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Fussball

Bernhard Peters exklusiv im KMD-Podcast: "Jürgen Klinsmann und Jogi Löw haben mich Löcher in den Kopf gefragt"

Bernhard Peters kennt die Welt des neuen Fußballs und die Traditionsvereine. Fast wäre er Sportdirektor beim DFB geworden, und das obwohl er aus dem Hockey-Sport kommt. In der neuen Folge KMD erzählt er von seinem MLS-Projekt mit Lutz Pfannenstiel, seinen Ideen für das Sportmanagement und er analysiert, was im deutschen Fußball im Argen liegt.

Für Bernhard Peters war der Weg in den Fußball ein ungewöhnlicher. Er kommt aus dem Hockey-Sport, war dort als Trainer und Co-Trainer fünf Mal bei den Olympischen Spielen. Fast wäre er aus dem nichts Sportdirektor beim DFB geworden. Sein Weg führte ihn dann über das aufstrebende Hoffenheim und den Traditionsverein HSV zu einer Karriere im Profifußball.

Heute stampft er in den USA mit St. Louis City SC einen neuen Fußballverein aus dem Boden, der 2023 in der MLS starten wird. Mit an seiner Seite ist federführend Lutz Pfannenstiel. Peters bringt seine Expertise in Sachen Sportmanagement ein. In diesem Feld bildet er auch Funktionäre aus vielen Spielsportarten weiter. Über seine Ideen im Sport, seinen Werdegang und seine Einschätzungen des deutschen Fußballs spricht Peters mit den KMD-Hosts Alex Schlüter und Benni Zander in der neuen Folge.

Außerdem geht es in der 123. Folge kicker meets DAZN um die Rückkehr von Felix Magath in die Bundesliga. Ob er die Wende in der Hauptstadt bringt, besprechen Alex und Benni mit kicker-Reporter Steffen Rohr. Wie immer blicken die beiden auch ausführlich auf den zurückliegenden Spieltag.

Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:

Bernhard Peters über…

 

… die Parallelen zwischen St. Louis und der TSG Hoffenheim

"Hinter dem Klub steht die größte Autovermietung weltweit (Enterprise rent-a-car, Anm.) mit großer sozialer Verbindung zu St. Louis. Ihr ist es wichtig, die ganzen sozialen Verbindungen und Volksgruppen in St. Louis in der Idee mitzunehmen, ein soziales Projekt durch Fußball aufzubauen. Es ist vergleichbar mit dem, was Dietmar Hopp 2006 mit Hoffenheim gemacht hat, als ich dort ankam."

… die soziale Komponente des Sports

"Das Projekt organisieren drei Frauen, die mit der Firma viel Umsatz machen. Sie gehören zu den zehn reichsten Familien Amerikas. Trotzdem sind sie sehr bodenständig und wollen über den Aufbau der Akademie und den Unterbau im Jugendfußball den Kindern eine Chance geben. Fußball ist noch ein Sport der Weißen. St. Louis SC ist ein integratives Modell, in dem nicht alle gegen Geld einen Platz in den Akademien bekommen, sondern wo sich diejenigen, die am begabtesten sind, durchsetzen."

… die Entwicklung eines Klubs von der Entstehung an

"Es geht darum, eine systematische Entwicklung in der Akademie aufzubauen. Im Vergleich zur Entwicklung von Vereinskulturen in Europa ist die Entwicklung hier nicht lang. Es wird jetzt die Infrastruktur unmittelbar in der Stadt gebaut. Auch dort haben Lutz Pfannenstiel und ich spezifischen Input geliefert. Ich finde den Fortschritt unheimlich schnell. Für 2023 gibt es die Lizenz für die MLS. Lutz hat schon einen Trainer und einige Profis engagiert. Die Idee ist aber auch, über eine starke Akademie den einen oder anderen Identitätsspieler für den Profibereich selbst zu entwickeln, um eine regionale Identität zu schaffen."

… den Profikader

"Lutz ist dabei, den Kader zu planen. Ein paar Jungs hat er schon verpflichtet. Das nimmt jetzt Fahrt auf. Lutz wird dann immer hektischer, weil das genau sein Ding ist. Dort bringt er sein großes Können und Netzwerk ins Spiel. Mit dem Trainer Bradley Carnell diskutiert er die Struktur und Idee des Kaders und den Spielstil."

