Hans-Joachim Watzke hat im Gespräch mit DAZN auf das Rückspiel von Borussia Dortmund im Achtelfinale der Champions League (Mi., 21 Uhr live und exklusiv auf DAZN) geblickt. Dabei betonte er, dass ein Ausscheiden wirtschaftlich keine Relevanz hätte. Der BVB stehe als sehr gut da, auch wenn hohe Maßstäbe angelegt würden.
Außerdem bricht er eine Lanze für die Bundesliga, spricht über den geplatzten Investorendeal der DFL und was er aus den Fan-Protesten gelernt habe. Darüber hinaus erklärt er die Situation von Mats Hummels und Marco Reus, die nicht mehr zum Stammpersonal beim BVB gehören.
Hans-Joachim Watzke ...
... über den Zustand des BVB:
Dem BVB geht es deutlich besser als viele glauben. Es verschieben sich die Realitäten. Man liest, dass die Saison nicht gut ist. Fakt ist, es hat in dieser Saison Dinge gegeben, die nicht so gut waren, es hat aber auch eine ganze Menge gegeben, die gut gelaufen sind. Doch das wird irgendwie so ein bisschen unter den Teppich gekehrt. Ich kann mir da auch keinen Reim darauf machen. Wir haben zum Beispiel die Gruppe in der Champions League gewonnen, das hätte niemand erwartet. Dass wir in der Bundesliga nur an vierter Stelle stehen, ist zum einen den Erfolgen der Vergangenheit geschuldet. Aber wenn man sieht, dass Leipzig an fünfter Stelle steht und wie gut die eigentlich sind, dann hat das nicht nur damit zu tun, dass wir nicht am obersten Limit in der Bundesliga spielen. Sondern es hat damit zu tun, dass du dieses Jahr ausnahmsweise fünf richtig gute Mannschaften dabei hast. Unsere 44 Punkte aus 24 Spielen ist nichts, was beim BVB innerhalb der vergangenen Jahre aus dem Rahmen fällt. Dazu haben wir uns für die Klub-WM qualifiziert, was eine riesige sportliche Herausforderung ist und auf die wir uns freuen.
Finanziell geht es uns gut. Nach Corona und 151 Millionen Euro, die wir verloren haben. Ich glaube, dass es den BVB deutlich besser geht als das von außen wahrgenommen wird. Da werden natürlich auch hohe Maßstäbe an uns gelegt.
... über ähnlich hohe Maßstäbe wie beim FC Bayern:
“Es belastet natürlich, das ist klar. Große sportliche Leistungen von einem Klub, von dem man es gewohnt ist, kann einen Verein atmosphärisch hemmen. Bei Manchester United hast du seit zehn Jahren das Gefühl, dass dies denen wie ein Mühlstein um den Hals hängt. Bei Liverpool hat es 30 Jahre gedauert, bis Jürgen das Regiment übernommen hat. Da müssen wir ein wenig gegen an arbeiten.
... über die Konkurrenz in der Bundesliga wie Stuttgart oder Leverkusen:
“Die machen es wirklich gut. Es wird immer auch bei der Diskussion um die Geldverteilung erzählt, dass alles fest ist. Gar nichts ist fest, weil du jedes Jahr neue Champions-League-Teilnehmer hast. Es ist offensichtlich doch eine Durchlässigkeit da. Wenn die Stuttgarter das gut machen, ist das zu akzeptieren. Der VfB hatte den Vorteil, dass er keine internationalen Spiele hatte. Man muss das aber in der Längsschnitts-Analyse sehen. Wenn der Preis dafür, dass wir dieses Jahr gut spielen, der gewesen wäre, dass wir in der vergangenen Saison nicht in die Champions League gekommen wären, wie es Leverkusen passiert ist oder wir hätten wie Stuttgart Relegation spielen müssen, wäre mir der Preis auch zu hoch gewesen. Du darfst dich nicht von Momentaufnahmen treiben lassen, sondern du musst es auf einen gewissen Zeitraum sehen. Dennoch räume ich ein, dass es mich freuen würde, wenn wir in der Bundesliga ein bisschen flüssiger spielen würden.
