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Lutz Michael Fröhlich exklusiv im KMD-Podcast: "Die Kommunikation finde ich oft zu populistisch und negativ"

Lutz Michael Fröhlich exklusiv im KMD-Podcast: "Die Kommunikation finde ich oft zu populistisch und negativ"DAZN
Lutz Michael Fröhlich ist zu Gast bei kicker meets DAZN und zieht ein Fazit zum bisherigen Saisonverlauf. Er verrät, was er bei der Diskussion und im Umgang mit dem VAR vermisst, bezieht konkret Stellung zu zwei kontroversen Szenen und kündigt baldige Änderungen an.

Auch im sechsten Jahr seit der Einführung steht der Video Assistant Referee in der Bundesliga im Fokus der Schiedsrichterdiskussion. Ob nicht gegebene Strafstöße, zurückgenommene Tore oder undurchsichtige Handspiel-Entscheidungen: Gefühlt kaum ein Fettnäpfchen, das der VAR auslässt. Fans, Verantwortlichen und Spielern ist er längst ein Dorn im Auge. 

Dabei kommt die gute und wirksame Arbeit des VAR viel zu kurz. Das zumindest betont Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich im Gespräch mit Benni Zander und Alex Schlüter im Podcast kicker meets DAZN . Fröhlich ist die Debatte um den VAR viel zu kurz gegriffen und die Kommunikation darüber vor allem unmittelbar nach Abpfiff viel zu plump. Er wünscht sich mehr konstruktiven Austausch und Fehlertoleranz, statt Geschimpfe am Seitenrand und Mikrofon. 

Dabei blickt Fröhlich nicht darüber hinweg, dass weiter am VAR gearbeitet werden muss. So wird geplant, dass künftig feste Schiedsrichterteams gebildet werden sollen, um die Kommunikation und die Arbeit miteinander zu vereinfachen. Außerdem werden alsbald vermehrt Ex-Profis in die Arbeit mit dem VAR eingebunden. 

Das alles kündigt Fröhlich in KMD #148 an. Darüber hinaus erklärt der 65-Jährige, welche Probleme es bezüglich der VAR-Bilder im Stadion gibt und warum ein Schiedsrichter Probleme damit haben könnte, Entscheidungen live auf dem Feld zu erläutern. Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:

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Lutz Michael Fröhlich über ... 

… die Aufarbeitung eines Bundesliga-Spieltags 

"Am Montagmorgen haben wir unser Abschlussmeeting zum gesamten Spieltag mit den sportlichen Leitern der einzelnen Ligen (Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga, Anm.) . Da werden alle Spiele durchgesprochen, nicht die gesamten 90 Minuten, aber alle wichtigen Situationen aus den Spielen und unsere Auffassung dazu. Dann geht es am späten Nachmittag an die Formulierung von Texten: Erklärungen und Erläuterungen zu einzelnen Spielszenen, die wir im Laufe der Woche an die Schiedsrichter weiterleiten. Das entfällt diese Woche, stattdessen starten wir morgen mit der Aufarbeitung der gesamten Hinrunde, haben dazu ein Strategiemeeting, wie wir ab nächster Woche weitermachen. Das weicht vom Normalablauf etwas ab."

… das Fazit für das Halbjahr 2022/23

"Das Halbjahr war nicht ganz zufriedenstellend für alle Beteiligten. Wir sind aber auch ein bisschen infiziert von der öffentlichen Stimmung, die dazu herrscht. Die hat sich im Laufe der Saison recht schnell aufgebaut und ist nicht mehr abgeflacht, sodass fast an jedem Wochenende irgendwelche Schiedsrichterentscheidungen im negativen Fokus standen. Das ist nicht schön, aber es ist eine schöne Aufgabe für die nächsten Monate, das aufzuarbeiten. Und wenn man eine Grundreinigung macht, kriegt man vielleicht einen guten Impuls, dass es 2023 besser wird."

