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Michael Ballack exklusiv: "City hat diesen Titel noch nicht geholt - das steckt in den Köpfen drin"

Michael Ballack exklusiv: "City hat diesen Titel noch nicht geholt - das steckt in den Köpfen drin"Getty Images

Die UEFA Champions League geht in die entscheidenden Wochen! Die Viertelfinals starten mit den Hinspielen, mit Manchester City vs. FC Bayern München gibt es einen absoluten Kracher, mit Real Madrid vs. FC Chelsea gibt es zudem die dritte Runde zweier Klasse-Teams, die in den vergangenen zwei Saisons schon in der K.o.-Runde zugelost wurden. 

Warum Michael Ballack das Duell der Citizens gegen die Bayern ein 50:50-Spiel ist, was aber trotzdem vielleicht für die Bayern spricht und welche Rolle das Trainerduell zwischen Pep Guardiola und Thomas Tuchel spielen könnte, erklärt der Ex-DFB-Kapitän und DAZN-Experte im Interview. Außerdem geht er auf die Vorgänge beim FC Bayern München ein, bricht eine Lanze für Benficas Erfolgscoach Roger Schmidt und erklärt das Phänomen Real Madrid. 

Michael Ballack über …

… die Entlassung von Julian Nagelsmann 

"Ich glaube, es hat uns alle überrascht, dass der Trainer so schnell rausgeschmissen wurde. Das war sportlich so nicht wirklich zu erwarten, es gab keinen Druck von außen, der so immens war, dass man hätte handeln müssen. Aber die Verantwortlichen werden sich ihre Gedanken gemacht haben und so etwas hat eine Vorgeschichte. Sowas passiert meistens nicht aus der Emotionen heraus, sondern sie werden sich damit schon länger beschäftigt haben. Der FC Bayern steht da, wo er steht, weil er sich nicht umsonst immer wieder hinterfragt und in den letzten Jahren und Jahrzehnten das Niveau hält. Es hat einen Grund, dass sie die einzige deutsche Mannschaft im Viertelfinale der Champions League ist. Sie halten die Qualität brutal hoch und achten auf die Details."

… den Zeitpunkt der Entlassung

"Natürlich ist es schwierig nachzuvollziehen. Man ist zehn Mal hintereinander Meister geworden, das ist nicht der Gradmesser für den neuen Trainer, sondern die Champions League. Da hat man letztes Jahr enttäuscht, da sitzt noch was tief drin bei den Verantwortlichen mit dem frühen und unerwarteten Ausscheiden gegen Villarreal. Aber es war Nagelsmanns erste Saison. Da hatte er noch einen Bonus. Er hatte einen langen Vertrag, was für einen jungen Trainer beim FC Bayern ungewöhnlich war. Jetzt haben sie mit PSG einen großen Namen souverän ausgeschaltet. Diese Faktoren machen es schwieriger zu verstehen. Aber die Verantwortlichen hatten das Gefühl, es geht nicht weiter, der Erfolg ist in Gefahr. Wir sind da zu weit weg, um die Details zu kennen, die wird man uns auch nicht erzählen. Der FC Bayern hat den Anspruch und die Verantwortlichkeit, den höchstmöglichen Erfolg zu haben. So kommt diese Entscheidung zustande. Vielleicht ist sie später eher zu verstehen als jetzt im Moment."