… die Bedeutung von Identitätsfiguren beim Aufbau eines Vereins

"Den Eigentümern ist sehr wichtig, dass es eine klare Identität gibt aus der Mitte der Gesellschaft und der verschiedenen sozialen Schichten in St. Louis. Das war auch eine Maßgabe für Lutz' Arbeit."

… die Resonanz für den Klub

"Die Amerikaner ziehen das wahnsinnig professionell auf. St. Louis ist eine Sportstadt. Die Leute lechzen nach Soccer. Die Dauerkarten für das Stadion für nächstes Jahr sind jetzt schon ausverkauft. Die Resonanz ist enorm. Über das professionelle Marketing muss man sich bei den Amerikanern keine Sorgen machen. Die Leute finden es toll, dass Interessen für Soccer an einer Stelle gebündelt werden. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in St. Louis von der Idee wirklich begeistert sind."

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… seine Anfänge in Hoffenheim

"Es war eine großartige Zeit in Hoffenheim. Ich durfte mit Ralf Rangnick und anderen tollen Menschen in einem kleinen Team loslegen. 2006 fuhren damals 30 Menschen am Sonntag in der 3. Liga zum Spiel gegen die zweite Mannschaft des TSV 1860 München oder Karlsruher SC. Das war die Ausgangsposition. Dietmar Hopp hatte die Vision, dass wir in fünf Jahren Bundesligafußball anbieten. Schon Jahre davor hat er in der Region den Jugendfußball gefördert. Hansi Flick hat dort hervorragende Vorarbeit geleistet. In kurzer Zeit haben wir vier Zentren in zwei Dörfern aufgebaut. Ralf hat junge Spieler zu den Profis dazugeholt. Ich habe versucht, die Strukturen der Akademie zu entwickeln. Dadurch durfte ich immer mehr Mitarbeiter, Experten und kompetente Leute dazuholen. Mit Dietmar Hopp hatte ich einen sehr großen Fürsprecher."

… den Unterschied zwischen Hoffenheim und dem HSV

"Der Unterschied zum HSV war markant. Der HSV hatte große Erfolge in der Vergangenheit. Die Ausgangsposition dort war komplett anders als in Hoffenheim. In dem Campus-Bereich, in dem ich arbeiten durfte, haben wir unheimlich viel verändert. Nach zwei oder drei Jahren fing das an, gut zu laufen. Entgegen der Meinung vieler Menschen ging die Entwicklung viel schneller. Sie war nur geprägt von vielen unruhigen Phasen im Profibereich, weil ständig in höheren Positionen neue Ideen hereingetragen wurden. In einer Medienstadt wie Hamburg fühlten sich die Aufsichtsräte immer getrieben. Das war in Hoffenheim anders."  

… Traditionsvereine vs. neureiche Klubs

"Wenn man die emotionale Wucht eines großartigen Klubs wie dem Hamburger SV kennt, kann man die Meinung der Fans komplett verstehen. Das ist etwas anderes als RB Leipzig und Hoffenheim. Ich finde es gut, dass es so diverse Modelle gibt. Die Menschen in Hamburg leiden enorm mit dem Klub, weil sie so eine emotionale Verbindung haben."

… sein Institut für Führungskompetenzen im Sportmanagement

"In der inhaltlichen Führungskompetenz haben wir Defizite in den Spielsportarten Fußball, Handball, Hockey, Basketball erkannt. Diese Sportarten sind ein Konglomerat an technischen, taktischen, athletischen und persönlichen Elementen. Du musst diese Leistungsfaktoren zu einem komplexen Ganzen zusammenbauen können, sodass die Pyramide bis in die Spitze – die Eliteförderung und Profis – richtig gut funktioniert. Dafür musst du Personal aufbauen und die Experten an die richtigen Stellen setzen. Wir haben ein Institut gegründet und diese Inhalte in sechs Module gepackt. Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, dass die Leiter der Akademien, Sportdirektoren oder technische Direktoren eine Führungskompetenz erlernen."

… die Bedeutung des Kerngeschäfts Sport im Fußballbusiness

"Der Kern ist Sport. Wenn der Kern leuchtet und erfolgreich ist, kannst du im Marketing erfolgreich sein und einen gesunden wirtschaftlichen Klub aufbauen. Nicht umgekehrt. Unser Kerngeschäft muss die Optimierung des Sportlichen sein. Wir machen das mit den anderen Spielsportarten zusammen. Dieser Transfer zwischen den Spielsportarten ist ein gewinnbringender Teil. Wichtig ist, dass jemand auf hohem Niveau die Innensicht des Sports versteht."

