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Wie Diego Forlan in Villarreal vom Transferflop zum besten Torjäger Europas wurde

Wie Diego Forlan in Villarreal vom Transferflop zum besten Torjäger Europas wurdeGetty Images
Gefürchtete Weitschüsse, Traumtore bei der Weltmeisterschaft 2010, zahlreiche Titel und eine markante blonde Mähne: Diego Forlan gehörte zu den besten Stürmern und herausragenden Fußballern seiner Zeit. Den wichtigsten Schritt seiner spektakulären Karriere machte der Stürmer dank einer bemerkenswerten Saison aber bei seiner unspektakulärsten Station – beim FC Villarreal.

Es waren etwas mehr als drei Millionen Euro, die der FC Villarreal, dieser kleine Klub von der Ostküste Spaniens, im August 2004 für einen neuen Stürmer nach England überwies. Und damit etwa die Hälfte der Summe, die sich der Verein den größten Transfer dieses Sommers kosten ließ. Der Argentinier Luciano Figueroa kam für über sechs Millionen Euro von CD Cruz Azul und wurde zwei Jahre später für einen Bruchteil der Summe wieder verkauft.

Während der vermeintliche Top-Transfer Figueroa keinen Eindruck hinterließ, entpuppte sich sein halb so teurer Sturmpartner zu einem Spieler, der den Klub prägen sollte. Ein Stürmer, der in Spanien zu einem der besten seiner Zunft aufsteigen sollte, später die Europa League sowie die Copa America gewann. Und der bei der Weltmeisterschaft 2010 als bester Spieler des Turniers und zweimal mit dem Goldenen Schuh als erfolgreichster Torschütze Europas ausgezeichnet wurde.

Absehbar war diese Weltkarriere aber bei Weitem nicht, als Diego Martin Forlan Corazo am 21. August 2004 mit einem schlichten weißen T-Shirt und seiner markanten blonden Mähne im Stadion El Madrigal saß und als Neuzugang vorgestellt wurde.

Der FC Villarreal hatte zu diesem Zeitpunkt gerade seine fünfte Saison in der Primera Division hinter sich, das Gelbe U-Boot war dabei, sich in der höchsten Spielklasse Spaniens zu etablieren. Mit Forlan saß an diesem Sommertag folgerichtig auch kein großer Star im El Madrigal, mit seinen 25 Jahren nicht mal ein aufstrebendes Talent. Sondern ein Fußballer, der sich für einen Schritt zurück entschieden hat.

"He came from Uruguay, he made the Scousers cry"

"Nicht perfekt". So beschrieb Forlan selbst einmal die zweieinhalb Jahre, die er zuvor bei Manchester United unter Vertrag stand. Bei einem Klub, bei dem er eigentlich gar nicht hätte landen sollen. Schließlich reiste der in Uruguays Hauptstadt Montevideo geborene und beim argentinischen Klub Atletico Independiente fußballerisch groß gewordene Forlan kurz nach Jahresbeginn 2002 eigentlich nach England, um beim FC Middlesbrough zu unterschreiben.

Der Transfer für eine Ablöse von 6,9 Millionen Pfund war zwischen den Klubs bereits ausgehandelt. Doch in allerletzter Sekunde grätschten die Red Devils dazwischen, boten Forlan ein höheres Gehalt und Independiente die Bezahlung der Ablöse auf einen Rutsch und nicht wie Middlesbrough auf Raten. Für alle Seiten eine erfreuliche Wendung – außer für Boro, natürlich. "Die Sache ist die, sie haben mir mehr Geld geboten als Middlesbrough", sagte Forlan damals und unterschrieb seinen ersten Vertrag in Europa.

Zweieinhalb Jahre blieb der Stürmer im Theater der Träume, die für den Mann aus Südamerika in England aber nicht in Erfüllung gingen. In 97 Spielen für United traf Forlan 17-mal, sein größtes Vermächtnis blieb ein Doppelpack gegen Erzrivale Liverpool und der eigens für ihn komponierte Fangesang: "He came from Uruguay, he made the Scousers cry!" Abgesehen davon war der fußballerische Alltag in der Arbeiterstadt trist, an Klublegenden wie Ruud van Nistelrooy oder Ole Gunnar Solskjaer kam Forlan nicht vorbei, als Ergänzungsspieler saß er öfter auf der Tribüne, als dass er in der Startelf stand.

"Ich musste einfach jede Woche spielen und mich wieder wie ein Fußballer fühlen", blickte Forlan einmal auf seine damalige Situation zurück. Der "Boss" Sir Alex Ferguson, der ihn einst auf die Insel geholt hatte, habe das verstanden: "Ich bin Alex sehr dankbar, dass er mich hat gehen lassen. Ich habe in Manchester mit den besten Spielern der Welt gespielt, da war es sehr schwer, einen Stammplatz zu bekommen." Forlan wurde mit mehreren Klubs aus Spanien in Verbindung gebracht, den Zuschlag erhielt schließlich der FC Villarreal, wo erst ein paar Wochen zuvor mit Manuel Pellegrini ein weiterer Südamerikaner als Trainer von River Plate gekommen war.

Treffer beim Debüt, Doppelpack gegen Barca

Während er bei United weit 27 Spiele auf sein erstes Tor warten musste, netzte Forlan für seinen neuen Klub direkt im ersten Spiel beim 1:2 gegen den amtierenden Meister Valencia. "Ich konnte jede Woche spielen und viele Tore in einer guten Mannschaft erzielen. Ich habe mich mit Riquelme großartig verstanden", sagte Forlan, froh über Spielzeiten und über seinen neuen kongenialen Partner Juan Roman Riquelme, mit dem er in den kommenden Jahren ein gefürchtetes Duo bilden sollte.

