Im exklusiven DAZN-Interview vor der anstehenden Darts-WM verrät uns Flo Hempel, wie lange seine Trainingstage in der Vorbereitung gehen, wie Mervy King ihn während einer schwierigen Phase im Sommer aufgebaut hat und wo der beste Ort für gutes Essen in London ist.
Vor der World Darts Championship 2024 haben unsere Kommentatoren Adrian Geiler und Tom Kirsten mit allen fünf deutschen Teilnehmern über ihre Vorbereitungen auf das größte Turnier des Jahres gesprochen.
Florian Hempel über…
…die Last-Minute-Quali: Da ist eine Menge Druck abgefallen, es hängt ja auch noch die Tourcard hinten dran und vieles mehr. Ich bin mit dem Mindset dahingefahren, dass ich zur Weihnachtszeit in London dabei sein möchte, dass ich auf diese Bühne, dieses Erlebnis mitnehmen und mir die neuen Farben der Bühne live angucken möchte. Es hat geklappt, ich habe mich qualifiziert und bin natürlich überglücklich.
…Kraft aus Drucksituationen: Ich weiß, dass es scheinbar eine Stärke von mir ist, in solchen Situationen da zu sein. Das Mindset gibt Selbstvertrauen, dass man es hinten raus immer noch packen kann. Es wäre natürlich schön, wenn man es auch früher schaffen könnte. Dann kann man ein bisschen besser planen und hätte auch die eine oder andere ruhigere Nacht. Aber es ist auch eine Eigenschaft, auf die ich mich berufen kann.
Florian Hempel: "Habe versucht, mir so viel Selbstvertrauen wie möglich zu holen"
…sein besseres Niveau seit dem Sommer: Ich habe die Sommerpause intensiver genutzt. Ich stand noch länger, noch intensiver am Trainingsboard, habe mich auf meine alten Tugenden berufen, habe viele, viele kleine regionale Turniere gespielt, um zu sehen, wo ich im Wettkampf stehe. Das hat sich ausgezahlt. Ich habe versucht, mir so viel Selbstvertrauen wie möglich zu holen. Und in Hildesheim gab es einen Schlüsselmoment.
…Hilfe von Mervyn King: In Hildesheim auf der Pro Tour, als ich gegen Mervyn King gespielt habe, ging es mir nicht gut. Ich hatte ein bisschen mit dem Bauch zu kämpfen. Dann nimmt mich King beiseite und wir haben hinter der Bühne 20 Minuten lang geredet. Da war ein gestandener Mann, seit 30, 35 Jahren im Sport, und hat die Tränen in den Augen, weil er weiß, wie ich mich fühle. Das sind diese Momente, die einen berühren und die muss man mitnehmen und wertschätzen. Und das habe ich und das hat mir geholfen. Er hat mir zwei, drei Dinge gesagt, die mich bis heute begleitet haben und die mich immer begleiten werden.
…einen Tipp von King: Eine Sache war sehr wichtig. Er hat zu mir gesagt: "Wenn du ans Practice Squad gehst, denke nicht darüber nach, was du tun musst, sondern darüber nach, was du tun kannst.‘ Und jedes Mal im Spiel denke ich immer: ‚Was kann ich tun?‘ Das hilft. Das sind positive Gefühle, die helfen, bessere Darts auszupacken und die negativen Gedanken beiseite zu schieben.
…seine dritte WM in Folge: Es sah lange Zeit so aus, dass es nichts wird. Jetzt habe ich es auf den letzten Drücker geschafft, eine Stunde vor der Auslosung. Da ist man natürlich glücklich.
…die Vorbereitung auf die WM: Die Vorbereitung ist intensiv mit täglich sieben, acht, neun Stunden am Practice Board. Ich habe Jungs, die kommen regelmäßig zu mir. Dann trainieren wir, um auch den Kopf freizubekommen. Hier mal ein Gespräch, da mal ein Gespräch, äußere Einflüsse. Die Jungs sind vielleicht nicht unbedingt auf meinem Niveau, aber es hilft einfach, gegen jemanden zu spielen, als stumpf alleine aufs Bord zu werfen.
…Learnings von den letzten Turnieren: Wo es das leckerste Essen gibt. Vor dem Spielerhotel gegenüber ist der Thai Square und da kann man sehr gut essen. Aber auch die Infrastruktur ist ein Riesenthema. Vom Spielerhotel sind es sechs, sieben Kilometer zum Ally Pally. In London braucht man schon mal eine Stunde dafür. Das ist ein wichtiger Aspekt, weil man planen muss. Und es ist schön, dass man weiß, wenn es das Drumherum geht, wo man hingeht, wenn man was essen oder den Kopf freibekommen möchte.
