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Fussball

Gonzalo Castro exklusiv: "Ich wäre gerne in Stuttgart geblieben"

Alexander Schlüter / Benni Zander
Gonzalo Castro exklusiv: "Ich wäre gerne in Stuttgart geblieben"Getty Images
Seit eineinhalb Monaten ist Stuttgarts ehemaliger Kapitän Gonzalo Castro vereinslos. Mit DAZN sprach er über diese Zeit, sein überraschendes Aus in Stuttgart, was er sich für die Zukunft wünscht und für welchen Verein er auf keinen Fall auflaufen wird.

Gonzalo Castro über …

… seine Situation als vertragsloser Spieler: Es ist ungewohnt. Auch für meine Familie und meine Frau, die mich jetzt nach so vielen Jahren jeden Tag sieht. Andererseits ist es aber auch schön, so viel Zeit mit der Familie zu verbringen und meine Tochter jeden Tag zu sehen. Aber so langsam darf das Mannschaftstraining wieder kommen, ich vermisse es, mit anderen Jungs zu kicken.

… sein Training als vertragsloser Spieler: Ich habe einen Personal Trainer, der kommt jeden Morgen um 10 Uhr. Mit dem kann ich bei mir zu Hause im Fitnessraum viele Übungen machen, Krafttraining wie Laufeinheiten, das gestaltet alles er. Das ist aber alles Individualtraining. Mit einem Trainer funktioniert das. Wenn man allein ist, ist es manchmal etwas schwieriger, sich zu motivieren. Aber es ist immer noch mein Job, ich kenne es nicht anders. Und es ist nicht anders, als wenn ich im Urlaub war und Individualtraining machen musste. Aber mit der Mannschaft macht es natürlich immer mehr Bock.

… seine Reaktion, als sein Vertrag in Stuttgart nicht verlängert wurde, um Platz für junge Spieler zu schaffen: Ich war sehr unvorbereitet darauf, das kam sehr überraschend. Ich bin schon davon ausgegangen, dass ich noch ein oder zwei Jahre bleiben und der Mannschaft helfen kann. Auch mit dem Trainer hat alles gepasst, wir haben als Mannschaft eine super Saison gespielt, es war alles harmonisch. Es war eine harte Entscheidung, die meine Familie und ich akzeptieren mussten. Wir wären gerne in Stuttgart geblieben. Aber so ist der Fußball im Moment, auch bedingt durch Corona. Gehälter und Budgets werden gekürzt, es wird viel auf die Jugend gesetzt, man gibt den jungen Spielern die Chance. Aber wo eine Tür zugeht, geht eine andere auch immer auf.

… den Ablauf, als feststand, dass der Vertrag nicht verlängert wird: Es hat sich nicht abgezeichnet. Kurz vor der Verkündung habe ich mit dem Trainer gesprochen und er hätte begrüßt, wenn ich noch ein Jahr geblieben wäre. Mein Berater wurde informiert, der hat mich dann angerufen und mir Bescheid gesagt, dass kein Angebot kommen wird. Ein paar Tage später hatte ich dann ein Gespräch mit Sven Mislintat und er hat mir die Entscheidung erklärt. Das Gute ist, dass ich schon ein paar Jahre dabei bin, solche Situationen kenne und mich deswegen davon nicht runterziehen lasse.

… die Gründe für seinen Abschied aus Stuttgart: Ich habe mich natürlich auch selbst hinterfragt, woran es liegt, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Da spielen viele Faktoren mit. Letztendlich hat der Verein entschieden, dass er mich nicht braucht und den jüngeren Spielern, die hinter mir standen, den Vortritt lässt. Die müssen jetzt aus sich rauskommen, weil kein anderer mehr da ist. Viele andere, sportliche Gründe sprachen eigentlich nicht dafür, meinen Vertrag nicht zu verlängern.

"Hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis ich einen neuen Verein finde" 

… seinen Umzug: Ich bin im Mai mit meiner Familie ins neue Haus in meine Wahlheimat Leverkusen gezogen, hier wohnen wir jetzt, wir waren im Urlaub, ich halte mich hier fit. Und warte darauf, bis es auf dem Transfermarkt so richtig losgeht.

… Pläne, die Karriere in Stuttgart zu beenden: Das war eine Überlegung. Wenn ich zwei weitere Jahre dort hätte bleiben können, dann wäre ich 36 gewesen, das ist das Alter, in dem ich aufhören will, weil ich den Körper schonen will, um noch ein Leben danach zu haben. Vor allem mit Kindern überlegst du dir zwei Mal, ob es das wert ist, dich mit 39 noch rumzuschleppen und jeden Tag Schmerztabletten zu nehmen. Darauf habe ich kein Bock. Deswegen haben wir uns darauf eingestellt, dass ich meine Karriere in Stuttgart beende. Aber wie es so ist: Im Fußball kommen viele Dinge, die man nicht erwartet.

… die Gespräche mit den Mannschaftskollegen: Die Mannschaft sollte es erfahren, bevor es an die Presse geht. Also habe ich es der Mannschaft und dem Spielerrat gesagt. Ich war ja auch Kapitän. Die Mannschaftskollegen waren überrascht, so wie alle eigentlich. Aber so ist der Fußball. Jetzt ist die neue Saison wieder gestartet, Stuttgart hat mit einer jungen Mannschaft ein tolles Spiel gemacht und das ist alles wieder vergessen.

… den Saisonstart als Außenstehender: Es war komisch, als es losging. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis ich einen neuen Verein finde. Aber es war gleichzeitig auch mal schön, mit der Familie und Freunden zu Hause zu sitzen und Fußball zu gucken. Auch wenn ich mich nicht dran gewöhnen will.

