Kai Havertz hat in seiner noch jungen Karriere bereits viel erlebt. Mit 23 Jahren hat der Offensivmann bereits einen Sieg in der UEFA Champions League, einen UEFA Super Cup-Triumph und einen Klub-WM-Titel vorzuweisen. Außerdem ist er nach wie vor der jüngste Spieler aller Zeiten, der in der Bundesliga auf 100 Einsätze kam - mit damals 20 Jahren und 186 Tagen.
Im Sommer 2020 wechselte der 1,93 Meter große Linksfuß von Bayer Leverkusen zum FC Chelsea und avancierte an der Stamford Bridge zum Stammspieler.
Im exklusiven Interview mit DAZN spricht der 23-Jährige über seine Wurzeln, seine Familie, die Fußballbegeisterung seiner Oma und gibt Einblicke in seine Gefühlswelt nach dem Wechsel in die Premier League. Zudem spricht er über die Arbeit von Thomas Tuchel bei den Blues und erklärt, welchen Einfluss der Trainer auf ihn und seine Entwicklung hatte. Außerdem verrät, wie es ist, mit viel Druck umzugehen und spricht über seine Stiftung, die sich neben dem Tierschutz auch der Jugend- und Altenhilfe widmet.
Kai Havertz exklusiv bei DAZN über …
… Stolz
"Fußball ist das Wichtigste in meinem Leben. Aber ich bin stolz darauf, was aus mir und meiner Familie geworden ist, aus meinen Geschwistern, meiner Freundin - dass wir alle bodenständig sind. Dass wir uns alle zum Glück keine Sorgen machen müssen, sondern ein gutes Leben führen können. Das macht mich am glücklichsten. Die anderen stolz gemacht zu haben, auch schon in den frühen Jahren meiner Karriere, und jetzt bereits sagen zu können, dass sich der ganze Aufwand in den ersten 17 Jahren gelohnt hat."
… seine Heimat Mariadorf
"Es ist ein Dorf, an das ich mich immer gerne zurückerinnere. Dort habe ich meine ersten Schritte im Fußball gemacht, bin dort groß geworden, zur Schule gegangen. Es wird immer meine Heimat bleiben, auch wenn meine Eltern da jetzt wegziehen werden. Es kommt mir vor, als wäre es lange her gewesen, weil ich früh weggezogen bin. Aber jedes Mal, wenn ich da bin, freue mich."
… das Leben im Dorf
"Ich bin mit einem großen Bruder und einer großen Schwester aufgewachsen, mein Bruder hatte seine Freunde da und hat Playstation gezockt, was ich eigentlich noch nicht durfte, da hat man dann mit reingeschaut. Aber eigentlich waren wir immer draußen. Ich war nicht derjenige, der groß auf den Straßen rumgelaufen ist, sondern war immer im Garten Fußball spielen, mit Freunden und Geschwistern. Und ein Freund hatte einen Bauernhof, da waren wir oft zu Besuch. Das klassische Dorfleben."
… den Einfluss seiner Geschwister
"Meine Mutter sagt immer spaßeshalber, dass meine Geschwister mich erzogen haben und nicht meine Eltern. Ich bin immer hinter meinen älteren Geschwistern hergelaufen. Manchmal hatten die dann auch die Nase voll, wenn sie sich mit ihren Freunden getroffen haben und einen kleinen Jungen dabeihatten, der mitspielen will. Ich war sieben, als mein Bruder 14 war, da ändern sich dann auch die Interessen. Aber das war schon echt cool für mich, da wurde ich dann mal gefordert auf dem Fußballplatz (grinst). Es war eine super Zeit und wir quatschen immer noch gerne drüber, weil uns das alle sehr geprägt hat."
… seine Schwester
"Meine Schwester hat immer alles abbekommen. Wir waren fußballverrückt, haben immer Fußball gespielt. Sie hatte da nicht so Bock drauf, wurde dann aber immer dazu gedrängt. Da sind viele Streitigkeiten entstanden, wenn der Ball mal gegen den Kopf geflogen ist. Da neckt man sich ein bisschen. Aber sie hatte da nie Probleme mit, das konnte sie immer gut wegstecken. Ich habe Respekt vor ihr, wie sie das mit zwei Jungs ausgehalten hat."
