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Bundesliga

Rafael Czichos exklusiv: "Das zeigt einem von jetzt auf gleich, wie schnell es im Leben gehen kann"

Heiko Rothenpieler
Rafael Czichos exklusiv: "Das zeigt einem von jetzt auf gleich, wie schnell es im Leben gehen kann"Getty Images
Rafael Czichos‘ Karriere führte durch keine Akademie und durch kein Leistungszentrum. Alles habe er sich selbst erarbeiten müssen, sagt sein Jugendtrainer. 2020 entging Czichos nur knapp einer Querschnittslähmung - ein einschneidendes Erlebnis, wie er im Gespräch mit DAZN erzählt.

Am 22. Februar 2020 wusste Rafael Czichos nach dem Zusammenprall mit Herthas Marko Grujic sofort: Die Schmerzen sind nicht jene, die direkt wieder verschwinden. Heraneilende Ärzte sagten ihm, er solle sich auf keinen Fall bewegen, in den Blicken seiner Mitspieler war die Schwere der Verletzung abzulesen. Im Stadion herrschte erst Stille, dann gab es Applaus von den Rängen. Fünf lange Minuten vergingen, bis Czichos, stabilisiert mit einer Halskrause, auf einer Trage vom Platz des Olympiastadions getragen wurde.

Heute resümiert Czichos im exklusiven Gespräch mit DAZN: "Das zeigt einem dann von jetzt auf gleich, wie schnell es im Leben doch gehen kann. Ich dachte bis dahin, dass Fußball im Verhältnis zu Football oder Eishockey nicht zu den Sportarten gehört, die einen möglicherweise lebensgefährlich verletzen oder zumindest sehr stark einschränken könnten." 

Die Nachuntersuchungen bestätigten die schlimmen Vorahnungen: Czichos‘ Halswirbelsäule war an einer Stelle komplett gerissen. Wie ernst sich das gesundheitliche Bild zeigte, schilderte nach der Operation der behandelnde Arzt Prof. Dr. Eysel in der vereinseigenen Doku 24/7 FC: "Er hat viel Glück gehabt. Es ist kein Fünfer, aber ein Vierer im Lotto gewesen. Die Halswirbelsäule war vollkommen instabil, es gibt viele Sportler, die in einer solchen Situation eine Querschnittslähmung erleiden."

Zu diesem Zeitpunkt war Czichos' Sohn Ben zwei Jahre alt, die großen Fragen drehten sich nicht nur um sein eigenes Leben und die eigene Karriere. Ist das Risiko, weiter Fußball zu spielen, kalkulierbar? Und welcher mögliche Preis ist im schlimmsten Fall zu zahlen? Doch Czichos entschied sich für den Fußball. "Natürlich habe ich auch eine Verantwortung meiner Familie gegenüber. Da ging es mir auch darum, dass ich für sie sorgen will und daher stand es nie zur Debatte, ob ich wieder auf den Platz zurückkehren will oder nicht. Als ich das Go von den Ärzten hatte, war das kein Thema mehr", sagt er.

Die Mutter schlägt die Hände vors Gesicht

Ein nahtloser Übergang in den Profi-Alltag war zunächst undenkbar, "da musste sich jeder in meinem Umfeld erstmal drauf einstellen", sagt Czichos. Eine Reihe von Untersuchungen sollten aufzeigen, wie sich die Platte in seinem Rücken verhält und ob Sport überhaupt noch möglich sein würde.

Nach drei Monaten stand Czichos dank Ärzte- und Reha-Team wieder auf dem Platz. Auf das erste Training folgten Zweikämpfe, einzig Kopfbälle kosteten den Innenverteidiger etwas mehr Geduld und Überwindung. "Inzwischen ist es so, dass ich da gar nicht mehr drüber nachdenke. Meine Mutter hingegen hat seitdem mehr Probleme, meine Spiele zu gucken. Sie kann da nicht entspannt sitzen, bei Zweikämpfen schlägt sie die Hände vors Gesicht. Das Thema trifft die Familie, die vor dem Fernseher sitzt, inzwischen mehr als mich."

