426 Bundesligaspiele stand Frank Rost zwischen den Pfosten. Heute betreibt er eine Pferdezucht und blickt in seiner Freizeit von außen auf den Profifußball. Im Podcast kicker meets DAZN mit Alex Schlüter und Benni Zander schildert er in Folge 102 seine Sicht auf den modernen Fußball, die Nachwuchsarbeit und was dort seiner Meinung nach schiefläuft. Außerdem blicken die drei auf das Nordderby zwischen dem SV Werder Bremen und dem HSV zurück.
Wie jede Woche blicken Alex und Benni darüber hinaus auf das fußballerische Geschehen vom Wochenende zurück.
Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:
Hier kommst du zum KMD-Podcast der letzten Woche mit Carsten Cramer!
Frank Rost in kicker meets DAZN über…
… das Nordderby am Wochenende
"Ich hatte Recht, als ich gesagt habe: Wer den ersten Fehler macht, verliert das Spiel. Die Bremer waren noch in der Kabine, da hat’s schon geklingelt. Insofern war das Spiel meiner Meinung nach dann auch schon entschieden. In der ersten Liga ist die fußballerische Klasse noch da, dass man im Rückstand nochmal etwas lösen kann, aber in der zweiten Liga, da wird dann verteidigt. Häufig reicht die Klasse nicht aus, um Spiele deutlich zu drehen. Die Bremer tun sich sehr schwer mit dem Toreschießen. Insofern war mir klar, dass das Spiel nach dem 1:0 entschieden war."
… die Emotionen im Nordderby
"Mit weniger Zuschauern kommt da nicht so richtig Stimmung auf. Insgesamt ist es eben die zweite Liga. Das ist Existenzkampf. Nicht mehr und nicht weniger. An die Zeiten, wie es einmal war, wird man so schnell nicht anschließen können."
Bild: Imago Images
… seine Erinnerungen an das Nordderby
"Als Bremer muss ich sagen, dass es gegen den HSV immer sehr erfolgreich war. Als Hamburger war es manchmal schwierig. Es sind schöne Erinnerungen. Es waren schöne Spiele und für die Zuschauer war es ein großes Spektakel. An viele Szenen kann man sich heute noch erinnern und davon lebt der Fußball."
… den modernen Fußball
"Die Entwicklung im Fußball geht in eine Richtung, wo nur noch das Geld zählt. Das wird keiner mehr zurückdrehen. Der Fußball muss aufpassen, dass er sich nicht abschafft. Die erste Liga und die Champions League wird immer bestehen, aber darunter wird es verdammt schwer."
… Persönlichkeiten im Fußball
"Ich persönlich glaube, dass wir damals mehr Persönlichkeiten hatten. Heute sind da zwei Mannschaften und da ist alles vom Präsidenten bis zum Ersatzspieler austauschbar. Ich kann mich mit kaum noch jemandem identifizieren. Ich habe mich schon gefreut, als beim vorletzten Spiel des HSV irgendjemand die Verantwortung übernommen hat und David Kinsombi den Elfmeter verwandelt hat. Das war so positiv und wichtig, dass mal jemand etwas ausgestrahlt hat."
Frank Rost in kicker meets DAZN: "Das wird in der Ausbildung direkt unterbunden, sodass Individualität direkt kastriert wird"
… das Problem in den Nachwuchsleistungszentren
"Persönlichkeiten gibt es nach meinem Dafürhalten kaum noch. Das wird in der Ausbildung direkt unterbunden, sodass Individualität direkt kastriert wird. In der Ausbildung sehe ich kaum noch Leute, die früher Persönlichkeiten waren und den Jungs etwas mitgeben können: was erwartet einen, was prasselt da alles auf einen ein? Da wird zu vieles abgeschirmt. Da gehören Leute hin, die das selbst erlebt haben und das glaubhaft vermitteln können. Viele Jugendliche sehen ja erst mit 15, 16 oder 17, wie schwer das wird. Dann kommen sie direkt in den Männerbereich und das behütete Umfeld ist weg. Auf einmal musst du selbst bestehen: mit Kritik von Medien und Zuschauern, die vielleicht gar nicht gerechtfertigt ist. All das hält die jungen Spieler vom Fußball ab und darauf muss man sie einstellen. Sie sollen die Leidenschaft Fußball genießen können, sich aber auf der anderen Seite nicht nur in die Abhängigkeit von anderen geben. Vielen Fußballern würdest du ja am liebsten einen Zettel geben mit den Dingen, die sie jetzt machen müssen. Es ist auch ein Verschulden des DFB, dass man in der Trainerausbildung Charaktere kategorisch abgelehnt hat. Hauptsache man hat das gepredigt, was sie hören wollten."
… seine kurze Erfahrung als Trainer
"Ich habe ein halbes Jahr ehrenamtlich bei Werder Bremen als Unterstützung für die Trainer ausgeholfen. Es ist halt schwierig, wenn ein Torwarttrainer dann zu mir kommt und mir erklärt, wie das Torwartspiel funktioniert. In der Bundesliga erzählen mir zu viele Leute, die nie mit dem Profifußball in Berührung gekommen sind, wie Profifußball funktioniert. Das geht meistens grandios in die Hose."
Frank Rost in kicker meets DAZN: "Frank Baumann ist dieses Nette vielleicht auf die Füße gefallen"
… die Situation bei Werder Bremen
"Die Kaderplanung ist in Bremen schief gegangen. Ich kenne Frank Baumann schon lange und schätze ihn als Mensch, aber dieses Nette ist ihm vielleicht auf die Füße gefallen. Dieses Aussitzen, was heutzutage Usus ist, ist ihm auf die Füße gefallen. Da ist der Fußball auch nur ein Spiegelbild der Politik. Wenn du Dinge, die schwierig sind, nicht aktiv angehst, wenn du nicht den Mut aufbringst, bekommst du Probleme. Wenn du konsequent bist als Sportler, dann musst du anerkennen, dass du es einfach nicht hinbekommen hast. Und dann machst du den Weg frei für andere."
