Seit inzwischen elf Spielen wartet der VfL Wolfsburg auf einen Sieg. Die erhoffte Wende nach dem Trainerwechsel blieb aus, sodass der gesamte Klub vor dem Heimspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth unter Druck steht.
Um neuen Schwung für die restliche Rückrunde zu nehmen, haben die Wölfe um Geschäftsführer Jörg Schmadtke in der Winter-Transferperiode den Kader umgebaut. Vor allem die Verpflichtung von Max Kruse sorgte dabei für ein großes Echo.
Im exklusiven Interview mit DAZN im Rahmen des neuen Matchday Features sprechen Schmadtke und Trainer Florian Kohfeldt über das neue Gesicht der Wolfsburger Mannschaft, die enttäuschende Hinrunde und den Rücktritt von Max Eberl bei Borussia Mönchengladbach.
Diese Bundesligaspiele überträgt DAZN am Wochenende!
Jörg Schmadtke über …
… die Lage beim VfL Wolfsburg
"Schon die Vorbereitung war holprig, dann sind wir aus dem Pokal ausgeschieden. Die ersten Ligaspiele waren zwar sehr erfolgreich, trotzdem sind wir nie in einen Flow gekommen. Nach dem starken Einbruch haben wir einen Trainerwechsel vorgenommen. Wir hatten dann komischerweise nochmal ein kleines Hoch, sind anschließend aber wieder komplett eingebrochen. Es ist eine ungewöhnliche Saison, zumindest seitdem ich da bin."
… die Ursachen für die Probleme
"Es gibt einige Gründe, die wir aber nicht alle nach außen tragen wollen. Ein Grund ist die fehlende Trainingszeit. Wenn du dich international qualifizierst und im System eine Problematik hast, ist das internationale Geschäft kontraproduktiv, obwohl wir alles dafür tun, uns zu qualifizieren."
… den Trainerwechsel und den Kaderumbau
"In der Regel sind Trainerwechseleffekte nicht nachhaltig. Du wechselst einen Trainer, weil du eine Problematik in deiner Gruppierung hast. Mit dem Trainerwechsel kann sich die Gruppierung nicht ändern. Du hast eine neue Ansprache, die Ersatzspieler können sich neu präsentieren, solche Effekte treten ein. Trotzdem bleibt der Kern des Problems bestehen. Deswegen haben wir uns entschieden, im Kader zu reagieren. Außerdem sind Spieler mit Wünschen zu uns gekommen, die wir nicht verwehrt haben. Gleichzeitig kriegen wir so auch einen anderen Geist in die Kabine und auf den Platz."
… den Abgang von Wout Weghorst
"Er hatte den großen Wunsch, in die englische Liga zu wechseln. Wohl mit einem anderen Hintergedanken, aber es war eben sein Traum, in der Premier League zu spielen, und dem haben wir entsprochen."
Quelle: Getty Images
… die Transferpolitik
"Teilweise wird behauptet, wir hätten unsere Verpflichtungsstrategie verändert. Das stimmt nicht. Wir haben vier Spieler verloren, die um die 30 Jahre alt waren. Wir haben einen Spieler verpflichtet, der 33 Jalte alt ist, dazu einen 18- und einen 22-Jährigen. Da von einem völligen Wechsel unserer Gedankenwelt zu sprechen, halte ich für fehlinterpretiert."
… die Verpflichtung von Max Kruse
"Da wir vier erfahrene Spieler im gesetzteren Alter verloren haben, war für uns klar, dass wir uns mit einem Spieler beschäftigen müssen, der die Liga kennt und über einen Erfahrungsschatz verfügt. Und im Idealfall auch keine große Eingewöhnungszeit braucht. Das alles ist bei Max gegeben. Und natürlich spielt auch der Trainer eine Rolle, der schon mal mit ihm zusammengearbeitet hat."
… den Einfluss von Kruse
"Max hat einen anderen Zugang zum Spiel und zum Beruf als der eine oder andere. Und er gibt uns Dinge auf dem Platz, die uns in der nahen Vergangenheit gefehlt haben, die wir aber unbedingt benötigen, um da unten herauszukommen. Das ist das alles Entscheidende."
