Lukasz Piszczek wurde 2011 und 2012 mit Borussia Dortmund deutscher Meister, drei Mal gewann er den DFB-Pokal. 2013 stand er mit dem BVB im Finale der Champions League. Heute spielt der Rechtsverteidiger, der eigentlich als Stürmer Profi wurde, in der vierten polnischen Liga bei seinem Heimatverein. Welche Parallelen er zwischen seiner schlesischen Heimat und dem Ruhrgebiet sieht, verrät er Alex Schlüter und Benni Zander.
Die beiden Moderatoren von kicker meets DAZN sprechen mit Piszczek über seine Profikarriere mit schwierigen Anfängen, Verletzungen und einen ungeliebten Positionswechsel, der ihm seine Karriere aber erst so richtig ermöglicht hat.
Zusätzlich zum Interview besprechen Alex und Benni das vergangene Fußballwochenende in der Bundesliga. Einen besonderen Platz in dieser Folge hat der SC Freiburg, der am Wochenende zum letzten Mal im Dreisamstadion gespielt hat. Mit kicker-Reporter Carsten Schröter-Lorenz analysieren sie den guten Start der Freiburger in diese Saison.
Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:
Lukasz Piszczek über…
… das Ausklingen seiner Karriere
"Ausklingen ist nicht das richtige Wort. Ich spiele hier zum Spaß für meinen Heimatverein. Meine Karriere habe ich in Dortmund beendet. Hier mache ich jetzt das, was ich möchte. Es ist aber immer noch anstrengend. Von der Laufleistung und der Intensität sind die Spiele für mich wie die Bundesliga. Ich arbeite auf dem Platz."
… die Gegner in der vierten polnischen Liga
"Die Gegner sind motiviert gegen mich, aber der Umgang ist fair. Ich bin froh, dass alles normal läuft. Ich will normal behandelt werden auf dem Platz, wie jeder Spieler. Bis jetzt läuft das so."
… seine Karriere, den Beginn und das Ende bei LKS Goczalkowice-Zdroj
"Mein Papa hat hier gespielt als er jung war und ist jetzt Vize-Präsident. Als ich ganz klein war habe ich hier angefangen. Als ich 14 war, ging mein Weg in die Fußballakademie zu Gwarek Zabrze. Danach hat mit 19 Jahren meine Profikarriere begonnen. Erst einmal hat mich Hertha gekauft und dann sofort zu Zaglebie Lubin ausgeliehen. Nach drei Jahren bin ich in die Bundesliga zurückgekommen und nach 14 Jahren bin ich jetzt wieder hier."
… den Kontrast zwischen Bundesliga und vierter polnischer Liga
"Ich war die gesamte letzte Saison schon mit der Mannschaft unterwegs, wenn Nationalmannschaftspausen waren. Ich war auch bei Auswärtsspielen dabei. Ich kenne die Liga. Ich sehe das nicht so, dass ich jetzt aus dem großen Stadion in Dortmund in das kleine Stadion komme. Mit Mats Hummels und Marcel Schmelzer habe ich auch darüber gesprochen und ihnen erklärt, dass es wie ein Pokalspiel ist. Inzwischen ist es normal für mich."
… Interviews
"In meiner Zeit bei Dortmund und in der Bundesliga habe ich Interviews nicht gemocht. Ich wollte mich auf den Fußball konzentrieren. Wenn ich Interviews machen musste - also einmal im halben Jahr - dann habe ich es gemacht, aber ich mochte es nicht. Jetzt in Polen habe ich das glaube ich seit meiner Rückkehr alles nachgeholt."
… seine Anfänge beim BVB
"Ich bin nach Dortmund gekommen und hatte direkt eine Verletzung. Das war nicht so einfach für mich. Ich war neu und wollte mich zeigen, aber in der ganzen Vorbereitung konnte ich nicht mitmachen. Es war für mich die größte Geschichte, dass ich nach einem Abstieg ein Jahr später deutscher Meister war. Das war phänomenal für mich persönlich. Wir hatten auch charakterlich eine großartige Mannschaft in den nächsten Jahren."