… Themen in der Familie Havertz
"Wenn wir uns treffen, versuchen wir den Fußball außen vor zu lassen. Klar ist das nicht immer möglich. Vor allem wenn es gut läuft, spreche ich auch gerne darüber und erzähle Geschichten, was hinter den Kulissen so passiert, gerade mein Vater liebt das. Er war schon immer Fußballfan und hat uns immer zu den Spielen von Alemannia Aachen mitgenommen. Er freut sich wie ein kleines Kind, wenn ich ihm ein paar Anekdoten erzähle."
… seine Geschwister im Schatten des kleinen Bruders
"Für meine Geschwister war es schwer, dass das Thema immer Fußball und schlussendlich ich war. Wenn man sich mit Freunden traf, war immer das erste Thema: Wo ist Kai, was macht er, wie geht’s dem. (…) Es gab bestimmt Momente, in denen die zwei sich gedacht haben: Warum geht es nicht um mich? Aber ich habe das nie mitbekommen und mir wurde es auch nie so vermittelt, dass einer sauer ist oder Themen hat, um die es gehen muss. Das ist eher ein Thema zwischen ihnen und meinen Eltern. Als 17-, 18-Jähriger verstehst du auch nicht immer die Sorgen, die deine Geschwister haben. Mit der Zeit habe ich begriffen, dass sie ihr eigenes Leben haben. Ich bin derjenige in der Öffentlichkeit, aber mittlerweile kriegen wir es ganz gut hin, dass jeder seinen Kummer und seine Sorgen mitteilen kann."
… seinen Bruder
"Mein Bruder ist seit Tag 1 meiner Karriere an meiner Seite, hat mir immer geholfen und ist auch jetzt noch im ganzen Business die Person, die am nächsten dran ist und mir Ratschläge gibt. Das war immer unser Traum, dass wir das so machen."
… seine Eltern
"Meine Eltern haben mir nie den Druck gemacht, dass ich Fußballprofi werden soll. Das hat mir die Freiheit gegeben, ohne Druck Fußball zu spielen. Ich habe angefangen, weil es mir Spaß gemacht und der Ball etwas Besonderes in mir ausgelöst hat. Ich glaube immer noch jedes Mal, wenn ich einen Ball sehe, muss ich dagegentreten. Meine Eltern haben mir aber immer gesagt: Mach das so lange, wie du Bock hast, und wenn du keine Lust mehr hast, dann hörst du auf. Ich war 8 oder 9, als die ersten Interessen von großen Vereinen kamen. Da haben sie mir gesagt, ich könne nicht einfach von meiner Schule und von meinen Freunden weggehen. Und falls es dann nicht klappen würde, wärst du sauer, dass wir dich aus deinem Umfeld gezogen haben. Als Kind versteht du das nicht, denkst dir, sie wollen dir was Böses, lassen dich nicht gehen. Mittlerweile weiß ich, dass es genau die richtige Entscheidung war."
… seinen Wachstumsschub
"Bis ich 14 war, war ich der kleinste Spieler in meiner Mannschaft. Dann hatte ich einen krassen Wachstumsschub. Rückblickend hat mir das geholfen. Als ich klein war, war ich technisch gut, schnell, wendig, dribbelstark. Als ich dann groß wurde, war ich zwar nicht mehr der Schnellste und Beweglichste, wusste aber, dass ich diese Fähigkeiten alle habe. So profitiere ich von beidem. Als ich zwischen 14 und 17 war, war es nicht einfach, so schnell zu wachsen. Ich hatte Knieprobleme, mein erstes U17-Jahr war richtig schlecht, da ging es bergab. Heute bin ich froh, diese Größe erreicht zu haben."
… körperliche Beschwerden, die der Druck auslöst
"Das hat sich über die erste Saison gezogen. Als ich zu den Profis in die Kabine gekommen bin, war ich komplett aufgeregt. Du arbeitest 16 Jahre darauf hin, zu den Profis zu kommen, dann stehst du da und willst den besten Eindruck hinterlassen, musst dich im Training beweisen, musst alles verarbeiten, aber auch Gas geben. Im Fußball hast du nicht viele Chancen, also musste ich sie nutzen. Deswegen war ich nervös und hatte in den ersten Bundesligaspielen Magenprobleme. Dagegen habe ich Tabletten bekommen. Das hat dann schon das erste Jahr gedauert, bis das weg war. Dann wusste ich: Ich habe meine ersten Schritte gesetzt, die Leute akzeptieren mich, ich kenne die Abläufe. Dann war der Druck etwas weg, ich fühlte mich leichter und freier. Seitdem ist das kein Thema mehr.
