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Julian Weigl exklusiv im KMD-Podcast: "Im Fanshop wurde ich gefragt: 'Wo spielst du denn?'"

Julian Weigl exklusiv im KMD-Podcast: "Im Fanshop wurde ich gefragt: 'Wo spielst du denn?'"DAZN
Julian Weigls Karriere führte ihn von 1860 München über Borussia Dortmund zu Benfica Lissabon. In der neuen Folge des KMD-Podcast spricht er über die Traumstadt Lissabon mit seinen verrückten Fans und blickt auf seine Zeit in Deutschland zurück.

Die 117. Folge kicker meets DAZN kommt in neuer Besetzung. Benni Zander hat sich als Vertretung für Alex Schlüter kicker-Reporter Matthias Dersch an seine Seite geholt. Als BVB-Reporter kennt Dersch Julian Weigl bestens. Im Interview spricht Weigl über seinen Start in Lissabon, einen besonders verrückten Fan sowie die Bedeutung des Lissabon-Derbys. Außerdem blickt Weigl auf seine Anfangszeit bei 1860 München als jüngster und kürzester Kapitän der Vereinsgeschichte sowie auf seine Zeit in Dortmund zurück, in der ihn anfangs niemand kannte, während Thomas Tuchel auf ihn setzte.

Nach dem Interview besprechen Benni Zander und Matthias Dersch das vergangene Bundesliga-Wochenende vor der zweiwöchigen Spielpause.

Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:

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Julian Weigl über…

 

… seinen Wechsel zu Benfica Lissabon

"Ich kann verstehen, dass Leute skeptisch waren. Ich musste auch meinem Vater erst einmal erklären, wie es zu dem Schritt kam. Es ist schon ein ungewöhnlicher Schritt, von Borussia Dortmund nach Portugal in eine Liga zu wechseln, die zumindest in Deutschland unter dem Radar fliegt. Neben der sportlichen Komponente war Benfica auch interessant, weil es der größte Traditionsverein im Land ist, sie immer international spielen und weil man hier in Lissabon gut leben kann. Ich wollte schon immer ein Auslandsabenteuer mit meiner Frau machen. Es hat sich einfach richtig angefühlt."

… den Fan, der für ihn nackt durch Lissabon lief

"Als ich den Tweet gesehen habe, waren die Verhandlungen schon relativ weit fortgeschritten. Ich habe mir direkt einen Screenshot gemacht und saß mit meiner Frau Sarah am Esstisch und sagte: 'Den lassen wir das machen!' Das geile war – und daran siehst du auch, wie verrückt die Fans hier sind – er hat das nicht auf sich sitzen lassen und es wirklich gemacht. Er hat sich sogar die Nummer 28 und meinen Namen auf den Rücken geschrieben. Zu meinem ersten Spiel hat ihn Benifca ins Stadion eingeladen und ich habe ihm mein Trikot gegeben. Ich finde, das hat er sich nach seinem nackten Kilometer verdient."

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… sein Leben in Lissabon

"Als wir ankamen, ist Corona ausgebrochen. Es war anfangs gar nicht möglich, die Stadt zu erleben. Wir haben zunächst etwas außerhalb und abgeschottet in einer 'Gated Community' gelebt. Das, was wir erleben wollten, dieses in Lissabon unter Menschen sein, hat uns anfangs gefehlt. Lissabon ist so bunt, man sagt auch 'Die Stadt des Lichts' und wir haben dann schnell nach einem Haus in unserem Lieblingsstadtteil gesucht. Jetzt genießen wir es noch mehr, hier zu leben. Die Leute sind draußen, die Cafés sind immer voll, die Leute trinken auch mittags ihren Wein, sie sind ein bisschen bequemer. Es ist wunderschön, es herrscht ein tolles Klima, nicht nur bezüglich des Wetters. Die Menschen sind offen und freundlich."

… die Corona-Erkrankung seiner Familie

"Die größte Angst hatten wir um Sarah und unsere Tochter, weil es zu dem Zeitpunkt noch keine Studien gab zu Schwangeren, die COVID hatten. Wir hatten beide starke Symptome und haben uns Sorgen gemacht, weil Sarah auch nicht zum Frauenarzt gehen konnte. Wir waren richtig froh, als wir wieder gesund waren, zum Arzt gehen konnten und alles mit dem Baby in Ordnung war. Der Kleinen geht es gut, sie ist putzmunter, aber die Isolation waren lange zwei Wochen."