… Jonas Wind und Kevin Paredes
"Wind hat internationale Erfahrung und weiß, wie man sich in einem großen Klub bewegt. Er wird sehr schnell Fuß fassen. Und mit Paredes haben wir jemanden verpflichtet, der völlig unbelastet zu uns kommt, weil er weit weg war und über ein großes Talent verfügt. Bei ihm wird man etwas abwarten müssen. Aber es deutet sich schon an, dass er punktuell schnell helfen kann. Sofern sie gesund bleiben, werden alle drei Neuzugänge am Sonntag im Kader stehen."
… das Ausrufen des Fürth-Spiels als Endspiel
"Damit ist gemeint, dass es ein extrem wichtiges Spiel für den weiteren Verlauf der Saison ist. Ich weiß, dass danach noch 13 Spiele anstehen. Ich habe trotzdem schon vergangene Woche proaktiv zum Ausdruck gebracht, dass es ein Endspiel für alle ist, vor allem für den Klub, damit wir nicht von diesem Thema überrollt werden. So konnte sich jeder frühzeitig damit befassen, und nicht erst kurz vor dem Spiel."
… die Bedeutung des Spiels für seine Zukunft
"Das ist spekulativ."
… die weitere Saison des VfL
"Wir haben den festen Glauben, dass wir durch unsere Veränderungen einen anderen Spirit sowie Teamgeist haben und uns somit auch andere Möglichkeiten auf dem Platz erarbeiten können. Wir glauben, diese Dinge schnell auf dem Platz sehen zu können, deswegen sind wir positiv gestimmt. Aber prognostizieren ist das eine, handeln das andere. Wir werden als Einheit agieren müssen. Alle kleine Schritte werden positiv wahr- und aufgenommen. Am Ende läuft es aber auf eines hinaus: Du musst am Spieltag Punkte einfahren. Egal wie, es geht ums Resultat. Wir sind im Ergebnissport unterwegs."
… den Rücktritt von Max Eberl
"Er ist kein Kollege, er ist ein Freund, wir kennen uns seit vielen Jahre und sind stets in Kontakt. Ich habe großen Respekt vor ihm. Ich will nicht zu sehr darauf eingehen, aber ein paar Dinge sind absurd. Da setzt sich jemand hin und sagt: Der Druck ist zu groß und ich bin nicht in der Lage, das zu bewältigen. Und während er noch da oben sitzt, wird auf derselben Pressekonferenz über den Nachfolger und die Kaderplanung gesprochen. Das finde ich unappetitlich. Genauso wie alle schlau geschriebenen Kommentare, um drei Tage später zu glauben, unsere Arbeit mit Benotung bewerten zu können. Da scheint der Lerneffekt gering zu sein. Das habe ich schon erlebt, als Robert Enke von uns gegangen ist. Da habe ich viel gehört und mitbekommen, die Situation hat sich aber nicht groß verändert, außer dass wir etwas offener über Depressionen reden und mehr Hilfestellungen haben. Aber im Business selbst hat sich nichts geändert."
Quelle: Getty Images
Florian Kohfeldt über …
… seinen Start beim VfL
"Als ich hierher kam, hatten wir die Hoffnung, dass wir uns stabiler durch die nächsten Wochen bewegen. Das ist vor allem in den Ergebnissen nicht aufgegangen. Gerade der Dezember war natürlich grausam. Aus meiner Sicht von außen war im Vorhinein nicht zu sehen, dass es so tiefgreifende Probleme gibt."
… den Unterschied zur Lage des VfL gegenüber Werder Bremen
"Hier ist es anders, weil es keine langfristige Entwicklung gab, die sukzessiv dahin geführt hat, wo wir jetzt stehen. Innerhalb von kürzester Zeit sind Faktoren zusammengekommen, die so eine schwierige Phase beeinflusst haben. Es haben sich ein paar Dinge gegenseitig befruchtet, die zu Problemen geführt haben. Da geht es um Hierarchie, um Gier auf Erfolg, auch Bequemlichkeit war ein Thema. Dann ging es um die Frage, welchen Fußball wir spielen wollen. Da haben wir am Ende der Transferperiode gezeigt, dass die Richtung jetzt stimmt und sich alle einig sind und eine Gruppe entsteht."