Die Sorgen sind umso nachvollziehbarer, betrachtet man die Unterstützung der Eltern in Czichos‘ Kindheit. Er wurde 1990 im saudi-arabischen Dschidda geboren, als sein Vater dort beruflich für eine internationale Firma arbeitete. Drei Jahre blieb er mit seinem älteren Bruder in der Metropole, ehe es die Eltern erst zurück zu ihren Wurzeln nach Bremen und dann ins 30 Kilometer entfernte Ottersberg zog. Hier wuchs Czichos in behüteten Verhältnissen auf, ein kleiner Ort, wo jeder jeden kennt. 

Flügelzange mit Diekmeier

Im Dorfverein TSV Ottersberg schnürte er seine ersten Fußballschuhe, hin und wieder ging es zum Stützpunkttraining. An einem Sonntag klingelte das Telefon bei Gerd Adomeit, Jugendtrainer des Nachbarvereins Verden 04. "Gerd, ich habe hier einen für uns, der könnte uns interessieren", sagte die Stimme am anderen Ende des Hörers. Sie gehörte Dennis Diekmeiers‘ Stiefvater, dessen Filius bereits für Verden kickte.

Kurz darauf kam es zu einem direkten Aufeinandertreffen der Klubs, das beiden Seiten in Erinnerung blieb. "Gerd Adomeit hat mich nach dem Spiel nach Verden geholt, obwohl wir mit 0:16 verloren hatten", lacht Czichos. Adomeit sprach nach der einseitigen Partie zuerst mit dessen Mutter, doch der Junge war schüchtern und wollte nicht alleine wechseln. Ein Mitspieler begleitete Czichos, das Ziel war schließlich attraktiv.

Verbindung zwischen Meister und Lehrling

Verden 04 ist in der Region bis heute für seine gute Jugendarbeit bekannt, Adomeit verkörpert dabei eine Art Norbert Elgert des Vereins. Seit 42 Jahren Jugendtrainer, erinnert er sich im Gespräch mit DAZN kurz vor seinem 75. Geburtstag gerne an diese Zeit zurück: "Rafael hatte einen unglaublichen Zug zum Tor und ein richtiges Pfund. Er spielte bei mir auf Linksaußen, Dennis Diekmeier auf Rechtsaußen.“

Czichos sei charakterlich einwandfrei gewesen: "Ein pflegeleichter und wissbegieriger Junge, es machte wirklich Spaß, ihn aufwachsen zu sehen. Er war nie in einem Leistungszentrum und hat sich alles selbst erarbeitet." Bei Adomeit, damals Berufssoldat, erfuhr Czichos auf und neben dem Platz eine klare Linie. Immer dabei: die Unterstützung seiner Eltern.

Die Verbindung zwischen Meister und Lehrling besteht heute noch. Adomeit verfolgt Czichos‘ Spiele regelmäßig im Fernsehen und blättert nach dessen Spieltags-Noten in der Zeitung. Die alten Schützlinge vergesse man nicht, wenn sie so positiv waren, sagt er.

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Meilenstein der Karriere

Mit der Volljährigkeit zog es Czichos noch einmal zurück zum TSV Ottersberg, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Oberliga Gehör verschuf - zugunsten Czichos‘. Im Alter von 19 Jahren wechselte er für zwei Spielzeiten in die Reserve des VfL Wolfsburg, drei Spielzeiten Rot-Weiß Erfurt folgten. Bei Holstein stieg er zum Kapitän und Führungsspieler auf, hier feierte er seinen größten Moment.

Natürlich habe der Bundesliga-Aufstieg 2019 mit dem 1. FC Köln einen hohen Stellenwert, doch der persönliche Meilenstein sei der Aufstieg mit Kiel in die 2. Liga gewesen: "Ich hatte um die 160 Drittligaspiele und mein Traum war immer, in der 2. Liga zu spielen. Ich bin ein Kind gewesen, das jeden Montag mit 2. Liga live im DSF groß geworden ist - da wollte ich unbedingt hin. Klar, Bundesliga ist noch einmal was anderes, aber als Drittligaspieler und ab einem gewissen Alter willst du auch realistisch bleiben. Daher war der Aufstieg mit Kiel von den Emotionen her sehr intensiv für mich."

Wenn das letzte Spiel gespielt ist und der ewig sportliche Aufstieg schließlich endet, möchte Rafael Czichos mit seiner Familie dort Urlaub machen, wo die Spuren im Sand einmal seine waren: in Saudi-Arabien. 

Der 12. Bundesliga-Spieltag im TV und LIVE-STREAM

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