… externe Hilfe während diese Phase
"Das habe ich mit mir selbst ausgemacht. Mit meinem Bruder habe ich immer einen Spaß draus gemacht, gesagt, ich habe wieder Dünnschiss vor dem Spiel. (lacht) Ein unruhiger Magen vor wichtigen Sachen ist ein Stück weit auch normal. Mittlerweile habe ich vor den Spielen nur noch Vorfreude."
… Umgang mit Druck
"Als Jugendlicher bist du frei und froh, auf dem Platz zu stehen. Du lebst von deiner Leichtigkeit, alle feiern dich. Da hast du keine Angst vor Fehlern, ich habe einfach gemacht, selbst wenn was passiert, hast du keinen Druck von außen gespürt. Mit der Zeit realisiert du das, gerade jetzt bei großen Vereinen wie Chelsea. Du spürst den Druck in jeder Sekunde des Spiels, auch unter der Woche, wenn es mal schlecht läuft. Deswegen ist es wichtig, damit klarzukommen. Die ersten sechs Monate hier haben mir gezeigt, dass es auch mal bergab geht. Am Ende haben wir die Champions League gewonnen. Ich habe mir vor Augen geführt: Am Ende wird alles gut. Seitdem gab es einen Switch in meinem Kopf. Der Druck ist nicht mehr so krass. Ich weiß: Du bist schnell am Boden, bist aber genauso schnell auch wieder der Held. Mir geht es darum, auf dem Platz zu stehen, Spaß zu haben und das Spiel zu genießen. Die Karriere ist kurz."
… seine ersten sechs Monate bei Chelsea
"Das war die schwierigste Zeit in meiner Karriere. Die ersten Jahre gingen bei mir immer steil nach oben, ich hatte nie Gegenwind. Dann bin ich hierhin gekommen, habe gedacht: Du kommst zu Chelsea, bist der Stareinkauf und musst abliefern, gut spielen. Da merkst du auf einmal: Das geht nicht so einfach. Das hat mich natürlich beschäftigt. Es war die Coronaphase, es waren keine Zuschauer im Stadion, die dich pushen können. Dazu hat die Premier League eine andere Härte und Geschwindigkeit. Neue Sprache, neue Kultur, komplett neues Leben. Das hat etwas gebraucht und war schon eine harte Zeit."
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… Zweifel in dieser Phase
"Natürlich will man immer alles so schnell wie möglich. Dann habe ich das Tor im Finale geschossen und wir haben die Champions League gewonnen. Dann merkst du: Scheiß auf das erste Jahr, wir haben die Champions League gewonnen. Ganz egal, was die Leute gesagt haben, ich habe mir meinen größten Traum erfüllt. Deswegen bin ich, ganz egal, was in den nächsten Jahren bei Chelsea passiert, immer dankbar, dass ich den Schritt gemacht habe. Ich hätte mir keinen besseren Schritt vorstellen können."
"Ganz egal, was die Leute gesagt haben, ich habe mir meinen größten Traum erfüllt"
… den Anteil von Thomas Tuchel
"Er hat einen großen Anteil. Wir waren Neunter in der Liga, im Achtelfinale der Champions League haben alle gesagt, gegen Atletico wird das nichts. Es war eigentlich aussichtslos. Dann kam er und hat den Laden komplett auf rechts gedreht. Er hat uns in der Liga in die Champions League gebracht, hat mit uns die Champions League gewonnen. Auch an meinem Erfolg hatte er seinen Anteil. Wir haben ihm viel zu verdanken."
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… den Austausch mit einem deutschsprachigen Trainer
"Der ist natürlich intensiver. Auch alle Co-Trainer haben deutsch gesprochen, mit denen sprichst du noch mehr. Auf Deutsch mit denen kommunizieren zu können, hat mir persönlich extrem geholfen. Vielleicht hat das auch etwas Positives in mir ausgelöst. Ich beherrsche die englische Sprache jetzt auch einwandfrei, aber natürlich gibt dir eine deutsche Gruppe ein kleines Heimatgefühl und hilft dir in schwerer Zeit."