… die zwei Hochphasen in der Hinrunde, die nicht gehalten werden konnten
"Das ist ein Muster, das in dieser Saison auffällt. Wenn Grundanker in einer Mannschaft fehlen, also Dinge wie Hierarchie oder Art des Fußballs, dann kann man das über individuelle Qualität und einen Hallo-wach-Effekt für einen gewissen Moment kompensieren, aber nicht dauerhaft. Das ist hier zwei Mal in einer Saison passiert. Deswegen war es wichtig, dringend diese Anker zu etablieren. Deswegen ist das kein Problem der Mannschaft, sondern von uns allen. Und zuvorderst stehe ich in der Verantwortung."
… den Fußball, den er spielen will
"Mutiger, zielstrebiger, dominanter. Unser Ziel ist Kombinationsfußball mit dem frühestmöglichen Moment der Balleroberung. Gerade gegen den Ball haben wir in den vergangenen Wochen Strukturen geschaffen, mit denen wir deutlich stabiler waren und höhere Ballgewinne hatten als zuvor. Wir haben im Gegenpressing und im Kombinationsspiel von hinten heraus einen guten Schritt gemacht. Was uns abging, war die Zielstrebigkeit. Unsere Wintertransfers stehen dafür, diesen Bereich zu verbessern."
… seinen Einfluss auf die Verpflichtung von Max Kruse
"Max und ich kennen uns gut, wir wissen, was wir voneinander zu erwarten haben. Aber es war ein Transfer des VfL Wolfsburg, nicht von Florian Kohfeldt. Ich freue mich, dass er hier ist, denn er kennt die Idee und die Umsetzung, wie wir Fußball spielen wollen - und füllt sie als Spielertyp mit Leben. Er kann ein großer Schlüssel sein für die Veränderung in der Kabine und in unserem Spiel."
… Max Kruse
"Der Typ Max Kruse ist wichtig für den Fußball. Er hat eine Unbekümmertheit und Mentalität, die ihn dienstags genauso mutig Fußball spielen lässt wie samstags. Diese Stressresistenz ist eine herausstechende Eigenschaft. Er ist ein unglaublich guter Kommunikator. Man muss Dinge mit ihm klar besprechen, dann hält er sich auch dran. Er hat noch nie etwas getan, was seiner Leistung entgegensteht. Dieses Bild von Max Kruse als der "besondere Profi" ist für mich gegenstandslos."
... den Druck vor dem "Endspiel" gegen Fürth
"Wir wissen, wie bedeutend das Spiel ist. Wir sehen, dass wir unser Spiel verbessern, aber das müssen wir in Ergebnisse ummünzen. Dementsprechend ist da natürlich etwas Zunder drin, aber ich habe auch über Stressresistenz gesprochen: Es darf uns nicht übermäßig überlasten. Meine Aufgabe ist es als Trainer, meine Zuversicht und Überzeugung auszustrahlen."
… den Rücktritt von Max Eberl
"Die Pressekonferenz mit Max hat einen bewegt. Ich habe ihn immer als eine der klarsten, sympathischsten und empathischsten Figuren der Bundesliga wahrgenommen. Seine Entscheidung verdient extrem hohen Respekt. Gleichzeitig finde ich es bedenkenswert, wie damit umgegangen wird. Im Nachhinein gibt es immer Berichte, die in den Vordergrund stellen, was das Geschäft mit dem Menschen macht. Das ist aber nur von kurzer Dauer und das wird man leider nicht verändern können. Ich habe hier diese Woche meinen dritten Medientermin und wurde jedes Mal nach "dem Endspiel" gefragt. Wenn man es nicht höflich formulieren würde, würde man fragen: "Sind Sie ihren Job los, wenn Sie das Spiel verlieren? Wie fühlen Sie sich, Herr Kohfeldt?" Dass einem das nicht egal ist, ist doch klar. Aber ich kann auch nicht verlangen, dass die Frage nicht gestellt wird. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass man das verändern kann. Stattdessen muss man für sich die Entscheidung fällen: Wie lange kann man das aushalten? Deswegen nochmal: Maximaler Respekt vor der Entscheidung von Max Eberl."