Florian Hempel: "Die Tourcard ist nicht in meinem Kopf"
…die noch nicht sichere Tourcard: Ich möchte eine gute WM spielen. Die Tourcard ist nicht in meinem Kopf. Ich muss mindestens ein Spiel gewinnen. Das kann reichen, das muss nicht reichen. Vielleicht reichen zwei Spiele, vielleicht reichen zwei Spiele auch nicht. Ich muss meine Hausaufgaben machen, ich muss meine Spiele gewinnen und dann können wir schauen, was die anderen machen. Von daher sind das alles Gedankenspiele, die ich gerne den Medienvertretern und den Experten gebe. Für mich gilt es, eine gute WM zu spielen, die Hausaufgaben zu machen, gut vorbereitet dorthin zu fahren, Spaß zu haben. Dann schauen wir mal, wofür es am Ende reicht.
…seinen Gegner Dylan Slevin: Ein junger Kerl, ein talentierter Junge, ein feiner Kerl, ihn habe ich jetzt ein Jahr auf der Tour erlebt, sehr höflich, nett. Er ist ein ruhiger Kerl, so ruhig wie man sein kann, wenn man aus Irland kommt. Er hat ein tolles Jahr gespielt, sein erstes Jahr auf der Tour, er war bei den Players Championship Finals dabei. Ich habe mir natürlich YouTube-Videos angeschaut, um zu sehen, was der Junge für einen Rhythmus spielt, um mich vorzubereiten.
…Gedanken an ein mögliches Spiel gegen Dimitri van den Bergh: Man wird natürlich oft darauf angesprochen. Es ist für Medien, für Fans und auch für die, die vor zwei Jahren die WM verfolgt haben, eine tolle Geschichte. Für mich persönlich ist es ein Spiel wie jedes andere. Natürlich hat man tolle Erinnerungen an das Spiel, aber was vor zwei Jahren war, ist in diesem Jahr, wenn es denn zu dem Spiel kommen sollte, überhaupt nicht relevant. Auch wenn Dimi vielleicht kein so sensationelles Jahr gespielt hat - der Junge kann Darts spielen und wenn er sich gut vorbereitet, dann werden das heiße 45 Minuten für mich.
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…den Walk-On-Song: „Kölsche Jung“: Es gibt im Vorfeld der WM immer diese obligatorische Mail, wo man sich anmeldet und auch den Walk-On-Song bekanntgibt. Das ist aber eigentlich nur für die Leute, die noch nie bei einer WM waren. Ich habe den Zettel dieses Jahr trotzdem ausgefüllt. Und habe besonders groß darauf geschrieben, was ich mir wünsche. Es kam dann eine E-Mail zurück mit einem lachenden Smiley und ‚No worries‘. Schauen wir mal, ob ich mit ‚No worries‘ den Walk-On beschreiten darf.
Florian Hempel: Favorit? "Man kommt an Luke Humphries nicht vorbei"
…seine Top-Favoriten: Das ist ganz, ganz schwer im Darts. Man kann keinen Top-Favoriten mehr nennen. Man kommt an Luke Humphries nicht vorbei. Ein absolutes Monster aktuell, sowohl mental als auch spielerisch. Den muss man auf dem Zettel haben. Aber ich glaube, gerade aus den Top-16 der Welt, oder Top-20, von mir aus auch Top-30 der Welt, kann das Ding jeder holen. Denn an der Spitze ist es so eng geworden. Gerade bei dem Satzmodus, der sehr tückisch werden kann, und wo keiner eine große Dominanz aufbauen kann. Das macht die WM so spannend und unberechenbar.
…den Satzmodus: Kleine Fehler lassen sich vielleicht schneller wieder ausmerzen. Wenn man eine Dominanz ans Board bringt und der Gegner die Momente hat, dann ist man schnell wieder im Hintertreffen, obwohl sich das Spiel gut anfühlt. Der Satzmodus ist nicht ohne Grund tückisch, ob das mir zugutekommt oder nicht - ich nehme den Modus so, wie er ist, ich muss damit umgehen. Das muss mein Gegner auch. Und dann muss man sehen, wie sich so ein Spiel entwickelt.
…das Jubiläum von Elmar Paulke: Elmar war einer der ersten, der mir auf Instagram geschrieben hatte, nachdem ich mir die Tourcard geholt hatte. Elmar ist ein ganz, ganz feiner Kerl und nicht ohne Grund schon so lange dabei und so erfahren.