… Thomas Tuchel beim FCB
"Man hat gesehen, wozu Thomas Tuchel in der Lage ist. Er ist ein überragender Trainer, das hat er im Ausland gezeigt und zuvor in Dortmund. Die Jungs von Bayern München können sich auf ihn freuen."
… den Austausch mit den Nationalmannschaftskollegen über Thomas Tuchel
"Der Austausch über Trainer und Teams ist generell groß. Man spricht darüber, was gut und schlecht läuft. Nicht nur, weil Thomas Tuchel zu Bayern gegangen ist. Vor allem in der Zeit, als wir die CL gewonnen haben, hat das Gesprächsstoff ausgelöst. Es ist natürlich nicht üblich, dass ein Trainer kommt und nach sechs Monaten das Ding gewinnt."
… die Detailversessenheit von Thomas Tuchel
"Man merkt, dass er auf jedes kleinste Detail im Fußball achtet. Das hat mir die Augen geöffnet. Dass jede Sekunde in den 90 Minuten wichtig ist. Er hat mir klar und deutlich gesagt, was ich besser machen kann. Er hat mir vor Augen geführt, dass ich die Qualitäten habe, jedes Spiel gut zu spielen. Diese Konstanz ist bei mir ein wichtiger Punkt gewesen. Ich hatte überragende Weltklasse-Spiele dabei, aber auch Spiele, in denen es nicht so gut läuft. Das Thema hat er bei mir häufig angesprochen."
"Er hat mir klar und deutlich gesagt, was ich besser machen kann. Das hat mir die Augen geöffnet"
… Konstanz
"Wenn du alle drei Tage spielst, kannst du nicht jeden Tag an dein Leistungsmaximum kommen. (…) Im Fußball sind Kleinigkeiten entscheidend, du kannst vorher nie wissen, was passiert, es kommt auf den Instinkt an. Konstanz war immer schon wichtig in meiner Karriere, weil sie mir manchmal gefehlt hat. Aber ich bin 23 Jahre alt und jetzt seit sechs Jahren in den Ligen unterwegs. Viele sehen nicht, dass ich immer noch jung bin und Zeit habe, mich zu entwickeln. Sondern sie sehen: Der hat das Champions-League-Tor gemacht, der muss jetzt jedes Spiel gut spielen. Das ist aber nicht möglich. Aber ich bin auf einem guten Weg, das mit der Zeit und Erfahrung hinzubekommen."
… das Zusammenspiel mit anderen Weltklassespielern
"Das ist Teil des Business. Chelsea hat viel Geld ausgegeben, die Konkurrenz ist immer da. Wir haben viele junge Spieler. Auf dem Platz zählt aber einfach, dass man zusammen als Team agiert. Ich bin auch jemand, der immer lieber den besser postierten Mann sucht. Aber ich habe auch gelernt, dass man im Fußball manchmal etwas egoistisch sein muss. Wenn ich ein Tor machen will, nehme ich mir den Ball und schieße ihn rein. Da musst du das Selbstbewusstsein in großen Spielen haben. Das habe ich mir in Chelsea angeeignet. Das ist ein Prozess."
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… Vorbilder in seiner Generation
"Ich spreche da nicht von Vorbildern, sondern von Spielern, die Stärken haben, wo ich mir was abschauen kann. Kylian Mbappe zum Beispiel. Er ist ein Jahr älter als ich. Ich liebe es, ihn anzuschauen und denke: Krank, wie macht er das. Ich sehe kein Spiel von ihm, in dem er nicht spritzig ist oder den Gegner nicht ins Laufduell drängen will. Es gibt also Spieler, bei denen ich mir was abschaue. Aber Vorbilder hatte ich eher als Kind."
"Ich liebe es, ihn anzuschauen und denke: Krank, wie macht er das"
… Karim Benzema
"Er ist über Jahre hinweg ein überragender Stürmer. Er spielt bei Real Madrid auf der höchsten Stufe des Fußballs, hat nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo Verantwortung übernommen und sie zu vielen Titeln geschossen. Deswegen ist er auf der Neunerposition natürlich als Vorbild zu sehen."
