KOLUMNE
Als ich 2009 in Global United einen gemeinnützigen Verein gegründet habe, der sich speziell für Klima- und Umweltthemen einsetzt, war Fredi Bobic sofort dabei. "Du bist doch bekloppt, das machen wir zusammen", hat er gesagt, als ich ihm erstmals von meiner Idee erzählte. Dann hat er sein riesiges Netzwerk angezapft, um weitere Unterstützer zu akquirieren. Das zeigt eigentlich ganz gut, wie Fredi tickt und was ihn auszeichnet.
Fredi ist ein spontaner, weltoffener Mensch mit großer Initiative und dem Herzen am rechten Fleck. Und Fredi ist nicht nur in meinen Augen einer der herausragenden Sportchefs der Bundesliga, ein absoluter Top-Mann.
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Was er aus den finanziell begrenzten Möglichkeiten in Frankfurt gemacht hat und immer noch macht, ist sensationell. Stellvertretend dafür steht am ehesten der Transfer von Kevin-Prince Boateng.
Boateng galt als verbrannt, bevor er 2017 zur Eintracht wechselte. In der Bundesliga haben sich viele Verantwortliche bei seinem Namen in die Hose gemacht. Da hieß es dann, Boateng sei unbequem, charakterlich schwierig, teuer, verletzungsanfällig. An ihn hat sich niemand herangetraut – außer Fredi.
Fredi hat in Boateng etwas Besonderes gesehen. Seine Erfahrung, seine Meinungsstärke, seine Führungsqualitäten. Er kannte den ganz jungen Kevin aus Berlin, wusste also um seine spielerischen Vorzüge ohnehin Bescheid, aber auch um seinen wahren Charakter. Der Rest ist Geschichte.
Bei Fredi Bobic schlägt fast jeder Neuzugang ein
Dabei muss man erwähnen: Boateng war keine Ausnahme, kein Mega-Glücksgriff unter vielen, sondern ein typischer Fredi-Bobic-Transfer. Ob Marius Wolf aus Hannover, Omar Mascarell und Jesus Vallejo aus Madrid, Sebastian Haller aus Utrecht, Danny da Costa aus Leverkusen, Daichi Kamada aus Tosu, Ante Rebic aus Florenz, Gelson Fernandes aus Rennes, Evan N’Dicka aus Auxerre, Goncalo Paciencia aus Porto, Filip Kostic aus Hamburg oder Luka Jovic aus Lissabon – Fredi hat immer wieder auf Spieler gesetzt, die anderswo aus verschiedenen Gründen durchs Raster gefallen waren, die oft nicht als die einfachsten Charaktere galten. Fredi denkt eben alternativ und mutig - und er geht bei Transfers ins Risiko. Zudem hat er in Ben Manga einen herausragenden Scout beziehungsweise Flüsterer an seiner Seite, der ihm genau diese Fußballer empfiehlt. Spieler, die bei anderen Vereinen eben nicht vorne auf den Listen auftauchen.
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Vereine, die selten mehr als zehn Millionen Euro für einen Spieler ausgeben und meistens selbst von dieser Summe nur einen Bruchteil investieren, müssen immer auch auf Masse setzten und hoffen, dass sich einige wenige Spieler als brutale Verstärkungen entpuppen. Bei Fredi dagegen schlägt fast jeder Neuzugang ein.
Wenn ich so von Fredis Arbeit schwärme, muss ich unweigerlich auch an die für ihn schwierigen Zeiten denken. Es scheint aus heutiger Sicht fast surreal, was für einen schweren Stand er anfangs in Frankfurt hatte. Vereinsintern, aber vor allem unter den Fans. Dank des smarten Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Steubing machte Fredi aus viel Zwietracht eine Eintracht.
Ein Beispiel für die Arbeit von Fredi Bobic: Saul wäre um ein Haar beim VfB Stuttgart gelandet
Entscheidend für Fredis Erfolg mit der Eintracht war sicher seine Zeit beim VfB Stuttgart. Die ganze Thematik und die Art und Weise, wie er im September 2014 entlassen wurde, hat ihm sehr weh getan. Der VfB war und ist für Fredi eine Herzensangelegenheit, als Spieler hat er viel mit dem Klub erreicht. Doch die Bedingungen im Stuttgarter Konstrukt mit einem starken Aufsichtsrat waren schwierig.