… die Arbeit von Nagelsmann beim FC Bayern

"Der FC Bayern hat in der Historie verschiedene Trainertypen ausprobiert. Wenn der eine nicht mehr funktioniert, nicht mehr gegriffen hat, hat man ihn mit einem anderen Charakter ersetzt. Jupp Heynckes als väterlicher Typ, davor Pep Guardiola, der ein sehr moderner, akribischer, detailversessener Trainer ist, ähnlich wie Nagelsmann. Der taktisch höchste Anforderungen an seine intelligenten Spieler hat. Dann mit Hansi Flick wieder einen, der dieses Väterliche hat, was Niko Kovac nicht so hatte. Mit Nagelsmann kam ein Trainer, der im taktischen Bereich den FCB auf ein anderes Niveau hieven sollte, auch international. Aber die Verantwortlichen haben gemerkt: Fußball kann man auch verkomplizieren. Er hat viel versucht mit der Viererkette und der Dreierkette. Bayern München hat seine großen Erfolge immer mit einer Viererkette gehabt, damit hat man sich wohlgefühlt. Jetzt hat Nagelsmann etwas anderes probiert. Das ging letztes Jahr nicht so auf, dann hat er wieder umgestellt, jetzt kam er wieder darauf zurück, hat es wieder mit dieser Dreierkette probiert. Das ist noch nicht so angekommen im Verein. Das ist bei den Spielern noch nicht so verinnerlicht, sie konnten es nicht so umsetzen und haben sich vielleicht auch nicht so wohlgefühlt. Wir reden über ein hohes Niveau. Aber das hat vielleicht dazu geführt, dass diese Inkonstanz reinkam, gerade in der Bundesliga. Dortmund und Leipzig waren eigentlich schon weit hinten dran. Dass man diese Vereine wieder stark gemacht hat, ran- oder sogar vorbeiziehen hat lassen, spricht nicht für die Konstanz der Bayern in diesem Jahr."

… den zu Teilen schwierigen Ruf von Thomas Tuchel

"Diesen Ruf hat er in Deutschland, nicht international. Warum auch immer. Es liegt an ihm, es jetzt wieder anders in der Öffentlichkeit darzustellen. Aber es geht auch nicht darum, immer der Netteste zu sein. Große Trainer sind schwierig. Sie sind kontrovers und treffen Entscheidungen, die nicht immer nachvollziehbar sind. Deswegen sind sie ja große Trainer. In entscheidenden Momenten machen sie etwas, was andere vielleicht nicht machen. So entscheiden sie über Sieg oder Niederlage. Sie sind Charaktere und Persönlichkeiten. Die kommen meistens mit weniger Leuten zurecht, als mit der breiten Masse. Wenn ich in einer Gruppe bin und das sage, was viele hören wollen, dann bin ich akzeptiert. Aber es geht ja um Inhalte. Tuchel ist ein Typ, der Inhalte liefern kann."

… das Duell Tuchel vs. Guardiola 

"Das ist eine spannende Konstellation. Das Trainerduell wird eine Rolle spielen. Sie beschäftigen sich miteinander. Wenn ich den gegnerischen Trainer lesen kann, dann weiß ich auch, wie er die Mannschaft ausrichtet."

… Manchester City

"Brutale spielerische Qualität, gepaart mit einem Stürmer, der gerade international den Unterschied ausmachen kann mit Erling Haaland. City ist mit ihm flexibler geworden. Oft kam die Kritik, dass City mit Haaland zu ausrechenbar ist. Dass sie ihm zu sehr in den Fuß spielen. Aber wenn ich so eine Qualität habe, dann nutze ich sie auch. City hat um Haaland herum genug Qualität, um etwas zu kreieren. Mit ihm sind sie vor dem Tor nochmal brutaler geworden. Aber solche Spiele werden auch im Kopf entschieden. Haaland ist ein junger Spieler, es ist sein erstes Jahr in Manchester. Es ist beeindruckend, was er leistet. Der nächste Step wird sein, gegen einen großen Gegner wie den FC Bayern auf sich zu schauen und sich durchzusetzen."

… einen Favoriten im Duell City vs. Bayern

"Einen Favoriten gibt es für mich nicht. Es ist ein 50:50-Spiel. Beide Mannschaften haben die Qualität, sind auf allen Positionen individuell brutal stark, auch auf der Trainerposition. Die Vereine geben sich nicht viel. Bayern hat einen Tick mehr Erfahrung in den großen Spielen, sie sind international zu Recht gefürchtet, weil sie die Konstanz in der Champions League mitbringen. City hat diesen Titel noch nicht geholt, gerade in der Konstellation mit Pep seit sechs Jahren, das steckt in den Köpfen drin. Man lechzt nach dem Titel, das kreiert intern Druck und nimmt dir die Lockerheit. Eine Stärke, die ich auf diesem Niveau brauche, um meine Leistung zu bringen. Je weiter du kommst, umso angespannter bist du."