… den Abgang von Rüdiger und Timo Werner
"Das verändert etwas. Aber Fußball ist so schnelllebig. Man muss die Jungs respektieren, vor allem Toni, dass er zu Real Madrid geht. Das war ein Traum, den er sich erfüllen wollte. Deswegen ist man keinem böse, sondern man freut sich mit. Ich hatte auch den einen oder anderen Freund in Leverkusen, Julian Brandt zum Beispiel, der gegangen ist. Ich wusste, das sowas passieren kann. Den Kontakt zu halten, ist heutzutage einfach. Mit Timo zocke ich gerne mal, Toni sehe ich in der Nationalmannschaft, meine Freundin und seine Frau sind gut befreundet. Man verliert sich nicht aus den Augen."
"Man muss die Jungs respektieren, vor allem Toni, dass er zu Real Madrid geht. Das war ein Traum, den er sich erfüllen wollte"
… London
"Ich liebe London, die Stadt und hier zu sein, aber ich könnte niemals in der Innenstadt einer Großstadt wohnen. Es ist geil, London 30 Minuten entfernt zu haben, dort hinzufahren, gut essen zu gehen, an freien Tagen was unternehmen zu können. Vor allem nach meiner Karriere sehe ich mich aber nicht in einer Wohnung in der Innenstadt, sondern außerhalb mit was Grün drumherum. Das ist mir wichtiger."
… was es zu Hause braucht, um Energie zu sammeln
"Zeit mit meinen Hunden und meiner Freundin. Auch in schlechten Zeiten kommt man nach Hause und jeder freut sich, dass man da ist. Das bereitet mir ein Lächeln. Dann bin ich grundsätzlich gerne draußen an der frischen Luft. Natürlich schmeiße ich abends mal die Playstation an und gehe ein bisschen in Fortnite rein. Aber größtenteils, vor allem an Tagen nach den Spielen, mag ich es, Zeit mit den Hunden oder dem Pferd und der Freundin zu verbringen. Da merkt man, dass Fußball Nebensache ist und es auf andere Dinge ankommt."
… Zeitung lesen und Schlagzeilen
"Da ist nicht so meins. Gerade dieses Schlagzeilenthema. Ich weiß, wie es ist, hinter so einer Schlagzeile zu stecken. Hinter jeder Schlagzeile steckt ein Mensch, der Gefühle und Emotionen hat. Wenn man nicht gut wegkommt, ist das nicht toll. Ich kann viele verstehen, die sich darüber aufregen. Ich mache mir da nichts draus. In den Anfangsjahren war das anders, aber mittlerweile ist es mir sowas von egal, was Leute über mich denken. Darauf kommt es in meinem Leben nicht an."
… Außendarstellung
"Ich habe mich lange eingeschränkt: Was sage ich jetzt, was gebe ich preis, ist das gut, ist das schlecht? Dann ist mir bewusst geworden, dass sowieso alles auf die Goldwaage gelegt wird. Ich habe die Schutzfunktion mittlerweile komplett abgelegt. Ich bin sorgenfrei und mir ist es egal, wie ich rüberkomme oder was Leute über mich denken. Beim Zocken beispielsweise verspricht man sich mal oder beleidigt jemanden, aber das ist menschlich und normal. Ich finde, man muss zeigen, wie man ist."
… falsche Leute im Geschäft
"Das ist tagtäglich bei mir so. Man kann niemandem hinter die Augen schauen. Nach außen ist immer jeder cool und freundlich und will helfen. Deswegen bin ich vielleicht etwas distanzierter, wenn ich neue Leute kennenlerne. Bei Menschen, die ich nicht kenne, brauche ich etwas, um warmzuwerden. Da habe ich Schwierigkeiten, direkt cool mit denen zu sein. Weil ich weiß, dass es auch Schattenseiten gibt."
… seine Oma
"Wir haben ein extrem enges Verhältnis. Ich bin ihr Patenkind, sie hatte immer eine besondere Bindung zu mir. Sie ist eine unfassbare Frau. Es ist überragend, wenn sie hier ist. Man sieht, wie viel Spaß sie hat, wenn sie zu den Spielen geht und einen unterstützt. Sie ist jetzt 85. Zu sehen, wie glücklich ich sie mit dem Fußball mache. Mein Opa war auch immer fußballverrückt. Sie ist ein extrem wichtiger Teil in meinem Leben."
