Zwei Monate vor Beginn der umstrittenen Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) hat Bundestrainer Hansi Flick in bisher einmaliger Schärfe die Vergabe des Turniers an das Emirat verurteilt. Die Frage nach der Richtigkeit des WM-Zuschlags für Katar "hätte schon viel früher beantwortet werden müssen - und zwar mit einem Nein!", sagte Flick in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung .
An seiner Unterstützung für Kritik an den Bedingungen im Land der WM-Gastgeber und der Entscheidung des Weltverbandes FIFA für die Ausrichtung des Turniers in dem Wüstenstaat ließ der 57-Jährige keinerlei Zweifel bestehen: "Dass in Katar beim Thema Menschenrechte, beim Thema Nachhaltigkeit vieles nicht stimmt, ist ja offensichtlich."
So eindeutig wie nun Flick hat sich in den jahrelangen Debatten um die WM-Endrunde am Golf beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) noch kein Mitglied gegenüber den Gastgebern positioniert. Geschäftsführer Oliver Bierhoff verpackte in der Frage "Wie konnte die FIFA die WM in dieses Land vergeben?" seine Skepsis, und Verbandschef Bernd Neuendorf bezeichnete vor seiner für Oktober mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser geplanten Katar-Reise das Vergabe-Prozedere als "fragwürdig".
Glaubwürdigkeit statt Selbstinszenierung
Auch Flick hatte sich bis zu Wochenbeginn erst an die Thematik herangetastet und erst noch im August bedauert, "dass dieses Turnier keine WM für die Fans wird". Er habe viele Bekannte, sagte Flick vor Monatsfrist zur Begründung seiner Haltung, "die gerne nach Katar fliegen würden, es aber aus vielerlei Gründen unterlassen". Sie könnten sich die massiven Preise nicht leisten, die Situation etwa für Homosexuelle sei inakzeptabel, es gebe Menschenrechtsverletzungen, weil Minderheiten ausgegrenzt würden.
Seine klaren Aussagen bezüglich der Situation in Katar dürften Flicks Glaubwürdigkeit zusätzlich stärken. Ohnehin aber will der Nachfolger von Weltmeister-Macher Joachim Löw nicht in den Verdacht einer Selbstinszenierung kommen: "Ich bin", erinnerte der gebürtige Heidelberger "auch als Cheftrainer bei Bayern München gut damit gefahren, mich so zu geben, wie ich bin."
Entsprechend empfindet der ehemalige Profi seinen offiziellen Titel "Bundestrainer" auch als unangenehm. "Ich mag das Wort nicht so sehr", meinte Flick: "Das klingt so groß, als käme da wer weiß wer..." Er wolle "einfach Hansi Flick" genannt werden.
Flick hadert mit dem Bayern-Aus
Auch der FAZ gab Flick ein Interview. Dort hadert er auch nach einem Jahr als Nationaltrainer noch mit seinem Aus bei Bayern München. "Ich glaube schon, dass ich das eine oder andere jetzt anders machen würde", sagte Flick, "ein Gespräch wäre natürlich gut gewesen, noch mal mit dem einen oder anderen am Tisch zu sitzen, um die Dinge so anzusprechen, wie sie sind, beziehungsweise wie ich sie wahrgenommen habe, und da auch alle zu Wort kommen zu lassen."
Dies betreffe keineswegs nur den Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic, mit dem sich Flick überworfen hatte, sondern auch Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge. "Ich hatte ein tolles Trainerteam, überragende Spieler, eine großartige Mannschaft, ich war auch nicht ausgelaugt. Ich frage mich schon manchmal: Warum ist es so weit gekommen?"
Mit Salihamidzic habe es "inzwischen eine Annäherung gegeben", berichtete Flick. "Mich freut sehr, dass wir einige Dinge ausräumen konnten." Flick hatte die Bayern von 2019 bis 2021 trainiert, 2020 gewann er alles, was es zu gewinnen gab: Meisterschaft, Pokal, Supercup, Champions League, UEFA-Supercup und die Klub-WM.