… die erste Meisterfeier mit Dortmund
"Ich habe die Feier immer noch vor Augen, wie wir im Taxi von den Fans gefeiert wurden. Das ist vor zehn Jahre gewesen und ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Nach dem Spiel gegen Nürnberg ist das Stadion explodiert. Auch die Momente, als wir mitbekommen haben, dass Leverkusen in Köln hinten liegt, habe ich immer noch in meinem Kopf. Vor ein oder zwei Jahren hatten wir ein Treffen mit den Kollegen von damals und da wurden diese Szenen auch gezeigt. Das vergisst man nie. Ich bin froh, solche Momente erlebt haben zu dürfen."
… Erling Haaland und Robert Lewandowski
"Sie sind nicht gleich, aber sie haben die gleiche Mentalität. Sie möchten Tore schießen. Robert brauchte am Anfang etwas Zeit. Er kam ja auch aus der polnischen Liga, wo das Niveau etwas niedriger ist. Jetzt spielt er seit Jahren auf so hohem Niveau. Das hat Erling noch vor sich. Er hat schon unglaublich viele Tore geschossen. Wenn er gesund bleibt, wird er in den nächsten Jahren der Top-Stürmer sein. Die Gesundheit ist bei Lewandowski wirklich beeindruckend, weil er die ganze Zeit durchspielt. Immer wenn er gebraucht wurde, war er auf dem Platz."
… seinen Positionswechsel
"Dieser Positionswechsel hat meine Karriere gerettet. Wenn ich weiter Stürmer geblieben wäre, wäre ich vielleicht schon zehn Jahre früher in meine Heimat nach Polen gegangen. Ich wollte das am Anfang bei Hertha unter Lucien Favre nicht. Auch Jürgen Klopp hat mir gesagt, dass er weiß, dass ich gerne offensiver spielen wolle, aber ich wäre als Backup für Patrick Owomoyela geholt worden."
… das erste Spiel als Rechtsverteidiger
"Wir hatten ein Spiel gegen eine Mannschaft aus der siebten oder achten Liga. Der Trainer kam mit der Tafel, um zu zeigen wer wo spielt, und da habe ich gesehen, dass ich als Rechtsverteidiger spiele. Davor hat er gar nicht mit mir gesprochen. Ich habe zu ihm gesagt, dass das vielleicht ein Fehler sei. Es lief nicht so schlimm, aber dann kam leider meine erste Hüftverletzung. Ich war ein halbes Jahr weg. Nach der Verletzung habe ich Spielpraxis bei der zweiten Mannschaft der Hertha gesammelt. Dort habe ich im Sturm gespielt und in drei Spielen fünf Tore geschossen. Danach in der Bundesliga habe ich im linken Mittelfeld gegen Hoffenheim gestartet. In dem Spiel hat sich unser Rechtsverteidiger verletzt und nach einer Viertelstunde habe ich dann dort gespielt. Nach dem Spiel hat mir der Trainer gesagt, dass ich jetzt vielleicht bis zum Ende der Saison dort spielen muss. Nach der Saison waren wir bei einem Essen und ich habe dem Trainer gesagt, dass es mir leidtue, aber in der nächsten Saison wolle ich wieder vorne spielen. Er hatte eine andere Meinung und ich habe wieder als Rechtsverteidiger angefangen. Damals war mein Widerstand noch da."
… die Parallelen zwischen Dortmund und Polen
"Schon nach der zweiten Saison bei Dortmund habe ich ein Interview gehabt, in dem ich gesagt habe, dass ich mir ein Karriereende in Dortmund vorstellen könne. Das habe ich nicht nur so gesagt. Ich habe mich sehr wohl dort gefühlt. Ich habe gewusst, dass die Borussia der Verein für mich ist. Das war so wie in Schlesien hier in Polen. Das Ruhrgebiet ist vergleichbar. Dortmund und Polen waren für mich fast gleich. Ich bin nicht der Mensch, der immer seinen Wohnort wechseln möchte. Ich wollte damals nicht einmal aus Berlin weg, obwohl wir abgestiegen sind. Dann hat sich Dortmund bei mir gemeldet und wenn so ein Verein kommt, muss man hingehen. Lucien Favre hat gesagt, ich solle zu Fuß nach Dortmund gehen. Dortmund und meine Person, mein Charakter, das hat am Ende sehr gut gepasst."