"Sie ist jetzt 85. Zu sehen, wie glücklich ich sie mit dem Fußball mache"
… Dinge, die er sich bei Oma abgeschaut hat
"Sie hat das Herz auf der Zunge und sagt auch mal Sachen, die einem nicht so passen. Auch im Alltag rutschen ihr manchmal Dinge raus, die sie im Nachhinein vielleicht besser geflüstert hätte. Natürlich muss man manchmal aufpassen, was man sagt, aber mittlerweile finde ich das ganz cool. Sie sagt, was sie denkt, und ist eine ehrliche Seele. Es bringt nichts, sich groß anzulügen oder Sachen zu verstecken. Wenn man sagt, was man denkt und wie man sich fühlt, fährt man am besten."
… seine Tierliebe
"Wir hatten früher immer Tiere zu Hause. Wir hatten einen riesigen Garten. Wir hatten ein Pferd, ein Pony, Meerschweinchen, Hasen, Hunde, Katzen, ganz viele Tiere zu Hause. Das hat mich geprägt. Für mich waren Tiere schon immer ein besonderer Teil meines Lebens. Sie sind es immer noch."
… die Gründung seiner Stiftung
"Der Gedanke hat ganz klein angefangen. Früher habe ich gesagt, ich will irgendwann mal 20 Esel und Pferde und alles Mögliche in meinem Garten stehen haben. Und es sollten Tiere sein, die gerettet wurden. Meine Eltern haben mir dann zum 18. Geburtstag eine Patenschaft für drei Esel im Eselpark geschenkt, die gerettet wurden. Es war krass, sie kennenzulernen und zu merken, was für eine Ruhe sie ausstrahlen, obwohl es ihnen so schlecht ging. Dann wurde ich mal vom Eselpark kontaktiert, ob ich einen Esel kaufen will, der sonst geschlachtet wird. Mit 18 habe ich dann meinen ersten Esel gerettet. Ein Mitarbeitet ist hingefahren, es war wie im Film: Der Metzger hat blutüberströmt die Tür aufgemacht, der Esel stand mit einem Seil um den Hals in der Ecke. Wir haben ihn dann gekauft und in den Eselpark gebracht, ich habe ihn kennengelernt und hatte eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Einem anderen Esel haben wir eine Operation bezahlt, der ist jetzt wieder glücklich. Dann kam die Flutkatastrophe im Aartal und wir haben dort versucht zu helfen. So reifte der Gedanke, eine Stiftung zu gründen, immer weiter. Eineinhalb Jahre und viele Schweißtropfen später haben wir es umgesetzt und versuchen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich bin finanziell in einer Situation, in der ich helfen kann und Hilfe anbieten will. Es ist eine Herzensangelegenheit. Und dass es um Tiere geht, ist eine besondere Sache für mich. Ich werde die nächsten Jahre viel Energie reinstecken."
… die Flutkatastrophe
"Es passieren so viele Dinge, die unfassbar sind, wo man denkt, wie kann das sein. Das passiert dann aber irgendwo, wo man die Augen vor verschließen kann. Nach dem Prinzip: Hat ja nichts mit mir zu tun. Wahrscheinlich war ich damals genauso. Dann zu sehen, dass es vor deiner Haustür passiert und zu wissen, wie die Leute sich fühlen, hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass so viele Menschen auf der Welt leben, denen es schlecht geht und die Hilfe brauchen. Zusammen kann man Dinge anpacken und bewegen. Und weil ich nach außen eine große Ausstrahlungskraft habe, kann ich mit meiner Stimme etwas bewirken."
… die Arbeit in seiner Stiftung
"Neben dem Tierschutz ist auch die Jugend- und Altenhilfe Thema der Stiftung. Es kamen Kindergartengruppe mit ADHS-Kindern oder anderen Behinderungen in den Eselpark und haben gelacht und hatten Spaß. Das hat mir gezeigt, dass man ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, wenn man Tier und Mensch vereint. Meine Oma freut sich, wenn sie hier ist, fast mehr über die Hunde als über uns. Ältere Leute und Kinder sind die Altersgruppen, die am meisten Hilfe brauchen, weil sie vielleicht nicht stark genug sind, allein leben, keine Familie mehr haben."