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… die Entwicklung einer Identität im Klub

"Auch für einen Sportvorstand hat der Tag nur 24 Stunden. Der ist meist komplett voll mit Medienarbeit, Tagesgeschäft und Kaderplanung. Die strategische Komponente, die mittelfristig angelegt werden muss, damit ein Klub im Kern seiner Identität wachsen kann, muss von einem anderen Experten mitgeführt werden, möglichst auf Augenhöhe. Dann kann eine Struktur ideal wachsen."

… das System Fußball

"Der Fußball ist sehr stolz. Man tut sich schwer, über den Tellerrand hinauszugucken, weil das System so groß ist. Das ist in kleineren Sportarten, wie dem Hockey, viel einfacher. Trotzdem gibt es mittlerweile viele kluge Menschen im Fußball, die verstanden haben, sich mit anderen Bereichen auszutauschen."

… seinen Wechsel vom Hockey zum Fußball

"Ich vergleiche die Sportarten seit über 40 Jahren. Schon als junger Trainer habe ich viele Dinge aus dem Fußball – Spielformen, Übungsformen, Angriffstaktiken – in den Hockey-Sport gebracht. Ich hatte das Glück, eine sehr interessante Laufbahn als Bundestrainer zu durchlaufen. Ich durfte an fünf Olympischen Spielen als Trainer und Co-Trainer teilnehmen. Mit 40 habe ich mich gefragt, was ich mit meinem Leben anstellen will. Ich bin viel rumgekommen, habe viel erlebt und fast alles gewonnen. Etwas außerhalb des Sports kam für mich nicht in Frage. Ich kann nur Sport. Leistungssport in Teams ist mein Leben."

… eine Anstellung als Sportdirektor beim DFB

"Ich habe Jürgen Klinsmann bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul beiläufig kennengelernt. 2004 hat er mich auf dem Handy angerufen und gemeint, dass ihm mehrere Journalisten gesagt hätten, dass ich viel Erfahrung hätte, systematisch Mannschaften aufzubauen. Er hat mich gefragt, ob ich zum ersten Lehrgang nach Berlin kommen wollte. Da haben wir uns viel ausgetauscht. Sie haben mich Löcher in den Kopf gefragt. Sie haben dann gemerkt, dass ich anders und strukturiert an das Thema herangehe. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut und dann kam die Idee, dass ich Sportdirektor beim DFB werden sollte. Ich wollte 2006 noch die Hockey-Weltmeisterschaft machen. Viele Teile des Präsidiums kannten den Unterschied zwischen einem Trainer und einem Sportdirektor nicht und meinten: 'Was will der komische Trainer vom Hockey bei uns?'. Ich hatte das große Glück, dass sie im Präsidium gegen mich gestimmt hatten und Matthias Sammer als Sportdirektor nahmen. Für mich war es wesentlich besser, bei jemandem, der so innovativ gedacht hat wie Ralf Rangnick und Dietmar Hopp mitspielen zu können."

… das Problem des deutschen Fußballs heute

"2000 hat der Fußball im Jugendbereich einen großen Cut gemacht, indem sie für viel Geld die Leistungszentren aufgebaut haben. Gute Leute haben engagierte Arbeit gemacht. Diese Leute sind inzwischen zu lange bei den Klubs. In meiner kritischen Haltung wird dort zu viel verwaltet. Es muss wieder kreativ neuer Gestaltungsraum geschaffen werden. Der Fußball muss sich weiterentwickeln. Dort sind etliche Führungsfehler begangen worden, weil sich die Leute beim Verband zu sehr um sich selbst gedreht haben. Vielleicht gibt es jetzt eine große Chance, im Kern des Sports den Vereinen in ihren Strukturen zu helfen. Dafür muss man Leute mit anderen Meinungen zulassen. Die Chance ist gegeben, weil Hansi Flick so bodenständig denkt und die Verbindung zum Jugendfußball hat. Die Trainerausbildung muss sich verändern. Mit Oliver Bierhoff hatte ich immer wieder die Diskussion über High-Performance-Entwicklung. Jetzt machen sie eine Fortbildung, aber wieder nur für den Profibereich. Die Talente kannst du aber nicht im Laden kaufen. Die musst du entwickeln. Also muss es in der Entwicklungsidee neue Ideen geben, auf dem Weg in den Profibereich. Da muss es moderne, projektbezogene Managementmodelle geben mit Experten, die das mit Kompetenz führen."