Fredi wollte beispielsweise Joshua Kimmich unbedingt halten, im Verein war man aber eher auf das schnelle Geld aus, das man nach seiner erfolgreichen Zeit bei RB Leipzig mit ihm machen konnte. Ein weiteres Beispiel, wie unkonventionell und langfristig Fredi denkt: Saul Niguez war mit seinem Vater schon zu Gesprächen beim VfB in Stuttgart. Saul war damals ein Rohdiamant, 18 Jahre alt und gerade an Rayo Vallecano verliehen. Mit dem VfB war bereits alles klar, für etwa acht Millionen Euro hätte man ihn verpflichten können. Fredi war von Saul überzeugt, hat seine Verpflichtung aber nicht durchbekommen, weil die Summe anderen zu hoch war. Heute ist Saul einer der wahrscheinlich besten Mittelfeldspieler der Welt und ein Vielfaches wert.
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Und doch hat die Zeit in Stuttgart Fredi eben auch geholfen. Er hat im Anschluss das ganze Fußballbusiness, aber auch sich selbst analysiert und eine neue Gelassenheit entwickelt. Er hat seinen Umgang mit Druck verändert und die Dinge nicht mehr so nah an sich herangelassen. Kurzum: Durch die Zeit in Stuttgart hat er den für sich besten Weg gefunden, im Haifischbecken Profifußball nicht nur zu überleben, sondern sich zu einem Alphahai zu entwickeln.
Fredi Bobic: Sein großes Netzwerk ist seine große Chance
Fredi ist in dieser Zeit viel gereist, er war oft in den USA, auch in Alaska, um seine Gedanken neu zu sortieren. Durch solche Trips stärkt er seine kreative Ader, die dann auch bei Transfers zum Vorschein kommt. Und Fredi hat natürlich weiter an seinem Netzwerk gearbeitet, ist heute einer der am besten verbandeltsten Sportdirektoren überhaupt. Er hat einen sehr guten Zugriff bei kleinen Vereinen, aber auch bei ganz großen Klubs wie Real Madrid. Wenn man die entsprechenden Nummern hat und mit den Verantwortlichen gut kann, ist im Transfergeschäft vieles einfacher als bei einem aalglatten Businessverlauf mit förmlichen Kontaktaufnahmen.
Ich bin sehr gespannt, wo Fredis Weg ihn hinführt. Meines Erachtens gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Er bleibt noch lange in Frankfurt, daran glaube ich persönlich aber nicht. Denn was soll er nach der zweifachen Europa-League-Qualifikation und dem Gewinn des DFB-Pokals noch erreichen? Bayern, Dortmund und Leipzig sind für Frankfurt sportlich momentan nur schwer zu erreichen. Zweitens: Er wechselt zu einem europäischen Top-Klub. Oder drittes: Er macht etwas ganz anderes, eher exotisches und arbeitet für einen Klub, in dem er strukturell etwas aufbauen kann.
Fredi Bobic könnte einen Verein wie Manchester United wieder an die Spitze führen
Ich persönlich würde ja gerne mal sehen, wie Fredi mit einer Tasche voller Geld arbeitet und welche Spieler er dann verpflichtet. Auch wenn die Arbeit bei einem Top-Klub verglichen mit der Entwicklungs- und Aufbauarbeit mit begrenzten Mitteln eine ganz andere ist, bin ich mir sicher, dass Fredi der Aufgabe gewachsen wäre. Ich bin fest davon überzeugt, dass er einen Verein wie Manchester United wieder an die Spitze führen könnte. Die Frage ist eher, ob er das will.
Umgekehrt werden europäische Top-Klubs Fredi längst auf dem Zettel haben. Bei ManUnited etwa würde eine Umstrukturierung mit einem starken Sportdirektor, der im Hintergrund des Trainers beziehungsweise Managers arbeitet, wie man auf der Insel sagt, sicher sehr gut greifen.