… Nachwuchsförderung als Teil seiner Stiftung
"Ich habe den besten Weg eines Kindes hin zum Fußballprofi durchlebt. Ich weiß ganz genau, wie es sich anfühlt, vom Vierjährigen zum Premier-League-Spieler heranzuwachsen. Und ich weiß genau, was es benötigt. Ich hatte immer meine Fußballschuhe, Geld, um mir Trikots und Schienbeinschoner zu kaufen. Ich habe aber auch erlebt, dass es Kinder gab, die das nicht hatten. Es gibt so viele Kinder mit so viel Talent da draußen, die ihrem Talent aber nicht nachgehen. Denen wollen wir helfen. Ich kann aus eigener Erfahrung helfen und die Augen öffnen, dass man seinen Traum verwirklichen kann."
… Probleme in der Nachwuchsförderung im deutschen Fußball
"Uns fehlt die Straßenkickermentalität. Heutzutage kommen Achtjährige ins NLZ und sie werden geschult, wie sie sich in welcher Formation zu verhalten haben. Das habe ich in England nicht so gesehen. Wir haben mal mit einer U10-Mannschaft gespielt, da waren Jungs dabei, ich war mit neun Jahren nicht mal ansatzweise so gut. Die haben den Ball genommen, Zidane-Trick gemacht, Ronaldo-Trick, an zehn Spielern vorbei und das Ding ins Tor geschossen. Es ist wichtig, Kindern bis zu einem gewissen Alter genügend Freiheiten zu geben. Mir hat das auch geholfen, als ich jung war. Es hilft nicht, den Jungs zu viel in den Kopf zu setzen. Lass sie ihr Ding machen, am Ball Spaß haben, Dinge ausprobieren, vielleicht auch mal auf die Schnauze fallen. Aber gib den Jungs Freiheiten."
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… Mentoren in seiner Ausbildung
"Slawomir Czarniecki war mein erster Trainer in Leverkusen und extrem wichtig. Zudem habe ich heute noch einen ganz guten Draht. Peter Quast war sein Co-Trainer, der hat uns ganz schön gefordert mit Treppenläufen und so. Er hat viel Wert auf Wille, Disziplin und Respekt gelegt. Die zwei waren in der U12 Leute, die mich geprägt haben in jungen Jahren. In der U17 war es dann Markus Anfang. Nach meinem Wachstumsschub war er wichtig für mich, um das Fußballerische wieder reinzubekommen. Er hat mir die Angst vor Fehlern komplett genommen, gesagt, du hast so viel Qualität, mach dein Ding, nimm den Ball und lauf durch."
… Dinge, die er als Mensch noch lernen will
"Ich will jetzt nicht übers Schulsystem diskutieren, aber ich habe in der Schule nichts über Finanzen oder Geldanlagen gelernt. Das ist ein Thema, in das ich reinwachsen will. Und als Mensch möchte ich bodenständig bleiben und die Leute respektvoll behandeln. Und hoffentlich werde ich auch irgendwann mal meine Kinder so erziehen, dass das das Wichtigste im Leben ist. Mit der Stiftung möchte ich aktiv sein, Themen begleiten, Leute kennenlernen. Wir hatten im Winter einen Besuch im Kinderkrankenhaus, das hat mir extrem viel Energie gegeben. Ich merke, dass Leute mich kennen und mögen, das will ich nutzen, um ihnen einen schönen Tag zu bereiten. Dann interessieren mich Sprachen. Neue Kulturen kennenlernen. Ich bin ein Abenteurer-Typ, keiner, der im Urlaub am Strand rumliegt. Ich will noch viele Dinge sehen im Leben.
… sein nächstes privates Abenteuer
"Meine Freundin kommt aus Kolumbien. Ich will als Nächstes nach Südamerika reisen und Kolumbien kennenlernen. Ihre Wurzeln und ihre Familie kennenlernen. Ich war noch nie in Südamerika. Da muss ich langsam anfangen, Spanisch zu lernen. (grinst)"