch der Traum vom Super Bowl, er dürfte zerplatzt sein. Und ob Rookie-Quarterback Dorian Thompson-Robinson, der mindestens in dieser Woche gegen die Pittsburgh Steelers starten wird, überhaupt den aktuellen Playoff-Platz verteidigen kann, ist fraglich.
Während die Browns auf dem Feld zusehen müssen, wie sie ohne Watson die Saison irgendwie retten, werden längst die größeren Fragen rund um den Quarterback gestellt. Denn bislang entwickelt sich der vor der Saison 2022 vollzogene und ohnehin äußerst umstrittene Trade zu einem Fluch für Cleveland.
Rückblick: Watson, damals noch bei den Houston Texans, spielt 2020 eine Saison auf MVP-Niveau. Über 4.800 Passing Yards, 33 Touchdowns und nur sieben Interceptions bedeuteten absolute Spitzenklasse der Liga. Mit den Texans reichte das aber völlig absurderweise nur zu vier Saisonsiegen, weil der Rest des Teams zu schlecht war.
Watson forderte einen Trade zu einem anderen Team, doch dazu kam es zunächst nicht. Im März 2021 tauchten von einer ehemaligen Masseurin eingebrachte Anschuldigungen der sexuellen Belästigung gegen den Quarterback auf, nur wenige Wochen später waren 22 Zivilklagen gegen Watson eingereicht worden.
Das Ansehen des zuvor sehr geschätzten Spielers sank in den USA auf einen Tiefpunkt. Sportlich kam er bei den Texans nicht zum Einsatz - auch wenn er offiziell jederzeit hätte spielen dürfen.
Don Juan Moore/Getty Images
Browns geben Watson Mega-Vertrag
Im März 2022 entschied sich eine Grand Jury in Texas gegen eine strafrechtliche Verfolgung der Vorwürfe gegen Watson, was seiner Reputation aber nicht wirklich half, zumal die Zivilklagen weiterhin Bestand hatten.
Dennoch entschieden sich die Browns nur eine Woche nach der Entscheidung der Jury dafür, Watson via Trade von den Texans zu verpflichten. Und dieser Trade hatte es in sich. Insgesamt sechs Draft-Picks schockte Cleveland nach Houston, darunter die Erstrunden-Picks 2022, 2023 und 2024.
Gleichzeitig statteten die Browns Watson mit einem Rekordvertrag aus. Über fünf Jahre kassiert er bis einschließlich der Saison 2026 230 Millionen Dollar, und das komplett garantiert. Die Browns-Fans liefen Sturm, plötzlich war eine gesamte Franchise das Schmuddelkind der Liga.
Was aber viel schlimmer wog: Sportlich brachte dieser Trade samt Mega-Vertrag bislang keinerlei Ertrag für die Browns. Watson wurde aufgrund der Anschuldigungen zu Beginn der Saison 2022 für elf Spiele gesperrt, nachdem er sich zuvor mit der großen Zahl der mutmaßlichen Opfer außergerichtlich geeinigt hatte.
Nach seiner Rückkehr war von dem einstigen Star-Quarterback nichts mehr zu sehen, und auch in dieser Saison spielte Watson lange Zeit unter seinem alten Niveau. Zudem plagte er sich in den vergangenen Wochen schon häufiger mit Verletzungen herum, die jetzt folgende OP ist der vorläufige Tiefpunkt.
Der schlechteste Trade der NFL-Geschichte?
Die ersten zwei Saisons nach dem Trade waren ein Desaster für Cleveland, gemessen an den Investitionen und dem Ertrag daraus. Watson soll 2024 zurückkehren, eine andere Option haben die Browns auch gar nicht. Der Vertrag von Watson macht sowohl einen weiteren Trade als auch eine vorzeitige Entlassung quasi unmöglich.
Die Browns haben 2022 mit Watson alles auf eine Karte gesetzt - und sind bislang auf allen möglichen Ebenen kolossal gescheitert. Mit den eingesetzten Picks haben sie die Chance auf gute, junge Spieler im Draft weggegeben. Zudem haben sie ihr eigenes Image nachhaltig beschädigt, ohne sportlichen Erfolg zu bekommen.
Dieser Trade dürfte, Stand jetzt, einer der schlechtesten in der NFL-Geschichte sein. Ob sich diese Meinung noch einmal umkehrt, ist fraglich.