… Chelseas Duell gegen Dortmund 

"Chelsea hat sich verdient durchgesetzt, obwohl sie nicht in Bestform waren. Sind sie immer noch nicht, vor allem in der Liga, auch in der Champions League gab es Leistungsschwankungen. Deswegen war es für Dortmund eine große Chance, sich durchzusetzen gegen einen auf dem Papier starken Namen. Man hat im Hinspiel trotz des 1:0-Sieges schon gesehen, dass Chelsea die bessere Spielanlage hatte. Dortmund hat einen großen Fight geliefert, doch es reichte eben nicht. Es war verdient, auch wenn die Entscheidungen kontrovers und meines Erachtens nicht nachvollziehbar waren. Gerade die Elfmeterentscheidung war diskussionswürdig. In solchen Spielen brauchst du auch Glück, und das hatte Dortmund nicht."

… Chelsea als Titelkandidat 

"Schwierig. Das geben die Leistungen noch nicht her. Es gab viele Wechsel und Neuzugänge in der Mannschaft, die auf dem Papier viel Geld gekostet haben, aber in keiner Weise dazu berechtigen, Anspruch zu stellen, Favorit zu sein. Das Selbstverständnis hat die Mannschaft noch nicht, dafür ist zu sehr in der Findungsphase und die Leistungen sind zu schwankend."

… den Favoriten im Duell Real Madrid vs. Chelsea

"Das Momentum ist bei Real Madrid. Sie sind Titelverteidiger, auch wenn sie das im letzten Jahr etwas glücklich geschafft haben. Aber das spielt überhaupt keine Rolle. Die Protagonisten, die schon Jahre dabei sind, denen kostet diese Kritik ein müdes Lächeln. Die Erfahrung, auf so einem Niveau diese Spiele bestreiten zu können und diese Lockerheit mitzubringen, ist mindestens so wichtig wie die Qualität, die sie mitbringen. Chelsea ist individuell sehr gut besetzt, aber noch sehr instabil. Aber sie können punktuell immer in solchen Spielen funktionieren."

… Real Madrid

"Keine Mannschaft in der Historie ist so anspruchsvoll wie Real Madrid. Sie gewinnen die Champions League und im nächsten Freundschaftsspiel gibt es die Ausrichtung des Präsidenten, dass der nächste Titel hermuss. Das haben die Spieler verinnerlicht. Sie bringen das Spielverständnis mit, aber auch die Professionalität, sich nach vier Champions-League-Titeln trotzdem wieder auf das Niveau zu bringen, physisch, aber vor allem auch im Kopf. Das ist eine Qualität, die kannst du nicht kaufen, lernen oder implantieren. Das in der Kombination mit dem Umfeld Real Madrid potenziert sich zu langfristigen Erfolgen. Real weiß genau, was sie an diesen Spielern haben. Das ist außergewöhnlich und diese Generation wird wahrscheinlich auch erst in fünf oder zehn Jahren noch mehr gewürdigt."

… den funktionierenden fließenden Umbruch bei Real Madrid

"Das zeigt, dass die Verantwortlichen einen sehr hohen fußballerischen Sachverstand verfügen. Talenten, die sie für außergewöhnlich erachten, wird Zeit gegeben. Zeit, die sie bei großen Klubs wie Real Madrid normalerweise nicht haben. Sie setzen sich über die Mechanismen dieses Marktes hinweg. Das ist in den Strukturen gewachsen. Da sitzen Leute, die haben die Champions League gewonnen, und dein Selbstverständnis wächst mit dem Erfolg."

… den italienischen Fußball

"Er ist international wieder da und mit drei Mannschaften im Viertelfinale vertreten. Das spricht für sich. Egal, wie sie dahingekommen sind. Egal, wie leicht, wie manche sagen, die Gegner zuvor gewesen sind. Sie sind da und haben mit Neapel eine Mannschaft, die dieses Jahr auf ganz hohem Niveau mithalten kann. Ob sie das auch zeigen können, wenn der Druck und die Erwartungshaltung steigen, werden wir sehen."