… das kuriose Spiel gegen Belenenses

"Ich habe keine Ahnung, wie dieses Spiel überhaupt angepfiffen werden konnte. Die Info, die ich habe, ist, dass Belenenses das Spiel - warum auch immer - nicht verschieben wollte. Wir kamen dorthin und hatten schon ein paar Hintergrundinformationen, weil ein Spieler von uns einen guten Freund bei Belenenses hat. Auf dem Feld war es dann auch mega kruios. Du fängst an, bist mit zwei Spielern in Überzahl. (Belenenses trat aufgrund zahlreicher Corona-Fälle mit nur neun Spielern in der Startformation an, darunter zwei etatmäßige Torhüter, Anm. d. Red.) Wir sind denen normalerweise eh überlegen. Es war auch für uns komisch. Ich habe ein Tor geschossen in dem Spiel, aber wir haben nicht gejubelt. Du hattest schon ein Schamgefühl, aber gleichzeitig auch eine gewisse Verantwortung, weil 5.000 Benfica-Fans im Stadion waren. Du kannst es ja dann auch nicht austrudeln lassen. Wir haben versucht, das Spiel so seriös wie möglich zu Ende zu spielen, aber respektvoll dem Gegner gegenüber. Mit sieben Feldspielern und einem Torwart, der in einem Ligaspiel draußen spielt: Da muss ich mich schon fragen, wie dieses Spiel angepfiffen werden konnte. Nach der Halbzeitpause kamen sie mit noch einem Spieler weniger aus der Kabine, dann wurde die Partie wegen zu weniger Spieler beim Gegner abgebrochen."

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… das Lissabon-Derby

"Man kann es schon ganz gut mit dem Revierderby vergleichen, das Stadtderby ist elektrisierend. Du merkst schon eine Woche vorher in der Stadt, dass dieses Spiel extrem wichtig für die Leute ist. Am Spieltag sind die Straßen dann voll. Als wir mit dem Bus losgefahren sind, sind wir durch eine Sporting-Gruppierung durchgefahren, die gegen unsere Busse gehauen und Pyros gezündet haben."

… die Bedeutung Benficas

"Viele sind überrascht, wenn sie hören, dass der FC Bayern weltweit der einzige Verein mit mehr Mitgliedern ist. Wir sind schon der FC Bayern Portugals. Über uns wird am meisten berichtet, wir haben die meisten Fans im Land. Wenn wir auswärts spielen, sind abgesehen von Partien bei Porto und Sporting immer mehr Benfica-Fans im Stadion. Es kann schon sein, dass sich ein Auswärtsspiel bei einem kleinen Team wie ein Heimspiel anfühlt, weil 70 Prozent der Fans rot sind."

… das Champions-League-Spiel in München

"Ich war stinksauer, dass ich auf der Bank saß. Ich hatte um die 20 Karten für Freunde und Familie organisiert, hätte mich gerne mal wieder in Deutschland gezeigt. Ich hatte zwei Gelbe Karten und nach dem Spiel in München war das Spiel gegen Barcelona, das für unser Weiterkommen entscheidend war. Der Trainer hat es mir erklärt, wobei das mehr eine Diskussion war. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass ich auch ohne eine Gelbe Karte zu bekommen, spielen kann. Im Nachhinein kann man natürlich sagen, dass er recht hatte. Ich bin in Barcelona 14 Kilometer gelaufen, wir haben 0:0 gespielt und sind weitergekommen. In dem Moment war es aber für mich extrem bitter."

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… den Einfluss seiner Tochter auf den Umgang mit dem Profigeschäft

"Meine Tochter hat mich verändert. Natürlich bin ich ein ehrgeiziger Profi, will spielen, gute Leistungen zeigen und gewinnen, aber meine Tochter hat mir dabei geholfen, das große Ganze zu sehen und zu sagen: Okay, du hast ein Scheißspiel gemacht, aber es ist Fußball. Wenn du nach Hause kommst, siehst du dann, wie viel mehr das Leben ausmacht und wie viel wichtiger die Familie ist. Wenn ich nach einem schlechten Spiel nach Hause komme und meine Tochter strahlt mich an, sieht die Welt wieder anders aus.

… die Verarbeitung des Anschlags auf die Mannschaft des BVB und den Angriff auf das Benfica-Team

"Diese Erlebnisse waren krass, natürlich denke ich manchmal daran zurück. Erst letztens habe ich einem Freund, den ich hier in Lissabon kennengelernt habe, davon erzählt. Bei der Attacke auf den Benfica-Bus hört es sich so an, als ob da einfach ein Stein auf den Bus geworfen wurde. Da denkt man sich vielleicht: Was war das für ein Stein? Aber das war wirklich ein richtiger Brocken. Ich saß im Doppeldecker oben und ganz vorne, der Stein ist durch die Scheibe durchgebrochen und zwischen meinen Beinen gelandet. Dadurch habe ich kleine Galssplitter ins Auge bekommen, die dann im Krankenhaus entfernt wurden. Als ich mich damit auseinandergesetzt habe, habe ich mir natürlich auch gedacht: Wenn der Stein meine Beine oder wer weiß was getroffen hätte... Wir waren mit 100 km/h unterwegs, der Stein kam von der Brücke herunter, da kam eine riesige Wucht zusammen. Als ich mir diese Gedanken gemacht habe, wurde mir schon anders, da war ich gedanklich auch wieder in diesem Moment. Da verkrampfe ich dann und merke schon, dass es mich mehr anfasst, als ich manchmal glaube. Diese Erlebnisse haben aber meine Ansicht auf das Profigeschäft nicht verändert. Wenn ich auf der Bank sitze, denke ich mir deshalb nicht: Dann sitze ich halt auf der Bank - Hauptsache, ich kann noch Fußball spielen. Den etwas lockereren Umgang mit solchen Dingen hat eher meine Tochter bewirkt."