… die Gefahr, dass Bremen in der 2. Bundesliga hängen bleibt
"Du hast in der zweiten Liga ein paar Mannschaften, die spielen da schon seit ein paar Jahren. Wir werden es dieses Jahr wieder erleben, dass es eine Überraschungsmannschaft gibt, die sich da oben festsetzt, weil sie keinen Druck haben. Wenn sie die Großen, die vermeintlichen Aufstiegsfavoriten ärgern können, dann machen die das. Beim HSV, bei Schalke und bei Werder ist natürlich die Erwartungshaltung da, aufzusteigen. Werder Bremen hat durchaus gute Spieler, aber es sieht nicht homogen aus."
… seine Jugend
"Mich hätten sie im Nachwuchsleistungszentrum schon längst aussortiert. Ich wäre denen viel zu unangenehm gewesen. Da muss ich auch mal eine Lanze für die Jungs brechen. Man schottet sich schnell ab und lebt dann in seiner Welt, weil alles, was man sagt, gegen dich verwendet wird. Es ist ein hartes Geschäft. Man muss schauen, dass man die Zeit, die man hat, optimal nutzt. Der Rest darf dich nicht so sehr interessieren."
… seine Karriere bei Bremen
"Ich bin 1992 nach Bremen gegangen, weil ich unbedingt Bundesligaspieler werden wollte. Ich dachte man bekommt da eine Chance mit Leistung. Ich wurde eines Besseren belehrt. Bei Otto Rehhagel musstest du einen grauen Bart haben, damit du drankommst. Am Ende habe ich mich durchgebissen und es hat funktioniert. Da hätten viele glaube ich den Verein schon verlassen. Ich glaube, dass das vielen fehlt, auch mal zwei oder drei saure Jahre mitzunehmen. Da wird heute viel zu schnell die Flinte ins Korn geworfen. 1998/99 sind wir dann Pokalsieger geworden. Das war eine sehr schöne Zeit, aber irgendwann wollte ich auch nochmal etwas anderes machen und bin dann zu Schalke gewechselt."
… seine Zeit bei Schalke 04
"Schalke ist zwar ein sehr cooler Klub, aber die Mannschaft war damals im Umbruch und das hatten wir in Bremen gerade hinter uns. Das habe ich einfach falsch eingeschätzt. Es war trotzdem eine schöne und sehr lehrreiche Zeit. Dann wurde Ralf Rangnick als Cheftrainer von seinem eigenen Co-Trainer gegangen. Ich saß plötzlich auf der Bank und habe mich gefragt, wie es weitergehen soll. Ich habe mich zu jung gefühlt, um das auszusitzen. Ich wollte Fußball spielen."
… der Wechsel zum HSV
"Bis zum 4. Januar wusste ich nicht, ob sich Schalke und der HSV einig werden. Die Spieler des HSV waren da schon ins Trainingslager gefahren. Der damalige Chef Josef Schnusenberg hat da viel Menschlichkeit walten lassen. Er hat durchgesetzt, dass ich gehen durfte und auch Clemens Tönnies, der gesagt hat, dass wir nicht aus allen verdienten Spielern das letzte rausquetschen müssen, hat sein Okay gegeben. Es war Glück für mich, dass ich zum HSV gekommen bin, weil es super gut lief. Ich bin der Überzeugung, dass wir etwas gewonnen hätten, wenn Huub Stevens oder Martin Jol nicht von selbst gegangen wären. Das wäre für diesen Klub schon eine Entlastung gewesen."
… seine Zeit in den USA bei den New York Red Bulls
"Dass ich nie im Ausland gespielt habe, hat mich als einziges in meiner Karriere ein bisschen geärgert. Als sich dann diese Chance geboten hat, die Saison in Amerika zu Ende zu spielen, bin ich im Juli direkt hingeflogen. Von den zwei Monaten war ich gefühlt 1,5 Monate im Flugzeug. Die Zeit war sehr cool. Es macht unheimlich viel Spaß und ich kann es jedem nur empfehlen. Amerika hat bei all seinen Problemen auch viele Vorteile. Du kannst da sehr frei leben. Die Liga ist gar nicht so schlecht, wie das manche glauben. Sie ist unwahrscheinlich physisch. Die Spieler sind robust und schnell, die Stadien sind gut. Man muss nur ein bisschen weite Strecken zurücklegen. Am Ende habe ich mich geärgert, dass ich nicht noch ein Jahr drangehängt habe."
… eine potenzielle Rückkehr in den Profifußball
"Ich glaube das habe ich abgeschrieben, weil ich meine Energie jetzt hier in meine Sache investiere. Ich kann nur eine Sache zu 100 Prozent machen. Ich beschäftige mich aktuell nicht damit. Ich schaue es mir an, aber ich lasse mich da nicht mehr so drauf ein. Ich habe genug andere Dinge zu erledigen. Im Fußball lebst du in einer Scheinwelt, in der alles sehr goldig aussieht. Im normalen Leben ist es schon ein Stück schwerer, Geld zu verdienen und die Dinge zu deiner Zufriedenheit geregelt zu bekommen. Der Umgang mit Tieren macht mir extrem viel Spaß. Jeden Tag lernt man unheimlich viel dazu und deshalb gibt es für mich keinen Grund etwas daran zu ändern."