Ab der Saison 2024/25 gibt es im Kinderfußball neue Spielformen. Dies wurde vom DFB nach einer Pilotphase beschlossen. So soll unter anderem mit kleineren Mannschaftsgrößen auf kleineren Spielfeldern in der G-, F- und E-Jugend gespielt werden.
In der neuesten Folge von "kicker meets DAZN" besprechen Hannes Wolf, DFB-Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung, und DFB U-18-Cheftrainer Hanno Balitsch alles rund um die neuen Trainingskonzepte. Im Gespräch mit den Moderatoren Alex Schlüter und Benni Zander erklären die beiden, aus welchen Gründen die deutsche Jugendarbeit im internationalen Vergleich zurückgefallen ist und warum viele Tore nicht immer erwünscht sind.
Hier gibt es die besten Aussagen auf einen Blick. Die komplette Folge gibt es wie immer überall zu hören, wo es Podcasts gibt.
Hannes Wolf über…
… das Kompetenzteam für Nachwuchstraining:
"Wir haben aus verschiedensten Gründen angefangen, uns wieder ganz viel mit Jugendtraining zu beschäftigen. Wenn man im Vergleich in die anderen Länder guckt, wollen wir, dass die Kinder und Jugendlichen noch mehr Freude am Fußball haben und sich so gut entwickeln, dass sie bis zur A-Jugend nicht aufhören, sondern weiter dranbleiben."
"Wir haben im Kreise der Nationaltrainer wunderbare Trainer, die ein riesiges Interesse daran haben, nicht nur in den Spitzenbereich zu schauen, sondern auch rauszugehen und Fortbildungen zu machen. Unter anderem auch mit drei Frauen haben wir da ein ganz tolles Team zusammengestellt, das auf gutes Training blickt und damit auch rausgeht."
"Der Austausch beschränkt sich dabei nicht nur auf dieses Team, sondern auch auf andere Nationaltrainer wie Marc Meister, Rainer Zietsch und Mario Himsl, die diese Fortbildung machen."
… das Schaffen von Räumen neben dem Sportplatz:
"Wir wollen erst einmal das, was wir haben, besser machen und dann gucken, was man zusätzlich noch machen kann. Wenn ein Kind zweimal die Woche Training hat, wäre es natürlich wundervoll, wenn es auch zweimal die Woche tolles Training bekommt. Wir mussten vielleicht als Deutschland nie richtig gut darin sein, Fußball auszubilden, weil sich das über den Bolzplatz und auf der Straße entwickelt hat. Bei dieser Größe des Landes und dem Talentpool, den du hast, bekommst du automatisch gute Spieler."
"Mittlerweile ist den jungen Menschen der organisierte Sport viel wichtiger geworden. Im besten Fall können die Kinder dreimal die Woche trainieren plus in der Schule Fußball spielen. In der Schule vielleicht nicht zwölf gegen zwölf mit einem Ball, sondern viermal drei gegen drei, dass sie noch mehr Ballkontakte bekommen. Wir wollen das an die Stützpunkte, in die Förderung und dann natürlich auf das allerhöchste Niveau für die NLZs bringen."
"Da kommen noch Themen dazu, die uns auf dem Topniveau massiv beeinflusst haben wie die Videoanalyse im Jugendbereich und wir haben die Belastungssteuerung vom Profi- auf den Jugendbereich übertragen."
… Problemlösungen der teils hohen Niederlagen in Jugendteams:
"Wir wollen im Training 12 x 4 Minuten pro Woche kleine Spielformen machen und fangen jedes Mal wieder bei 0:0 an. Du willst ja nicht, dass es schon 3:0 steht, wenn das Spiel losgeht. Diese hohen Ergebnisse sind in alle Richtungen demotivierend. Auch für diejenigen, die führen, macht das ab einem gewissen Punkt nur wenig Sinn."
"Durch das neue Modell hast du viel engere Spiele und öfter die Rückmeldung Gewinnen oder Verlieren. Und so soll das auch weitergehen, wenn es in der E-Jugend „Twin-Games“ mit zweimal 4 gegen 4 plus Torwart über jeweils sechs Minuten gibt. Da hast du alles drin: Förderung für die, die noch nicht so weit sind und die Eliteförderung. Zusätzlich hast du sechs Spiele statt einem an diesem Wochenende."
"Auf diese Weise schlagen wir ganz viele Fliegen mit einer Klappe. Das bedeutet auch fürs Training, wenn wir in der Woche 20 x 3 Minuten in Spielformen spielen und es geht um gewinnen und verlieren, dann kannst du 20 Mal gewinnen. Es gibt die unmittelbare Rückmeldung viel öfter. Eine Tabelle macht da keinen Sinn. Es geht darum, dass du dich nicht auf das Gewinnen bzw. Verlieren berufst, sondern es geht um die Entwicklung junger Menschen. Wir wollen eine Lebenswelt schaffen, die funktional ist und in der sie sich alle bestmöglich entwickeln können."