… sein Selbstvertrauen nach längerer Zeit ohne Verein: Das ist nicht angekratzt oder so. Mit Anfang 20 wäre ich angespannter. Da hätte ich meinen Berater vermutlich drei Mal am Tag angerufen, statt ein Mal die Woche. Ich habe in drei tollen Vereinen gespielt und gute Verträge gehabt, habe mein Geld, glaube ich, ganz gut angelegt, dass es keine Probleme geben dürfte. Es kribbelt schon, ich würde gerne in der Mannschaft sein, spielen, den Druck am Wochenende spüren. Aber deswegen jetzt mit 34 Jahren nervös zu sein, weil es gerade nicht so ist, dafür habe ich zu viel erlebt und zu viele Jahre gespielt. Deswegen geht es mir gut und ich bin entspannt.

"Es ist gerade sehr ruhig" 

… den Austausch mit seinem Berater: Der ist mal mehr, mal weniger groß. Ich war nie der Typ, der jeden Tag Kontakt mit seinem Berater hatte. Wenn was kommt, werden die mir das schon mitteilen.

… Interessenten: Ich wusste von vornherein, was ich machen will. Es gab Angebote, aber da war nichts davon bei. Deswegen warten wir gerade auf das Richtige, was für mich und meine Familie und meinen Kopf passt. Es ist gerade sehr ruhig.

… seine Vorstellungen von einem neuen Verein: Zweite Liga habe ich ein Jahr mitgemacht, das will ich nicht nochmal machen. Ich würde gerne in der Bundesliga bleiben oder ins Ausland gehen. Wobei ich nach den drei guten Stationen Leverkusen, Dortmund und Stuttgart auch keine Lust habe, im höheren Alter fünf, sechs Vereine auszuprobieren, nur um unbedingt einen Vertrag zu haben.

… ein Engagement im Ausland: Belgien, Niederlande oder Frankreich sind nicht weit weg. Spanien ist auch eine Option, dort sind die Vereine aber aufgrund der Coronakrise gerade wirtschaftlich noch sehr vorsichtig. Wir wollen meine Tochter nicht komplett rausreißen, deswegen wird es nichts komplett Exotisches werden. Der Transfermarkt ist immer noch sehr ruhig. Da brauchen wir noch etwas Geduld. Ich hoffe, in den letzten Wochen kommt nochmal etwas Bewegung rein und dass dann nochmal eine Tür aufgeht.

Gonzalo Castro Bayer Leverkusen Bundesliga 14052005Quelle: Getty Images

… seinen Karriereanfang 2005 in Leverkusen mit 17 Jahren: Früher hat man nicht so auf die jungen Leute gesetzt, da war man mit 18 oder 19 mit viel Glück mal im Profikader, um zu spielen, mussten sich erstmal einige verletzen. Heute bestehen Großteile der Teams aus 19- oder 20-Jährigen, die schon einige Jahre Bundesliga spielen. Der Fußball hat sich von 2005 bis heute enorm schnell entwickelt.

… die Entwicklung des Fußballs bis heute: Die Zeiten sind schwer zu vergleichen. Früher gab es eine Taktik für ein Spiel, heute gibt es Mannschaften, die zwischen vier oder fünf Taktiken in einem Spiel wechseln. Früher war Geschwindigkeit nicht so wichtig wie deine Fähigkeiten am Ball, heute liegt das Augenmerk auf schnellen Flügelspielern, mit denen man schnell kontern kann. Heute hast du dann noch ein, zwei Zocker in der Mannschaft, früher waren es acht oder neun. Das wird in zehn Jahren wieder anders aussehen, dann sind vielleicht die Techniker wieder gefragt. Ich hatte das Glück, auch das Zeitalter um Techniker wie Bernd Schneider, Robson Ponte oder Franca noch erlebt zu haben. Da hat man sich im Training schon häufiger gefragt, was die da mit dem Ball anstellen.

… die beste Mannschaft, in der er gespielt hat: Das war mein erstes Jahr in Dortmund. Mats Hummels, Ilkay Gündogan, Pierre-Emerick Aubameyang, Henrikh Mkhitaryan hatte in diesem Jahr die beste Saison seiner Karriere, Julian Weigl kam, Marco Reus war da, auch wenn er manchmal verletzt war, dann noch Shinji Kagawa. Da war das Trainingsniveau schon ganz schön hoch.

… sein Kapitänsamt in Stuttgart in einem jungen Team: Trainer Pellegrino hat sich bewusst für mich entschieden, weil ich mit am längsten im Geschäft war. Viele Mitspieler sind erst 18 oder 19, kommen gerade aus dem Elternhaus oder dem Ausland, da muss man Verständnis haben, wenn die sich zum Beispiel mal einsam fühlen. Bei vielen jungen Spielern im Kader muss man Geduld mitbringen. Wir hatten eine sehr harmonische und gute Truppe zusammen. Die Jungs waren alle sehr hilfsbereit, haben zugehört und mir das Leben als Kapitän sehr leicht gemacht. Dazu kommt: Wenn man erstmal selbst Kinder hat, versteht man junge Leute viel besser.

… ein Engagement beim 1. FC Köln: Das ist keine Option, nein. So schön Köln als Verein ist mit riesiger Fan-Kultur, ligaunabhängig immer 50.000 Leute im Stadion, ein Traditionsverein. Aber als Leverkusener kann man das nicht machen, das wäre das gleiche, wie wenn ich nach Schalke gehen würde. Weil ich drei Jahre in Dortmund gelebt habe, was ich wie in Leverkusen geliebt habe. Ich bin einfach sehr loyal und könnte das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.