… die Bedeutung von Psychologinnen und Psychologen im Fußball

"Wir hatten beim BVB damals psychologische Unterstützung, die ich in Anspruch genommen habe. Ich habe herausgefunden, dass es mir gut tut, darüber zu sprechen. Ich habe es dann meiner Familie und meinen engsten Leuten erzählt. Es war meine Therapie, darüber zu reden. Ich wollte es nicht in mich hineinzufressen, das wäre ein Fehler gewesen. Du kannst es ja gar nicht wegschieben, weil du gefühlt schon am nächsten Tag wieder damit konfrontiert wirst, wenn du in einen Bus steigst. Aktuell bin ich nicht mehr bei einem Psychologen, in der Anfangszeit war es aber gut, herauszufinden, welcher Weg der richtige ist."

"In vielen Vereinen gibt es mittlerweile festangestellte Psychologen und ich finde es richtig gut, dass es das Angebot gibt. Wenn du Rückenschmerzen hast, gehst du zum Physiotherapeuten oder zu einem Arzt. Du lässt jede Verletzung anschauen. Und das Gehirn ist das Wichtigste. Beim Fußball geht sehr viel im Kopf ab - und wenn du im Kopf nicht frei bist und dich nicht gut fühlst, sollst du aber nicht zum Psychologen gehen, weil es früher mal das Bild war, dass du auf einer Couch liegst und heulst? Das habe ich nie verstanden. Ich kann es nur jedem empfehlen. Die Leute sind gut geschult, haben viele Erfahrungen gemacht und können dir eine Richtung vorgeben. Ich kann da nur sagen: Bloß kein Scham. Auch wir Fußballer sind keine Maschinen. In unserem Business macht der Kopf 80 Prozent aus. Wenn du da nicht frei bist, funktionieren die Beine auch nicht."

… seinen Bundesliga-Rekord der meisten Ballaktionen in einem Spiel (216)

"Es wurde mir direkt nach dem Spiel gesagt. Im Spiel habe ich das gar nicht so wahrgenommen. Ich bin sogar in der 83. Minute ausgewechselt worden. Ich habe mir danach gedacht: Hätte ich mal über 90 Minuten gespielt, dann hätte ich noch ein paar Ballkontakte draufpacken können. Da muss ich Thomas Tuchel nochmal anrufen und sauer sein." (lacht)

… seinen Start in Dortmund

"Als ich angekommen bin, kannte mich niemand. Viele dachten, ich wurde für die zweite Mannschaft verpflichtet. Schon eine Woche vor Trainingsstart waren wir in Dortmund, um uns zurechtzufinden. Ich bin dann in den Fanshop gegangen und wollte Trikots für meine Familie kaufen. An der Kasse habe ich gefragt, ob es für Spieler einen Rabatt gibt und die Mitarbeiter meinten dann: 'Wo spielst du denn?' Ich habe gesagt, bei Dortmund. Sie haben dann gefragt, ob ich in der zweiten Mannschaft oder in der A-Jugend spiele. Mich hat wirklich keiner gekannt. Ich kam aus der zweiten Liga. Umso schöner war es, wie es dann Schwung aufgenommen hat. Ich habe das erste Spiel direkt von Beginn an gemacht, im ersten Jahr insgesam über 50 Spiele. Es ging immer weiter, vom ersten Bundesligaspiel bis zum ersten internationalen Spiel. Dieses erste Jahr ist mir extrem in Erinnerung geblieben. Wir haben erfolgreich gespielt. Und in so einem Team plötzlich wichtig zu sein, nachdem man ankam und dachte: Das sind alles Stars und du kommst aus dem Abstiegskampf in der 2. Bundesliga. Ich denke gerne an die Zeit zurück. 

… den Wechsel zum BVB unter Thomas Tuchel

"Für mich war Thomas Tuchel ein ganz wichtiger Trainer in meiner Karriere. Bevor ich mit ihm in Kontakt getreten bin, habe ich mit meinem Berater eher nach Vereinen geschaut, die ein Zwischenschritt gewesen wären. Es gab Kontakt nach Freiburg und Mainz. Das wäre ein Schritt gewesen, bei dem man auch gesagt hätte: Das ist der richtige Schritt von 1860 München, ein kleinerer Verein, bei dem du mehr Spielzeit bekommst. Dann aber hatte ich das Gespräch mit Thomas Tuchel. Erstmal hat er mir erzählt, wer ich als Spieler bin. Das hat mich extrem beeindruckt und mir gezeigt, dass er die Chance sieht, dass ich dort Spiele bekomme. Mir war dann klar, dass ich das versuchen will. Er hat mir in ganz jungen Jahren das Vertrauen gegeben, auch das Vertrauen, Fehler zu machen. Nur so konnte mein Weg so steil verlaufen, sodass ich am Ende meines ersten Bundesligajahres direkt mit zur Europameisterschaft gefahren bin. Das habe ich ihm zu verdanken."