… Umgang mit Skeptikern:
"Was wir jetzt haben, ist eine Debatte. Das Thema wurde vorher nicht falsch besprochen, sondern es wurde über Jahrzehnte gar nicht besprochen."
"Wenigen Widerspruch haben wir für das Training von Montag bis Freitag erhalten, das mit dem Spieltag ist natürlich ein bisschen anders. Etwas neu zu lernen und anders zu machen, ist ja erst einmal anstrengend, wenn du daran gewöhnt bist, in den letzten Jahren ein 6 gegen 6 plus Torwart zu organisieren und jetzt sollst du das auf einmal umstellen. Das ist dann erstmal eine Veränderung, die nicht ganz einfach ist und das können wir nachvollziehen."
"In dem Moment, wo wir verstehen, dass es für die Kinder und die Entwicklung besser ist, sind wir auch bereit, diesen Extraschritt zu machen und uns daran zu gewöhnen. Wir müssen es besser machen und neu denken, weil die anderen besser geworden sind. Wenn das akzeptiert ist, wird der Rest nicht mehr ganz so schwer."
Hanno Balitsch über…
… das Angehen der Missstände im deutschen Nachwuchsfußball:
"So etwas entwickelt sich im Laufe der Zeit, der Anstoß war so ein bisschen in der Corona-Zeit. Da ist ein Projekt geboren, das hieß damals noch „Intuitive Spielkompetenz“. Der Grundgedanke war: ‚Wir brauchen mehr Dribbler‘, da uns einige Positionen im Fußball-Profibereich verloren gehen. Wir haben wir uns detailliert mit dem Training auseinandergesetzt und festgestellt, dass viel zu wenig zwischen Profi- und dem Jugend- und Kindertraining differenziert wird."
"Jeder hat seine Expertise eingebracht, denn wir wissen natürlich auch, wie wir groß geworden sind und mit welchem Training wir zumindest ein gewisses Niveau erreicht haben. Das fließt alles mit ein und da war das leere weiße Blatt sehr schnell sehr voll."
"Was auch ganz wichtig ist, wir sind Familienväter. Wir haben Jungs in einem Alter, die auch kicken. Wir kennen die Gegebenheiten an der Basis und wissen, wie schwierig es ist, neben dem Job ein Training zu konzipieren, das Spaß macht."
… die Zielgruppen der Trainingsinnovation:
"Das Feld ist sehr groß, das wir bespielen können und bespielen wollen. Wir müssen da Schritt für Schritt vorgehen. Es ist nicht nur für die Elite oder die Nachwuchsleistungszentren angedacht, sondern das ist genauso eine Trainingsphilosophie für ganz Deutschland – niveau- und altersunabhängig."
"Das Thema Schule soll im nächsten Schritt angegangen werden. Wir müssen die Zeit des Fußballspielens auf Tore, das ich in meiner Generation auf dem Bolzplatz und Schulhof erlebt habe, erhöhen. Fußballspielen findet heutzutage fast nur noch im geregelten Vereinstraining statt. Wir müssen Felder nebendran schaffen, wo die Jungs und Mädels mehr kicken können und das Training in den Vereinen so gestalten, dass wieder mehr auf Tore gespielt wird."
… Diskussionen rund um die Siegermentalität:
"Bei solchen Diskussionen wird ja vor allem die Elite angesprochen. Da heißt es, dass wir den Hang dazu haben, ‚wir müssen die Top-Elite ausbilden und nur, wer in der Jugend lernt, in jedem Spiel und Training bis aufs Messer zu gehen, um gewinnen zu wollen, der kann auch später mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister werden‘."
"In der Diskussion wird aber überhaupt nicht über die gesprochen, die vielleicht aufgrund dieses Gedankens gar nicht erst zum Einsatz kommen. Wir wollen ein Spiel mit vielen kleinen Feldern, wo sich die Spieler entwickeln können, Spaß haben, so dem Fußball erhalten bleiben und in den Fußballvereinen auch soziale Werte weitertragen."
"In der ganzen öffentlichen Diskussion wird nur die eine Seite abgebildet und nicht die andere. Das ist ein bisschen schade, aber ich glaube, wir haben deutlich gemacht, dass es einen Unterschied gibt zwischen Training und Spielbetrieb gibt und dass es bei uns trotzdem auch immer um Gewinnen geht."