Weil Forlan zehn Tage vor seinem Wechsel nach Spanien in Diensten Uniteds in der Champions-League-Qualifikation kurz vor dem Schlusspfiff gegen Dinamo Bukarest noch eingewechselt wurde, war er für Villarreal international nicht spielberichtigt. Dafür konzentrierte er sich beim Toreschießen erfolgreich auf die Liga. Im Winter 2004 nahm die denkwürdige Saison, die für Forlan den Durchbruch im europäischen Fußball bedeuten sollte, konkrete Formen an. In acht aufeinanderfolgenden Spielen schoss er zehn Tore, beim sensationellen 3:0-Sieg über Barcelona gelang dem Stürmer mit der ungewöhnlichen Rückennummer 5 sein erster Doppelpack für das Gelbe U-Boot.

Villarreal befand sich plötzlich mit Klubs wie Real Betis und Espanyol Barcelona im Rennen um die Champions-League-Qualifikation. Und Neuzugang Forlan konkurrierte mit Barcas Samuel Eto’o um die spanische Torjägerkanone. Knapp zurückliegend, bewies der blonde Engel aus Uruguay zum Ende der Spielzeit noch einmal seinen Killerinstinkt.

Vom Dauergast auf der Tribüne zum besten Torjäger Europas

Am vorletzten Spieltag im Camp Nou, als der feststehende Meister aus Katalonien den Titel und sich selbst feiern wollte, zauberte der Angreifer seine wohl beste Leistung im gelben Trikot auf den Platz. Einen seiner gefürchteten Distanzschüsse zirkelte er in den Knick, es folgten ein Elfmetertreffer sowie ein frecher Lupfer von der Strafraumkante: Der Hattrick beim 3:3 in Barcelona war perfekt. Auch Levante schenkte Forlan beim Saisonabschluss noch zwei Tore ein.

Mit 25 Treffern konnte Forlan die Kameruner Legende Eto’o tatsächlich noch überflügeln und er wurde mit der Pichichi-Trophäe ausgezeichnet. Doch nicht nur das: Zusammen mit Arsenals Thierry Henry gewann der Uruguayer auch noch erstmals den Goldenen Schuh als erfolgreichster Torschütze Europas.

Transfer-Flop, unerfülltes Versprechen: Alle kritischen Stimmen und Urteile nach zweieinhalb erfolglosen Spielzeiten in Manchester waren weggewischt. Forlan hatte es binnen eines Jahres vom Dauergast auf der Tribüne zum gefährlichsten Torjäger Europas geschafft. Und eine Saison gespielt, die nicht nur für Villarreal mit der erstmaligen Qualifikation für die Champions League in die Klubhistorie einging, sondern auch den Grundstein für seine eigene Weltkarriere bedeutete.

Die Welttournee des "unsterblichen Uruguayers"

Zwei Jahre lang lief Forlan noch für Villarreal auf. In der folgenden Spielzeit konnten weder der Angreifer noch sein Klub in der Liga an die Fabel-Saison 2004/05 anknüpfen, dafür erreichte Villarreal sensationell das Halbfinale der Champions League, was bis zum Triumph in der Europa League 2021 der größte internationale Erfolg der Spanier war. Im Jahr darauf wurde Forlan mit 19 Ligatreffern fünftbester Schütze der Primera Divison – und entschied sich daraufhin für den nächsten Schritt.

Die goldenen Jahre mit den großen Titeln brachen mit seinem Wechsel für 21 Millionen Euro zu Ligarivale Atletico Madrid an. Dort, bei den Rojiblancos, etablierte sich der beidfüßige Forlan endgültig als einer der besten und komplettesten Stürmer seiner Zeit. Gefährlich aus der Tiefe dank seiner Spielintelligenz, der Übersicht und der legendären Weitschusstechnik, gefährlich vor dem Tor als eiskalter Vollstrecker.

Während der vier Jahre, die Forlan bei den Colchoneros verbrachte, feierte er seine größten Erfolge. Nach einer Saison mit 32 Treffern gewann er abermals den Goldenen Schuh und die Pichichi-Trophäe – bis heute übrigens als einziger Spieler doppelt, ohne bei Real oder Barcelona aktiv gewesen zu sein. 2010 beendete Atletico dank Forlan seinen Endspiel-Fluch und gewann die Europa League, der Angreifer erzielte in den Halbfinals gegen Liverpool und im Endspiel gegen Fulham alle Atleti-Tore und machte sich zum "unsterblichen Uruguayer", wie die Marca befand.

Auch in Uruguay eine Legende

Auch in der Nationalmannschaft war der Stürmer die prägende Figur: Bei der WM 2010 schoss er ein Traumtor nach dem anderen und wurde als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet, ein Jahr darauf gewann Uruguay die Copa America. Beim 3:0 gegen Paraguay im Finale schlug der blonde Engel doppelt zu.

Mit 33 Jahren schloss sich Forlan schließlich Inter Mailand an und wurde im Herbst seiner Kariere noch zum Weltenbummler. Internacional Porto Alegre in Brasilien, Cerezo Osaka in Japan, CA Penarol in seiner Heimat Uruguay, Mumbai City FC in Indien und Kitchee in Hongkong: Bei keinem Klub blieb Forlan länger als ein Jahr, ehe er 2019 seine Laufbahn beendete, um sich dem Trainerdasein zu widmen.

Das Ende einer einmaligen Karriere, die 15 Jahre zuvor mit einem Schritt zurück erst so richtig begann. Der Schritt zurück zum kleinen FC Villarreal, es war der wichtigste in der Laufbahn des Diego Forlan.