... über Stuttgart und Leverkusen als mögliche Blaupause für den BVB:
“Ich halte nicht viel von Abschauen. Warten wir mal ab, ob Stuttgart das durchhält. Sofern sie diese Saison auf diesem Niveau zu Ende spielen, muss man einfach nur gratulieren. Das hat nichts mit uns zu tun. Nichtsdestotrotz spielen beide sehr ansehnlichen Fußball und davon kann man immer ein bisschen lernen.“
... über eine zu unklare Spielausrichtung unter Trainer Edin Terzic:
“Die Momentaufnahme spricht in manchen Spielen ein bisschen dafür. Aber das ist mir alles zu theoretisch. Zum Beispiel bei Real Madrid (in der Champions League gegen Leipzig, Anm. d. Red.) habe ich den Fußball, den Ancelotti spielen will, auch nicht gesehen. Ich glaube, wenn wir letztes Jahr bis zur 89. Minute Deutscher Meister gewesen sind, können wir in den letzten Jahren nicht alles falsch gemacht haben. Und als Edin Terzic in seiner ersten Periode den DFB-Pokal gewonnen hat, haben wir das sicher auch nicht durch schlechten Fußball geschafft. Wir haben es jetzt in der Rückrunde hinbekommen, gut zu stehen, aber es ist nicht noch nicht so flüssig. Das ist sicherlich ein Ansatzpunkt.
... über das hohe Niveau beim BVB:
“Wir hatten in der Rückrunde der vergangenen Saison hier in Dortmund großartige Spiele, wir sind natürlich mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau unterwegs. Wenn du wie Niclas Füllkrug als deutscher Nationalspieler hierherkommst, wo die Leute schon einen Robert Lewandowski oder Erling Haaland gesehen haben, ist das natürlich ein Rucksack. Die besten Spieler der Welt waren schon hier. Jeder Spieler, der im Mittelfeld spielt, wird jetzt mit Jude Bellingham verglichen.“
... über eine vermeintlich ungerechte Erwartungshaltung gegenüber ihm und Sebastian Kehl:
“Das ist Wunschdenken. Wir hatten jetzt eine riesige Dichte mit Erling und Jude. So ein Spieler fällt nicht jedes zweite Jahr vom Himmel. Mich interessiert es nicht, was meine Person angeht, mein Anteil auf die kurzfristige sportliche Performance bei Borussia Dortmund ist sehr gering. Ich interpretiere die Rolle so, dass ich aufpasse. Ich versuche Fehlentwicklungen zu korrigieren, aber ich renne nicht die ganze Woche in Brackel rum. Ich nehme keine aktive Rolle ein, sondern bin darauf angewiesen, was Kehl und Terzic mir sagen.
Für Sebastian ist es sicherlich schwieriger, der ist als Sportdirektor nach dem Trainer der erste Ansprechpartner, das musst du in diesem Job aber abkönnen. Bei Leverkusen hat man in der vergangenen Saison alles kritisch beäugt, da sind noch die gleichen Personen, in diesem Jahr werden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Deutscher Meister. Solche Phasen hast du immer mal, das musst du dann aber aushalten.”
... über den BVB-Kader:
“Ich glaube nicht, dass wir den ganz großen Umbruch haben. Wir haben mit Kobel, Schlotterbeck, Bynoe-Gittens, Duranville oder Moukoko sehr viele junge Spieler in unseren Reihen. Wir müssen nicht alles runderneuern. Es gibt immer mal paar Ideen, die man hat, aber ein ganz großer Umbruch ist es nicht.
... über Marco Reus und Mats Hummels:
“Es waren und sind prägende Spieler. Wenn du auf das Karriereende zugehst, läuft das nicht linear ab. Deine Spieleinsätze werden nicht mehr. Man sieht das bei beiden. Sie sind nicht mehr bei jedem Spiel dabei, weil du auch längere Regenerationszeiten brauchst. Es ist nicht mehr so wie in ihrer besten Phase, als sie 45 Spiele von Beginn an gemacht haben. Insofern fällt das ein bisschen sanfter aus. Irgendwann wird es soweit sein, dass wir zwei, die viel für Borussia Dortmund geleistet haben, verlieren. Aber das fängt man dann auf, das hat es immer schon gegeben.”
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... über Einzelgespräche mit verdienten Spielern:
“Das habe ich früher mal gemacht, jetzt nur noch sehr selten. Reus und Hummels begleite ich seit 2007 oder dann eben seit 2012, aber ich habe mich sukzessive zurückgezogen, weil ich den Job bald nicht mehr mache und andere übernehmen. Seit zwei Jahren seit Michael (Zorc, Anm. D. Red.) nicht mehr da ist, habe ich da Sebastian deutlich mehr Raum gegeben. Am Ende des Tages wissen die aber, wenn sie ein Problem haben, können sie auch zu mir kommen.”