… Jürgen Klopp
"Jürgen Klopp war sehr offen im Umgang mit uns. Vor jedem Training saßen wir gemeinsam in der Kabine und er hat gesprochen, nicht nur vom Training, sondern auch vom Leben. Er war unser Lehrer. Das hat man auch gesehen bei dieser jungen Mannschaft. Wir haben alle hingeschaut und zugehört, außer vielleicht Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller. Sie waren älter. Ich war damals 24 und trotzdem fast der älteste."
… das Ende der Klopp-Ära in Dortmund
"Nach drei oder vier intensiven Jahren gab es ein paar Wechsel in der Mannschaft. Mario Götze ging zu den Bayern damals. Das war der größte Bruch in der Mannschaft, weil uns das erste Mal gezeigt wurde, dass wir nicht für immer die gleiche Mannschaft bleiben werden. Für uns war das natürlich auch ein Schock, weil wir dachten, was könne uns schon passieren, wenn wir weiter so zusammen Fußball spielen. Aber jeder ist für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich. Mario wollte damals zu Pep Guardiola wechseln. Diese intensive Zeit hat uns allen, auch dem Trainer und der Mannschaft, viel Energie und Kraft gekostet. Dass ein Bruch kam, musste irgendwie auch so sein. Das war normal. Am Ende der Saison haben wir uns trotzdem für den Europapokal qualifiziert. Schade, dass sich der Trainer entschieden hat, diesen Weg nicht weiterzugehen."
… seine Verletzungen und das Zitat "Ihr wisst gar nicht, wie kaputt ich bin"
"Wegen solcher Zitate wollte ich gar keine Interviews geben. Das war in meiner letzten Saison. Nach dem Spiel hat mich ein Journalist gefragt, ob ich noch weitermache. Da habe ich im Scherz gesagt: "Du siehst doch, wie kaputt ich bin." Am Ende meiner Karriere ist noch so ein Zitat rausgegangen, dass ich nie so gemeint habe. Klar ist, dass jeder Profi im Sport Verletzungen hat. Selbst Lewy hat seine Knieprobleme gehabt. Meine Hüften sind dafür prädestiniert, dass sich dort etwas bildet durch die hohe Belastung. Nach der Operation war dann zum Glück wieder alles gut. Die zweite Operation war leider nicht so leicht, weil ich auch eine Knorpelverletzung hatte. Das war damals eine 50/50-Sache, ob ich noch Fußball spielen kann oder nicht. Jetzt fühle ich mich gut. Ich kann jeden dritten Tag 90 Minuten Fußball spielen. Mir macht es noch Spaß und ich mache es so weit, wie es mein Körper noch zulässt. Momentan fühle ich mich gut."
… ein mögliches Abschiedsspiel beim BVB
"Momentan gibt es nichts Konkretes. Das hängt auch von der Pandemie ab. Das muss man erstmal abwarten. Ich denke, wenn der richtige Zeitpunkt kommt, wird so ein Spiel stattfinden. Dafür werde ich mich fit halten."
… die Trainerkarriere nach der Spielekarriere
"Viele Leute fragen mich, aber ich möchte erst noch ein paar Dinge ausprobieren. Wenn ich sehe, dass ich Adrenalin brauche im Fußball, dann kann ich mir das vorstellen. Momentan ist das noch weit weg. Ich kenne den Job. Ich habe viele Trainer erlebt. Ich habe gesehen, wie viel Energie das kostet. Wenn du Spieler bist, kümmerst du dich um dich selbst. Wenn du Trainer bist, musst du dich um das ganze Drumherum kümmern. Das ist nicht ganz so einfach. Aber wenn ich darauf Lust bekomme, mache ich das vielleicht auch."