… das Achtelfinale Neapel vs. Frankfurt

"Die Rollenverteilung war klar, Neapel war der Favorit. Dann wird das Spiel angepfiffen und du merkst sofort: Das stimmt. Du hast das Gefühl, dass sich der Favorit durchsetzen wird. In der Europa League hat es Frankfurt geschafft, sich gegen vermeintlich größere und bessere Teams mit ihrer Emotion durchzusetzen. Das Gefühl hatte ich in dem Spiel nicht. Das mag an der Tagesform liegen, aber der qualitative Unterschied war auch einfach da. Das zeigt, wie gut Neapel ist. Wenn du als Außenstehender das Gefühl hast: Hier stößt Eintracht Frankfurt an seine Grenzen."

… SSC Neapel

"Wenn so viele Leistungsträger den Verein verlassen, dann muss doch eigentlich ein Bruch kommen. Doch der kam nicht. Der nächste und übernächste hat einen Schritt vorwärts gemacht und sich entwickelt. Da ist ein gutes Auge, gepaart mit Qualität bei den Spielern. Deswegen glaube ich auch, dass sie das konservieren können. Das ist nicht nur in diesem Jahr ein Momentum. Neapel hat es geschafft, dass der Fokus wieder auf dem italienischen Fußball liegt."

… den Favoriten im Duell Milan vs. Neapel 

"Napoli ist für mich Favorit. Obwohl diese innernationalen Begegnungen nochmal einen besonderen Charakter haben. Sie schaffen in Italien eine besondere Emotionalität, die um dieses Spiel geschafft wird. Das hilft immer dem Underdog, wenn man Milan in diesem Spiel so bezeichnen kann."

… den Favoriten im Duell Inter vs. Benfica 

"Benfica hat mich begeistert und ich sehe sie sehr stark. Spielerisch, in ihrer Leichtigkeit, eine gewachsene Einheit mit dem Trainer. Inter ist ein sehr unbequemer Gegner. Trotzdem ist Benfica für mich der leichte Favorit aufgrund ihrer Leistungsstärke."

… Roger Schmidt 

"Der Erfolg von Benfica spricht für Roger Schmidt. Er hat ein hohes Selbstvertrauen. Wenn du noch nicht so einen richtig großen Namen als Trainer hast, ist es das Wichtigste, das Selbstvertrauen und die Persönlichkeit mitzubringen, um dir deinen Platz zu schaffen. Du brauchst eine Akzeptanz, die erreichst du mit Qualität und Persönlichkeit. Das bringt er mit. Er ist in Deutschland hier und da kritischer gesehen worden, hat das aber im Ausland locker abschütteln können, hat mittlerweile auch eine Souveränität. Er wirkt gesettlet, fühlt sich wohl und hat ein Umfeld, mit dem er viel erreichen kann."

… Roger Schmidt bei einem richtig großen Klub 

"Ich glaube, das wird er gut selektieren. Das Umfeld, das er jetzt findet, ist perfekt für ihn gemacht. Die Stadt Lissabon, der Verein ist groß, aber international hast du nicht diesen brutalen Druck, wie sie ihn in anderen Vereinen vor allem in England und Spanien haben. Deswegen wird er sich das genau überlegen. Aber es ist natürlich reizvoll als Trainer, nochmal woanders aufzutauchen. Aber gerade hat er ein super Paket. Da muss schon ein ganz großer kommen, um Benfica den Rücken zu kehren."

… Inter Mailand

"Gegen Bayern waren sie klar schwächer, auch gegen Porto hatten sie Glück. Ich tue mich schwer, sie in die Kategorie ganz oben einzuordnen. Sie haben mit Benfica auf dem Papier nicht den ganz großen Gegner, eine starke Mannschaft, aber das ist für Inter noch machbar, auch ins Halbfinale zu kommen. Sie sind spielerisch nach vorne limitiert. Das brauchst du aber, um international weit zu kommen. Sie müssen über eine gute Defensive kommen, um den Gegner möglichst ohne Gegentor nervös zu machen und auf das Momentum zu hoffen. Aber ich glaube, das wird im Viertelfinale vorbei sein."