... über Karriereende von verdienten Spielern:
“Ich kenne keinen, der es gut findet, wenn er merkt, dass er in den letzten Jahren nicht mehr in jedem Spiel gesetzt ist. Über die Jahrzehnte habe ich das immer wieder erlebt, unter anderem bei Michael Zorc unter Ottmar Hitzfeld. Der ist nach einem geschossenen Tor mal auf die Trainerbank zugerast, heute würde es einen Skandal geben. Jeder Spieler hat seine subjektive Sicht, aber es gibt halt auch die objektive Sicht, für die der Trainer und sie sportlichen Verantwortlichen zuständig sind. Wenn einer auf der Bank sitzt und vor sich hinlächelt, ist das auch falsch. Ich erwarte eigentlich auch, dass sie grimmig gucken, wenn sie nicht spielen. Es ist nur entscheidend, dass man keine negative Energie in die Mannschaft reinfließen lässt.”
... über die wichtigsten Aufgaben für seinen Nachfolger:
“Ich habe ein klares Profil im Kopf, bespreche das aber mit den Leuten, die dafür infrage kommen. Es wäre der größte Fehler, jemanden zu suchen, der mich zu kopieren versucht. “
... über den geplatzten Investoren-Deal der DFL:
“Für uns ist es am besten zu verkraften. Bayern, Leipzig und wir haben die Stärke. Wir können auch im Ausland für uns werben. Für die mittleren Klubs in der Bundesliga ist es deutlich gravierender, wenn wir im Ausland keine großen Steigerungen zu erwarten haben.”
... über die Auslandvermarktung der Bundesliga:
“Es geht nicht darum, wie wir die Bundesliga sehen. Die wird im Ausland besser gesehen, als wir das selbst tun. Dadurch, dass ich im UEFA-Exekutivkomitee bin, merke ich das, wenn ich mich mit den Kollegen austausche. Das liegt auch daran, weil wir international mehr gewinnen. In der Europa League waren wir jahrelang die größten Loser. Das hat sich durch das Auftreten von Eintracht Frankfurt, Leverkusen oder Freiburg fundamental geändert.“
... über die Fan-Proteste gegen den Investoren-Deal:
“Hier ging es darum, wie es finanziert wird. Für mich war es eine Lernkurve, dass selbst Fans von Klubs, die bereits Investoren an Bord haben, so massiv gegen einen Investor, der vielleicht 7,5 Prozent an einer Tochtergesellschaft gehabt hätte, aufgetreten sind.”
... über die Stadion-Atmosphäre der Bundesliga:
“Die Bundesliga hat mehrere Alleinstellungsmerkmale. Von den großen Ligen haben wir die demokratischste Basis, das ist manchmal anstrengend, trotzdem finde ich das ganz gut. In den anderen Ligen wären die Prozesse gnadenlos durchgezogen worden. Die Bundesliga schießt die meisten Tore und hat die meisten Zuschauer. Die Stimmung ist definitiv besser als woanders. Unsere Stadien sind zudem top.”
... über die Zeit nach seinem Abschied im Herbst 2025:
“Jedes Spiel werde ich im Stadion sein, auswärts und zuhause.”
... über ein Weiterkommen CL-Achtelfinale gegen PSV Eindhoven:
“Es ist wirtschaftlich völlig nebensächlich. Es wäre schönes Geld, aber es ist hier nicht so, dass alles auf Kante genäht ist. Wir überleben das auch, falls wir rausfliegen. Sportlich ist das entscheidende Thema. Sportlich mal wieder zu den besten acht in Europa zu gehören, hätte eine Qualität. Uns gelingt das in der Regel, wenn wir Gruppensieger werden, da du den Vorteil mit dem Rückspiel zuhause hast.
... über PSV Eindhoven:
“Unglücklicherweise ist Eindhoven so stark wie nie. Viele denken, es ist nur Eindhoven, Das ist aber völlig falsch. Die Mannschaft ist außergewöhnlich stark und hat einen Flow.”
... über die Saisonbeurteilung:
“Am Ende des Tages entscheidet es sich, ob es eine gute Saison wird, in der Bundesliga. Es kann keine gute Saison geben, in der wir am Ende nicht in der Champions League spielen.”
BVB in der Champions League: Die Bilanz seit 2013
Saison |
Erreichte Runde |
---|---|
2022/23 |
Achtelfinale (Aus gegen Chelsea) |
2021/22 |
Gruppenphase |
2020/21 |
Viertelfinale (Aus gegen Manchester City) |
2019/20 |
Achtelfinale (Aus gegen PSG) |
2018/19 |
Achtelfinale (Aus gegen Tottenham) |
2017/18 |
Gruppenphase |
2016/17 |
Viertelfinale (Aus gegen Monaco) |
2014/15 |
Achtelfinale (Aus gegen Juventus Turin) |
2013/14 |
Viertelfinale (Aus gegen Real Madrid) |