… die Kommunikation mit den Vereins-Verantwortlichen

"In erster Linie ist es eine Kommunikation aus der Betroffenheit heraus. Die ist dann sehr kritisch. Manchmal gibt es Verständnis in der Sache, manchmal weniger, da ist die Betroffenheit dann so dominant, dass man mal nicht auseinandergeht und sagt: alles wieder gut. Sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, gehört zum Job dazu. Das ist anstrengend, aber auch ganz wichtig. So können sich die Betroffenen mit den Verantwortlichen auseinandersetzen und wir zum Teil auch sagen: Stimmt, das war nicht gut gelöst. Manchmal gibt es aber auch Entscheidungen, die regelkonform sind und so passen. Das hilft dem Betroffenen dann aber nicht und deshalb ist es schlecht. Aber auch das ist normal."

… Gladbachs aberkannten Ausgleichstreffer gegen Bochum

"Wir sehen solche Situationen auch immer mit Verständnis aus der Sicht der Betroffenen. Das macht es schwer, eine Entscheidung, die vom Regeltext klar definiert ist, rüberzubringen. Erschwerend kam in diesem Fall dazu, dass man irgendwo in dem FIFA-Regelpaket eine Referenzszene hatte, die sehr ähnlich war, zu der aber international und auch bei der UEFA im Nachgang eine Korrektur erfolgt ist, die nicht weiter kommuniziert wurde. Darauf haben sich dann einzelne Leuten berufen. Es war eine schwierige Geschichte, wir sehen auch die Regelauslegung diskussionswürdig. Aber wir können nicht grundlegend abweichen von internationalen Standards."

… die Aufarbeiten zum nicht gegebenen Elfmeter für Frankfurt gegen Dortmund

"Die Entscheidungslage war relativ klar. Die Entscheidung, keinen Strafstoß zu geben, war falsch, es war ein Strafstoß. Deswegen braucht man in so einem Fall gar nicht so viel mit den Schiedsrichtern zu arbeiten. Allerdings ist es wichtig, dass man auf die handwerklichen Fehler hinweist und es so vermittelt, dass man die betroffene Person nicht blamiert. Für sie ist es schwer genug, damit fertigzuwerden. Videoreferee und Assistant Videoreferee haben einen Monitor mit dem Programmbild und einen mit zig Perspektiven. Einer der beiden sollte immer beim Programmbild bleiben, denn es hat häufig eine Perspektive, die einen Vorgang ganz simpel aufklären kann. Das war der handwerkliche Fehler in der Situation. Das kann passieren, das ist menschlich und bringt auch eine Menge Ärger. Aber man muss dran arbeiten, dass das nicht mehr passiert."

… feste Schiedsrichter-Teams

"In festen Teams rauszugehen, hat bei den Feld- und Linienrichtern schon gut geklappt. Das bessert die Kommunikation. Das hat auch was mit der Einstellung zu bestimmten Spielvorgängen zu tun. Man muss keine großen Erklärmuster suchen, sondern das ergibt sich in festen Teams zu einem Automatismus. Wir sind schon längere Zeit auf dem Weg, es ist noch nicht voll ausgereift. Vielleicht können wir es zur Rückrunde ausweiten, in der nächsten Saison wollen wir es als Standard setzen."

… die Anzahl an VAR-Eingriffen

"Das ist etwas unausgewogen. Wir vermissen einige Interventionen des VAR in unserer Statistik, wie zum Beispiel im Spiel der Dortmunder in Frankfurt. Da stehen wir bei zehn (vermissten, Anm.) Eingriffen nach 15 Spieltagen, das ist viel und mehr als in den letzten Jahren. Andererseits haben wir in erster Linie auch einige Strafstoß-Situationen, wo man nicht unbedingt reingehen musste, um den Vorgang zu klären.

Lutz Michael Fröhlich DFB Schiedsrichter Bundesliga 15112022

… die Abschaffung des VAR seitens des DFB

"Natürlich kann man auch ohne VAR weiter Fußball spielen. Das ist im Gesamtkontext aber nicht realistisch. Und ich finde es auch nicht sinnvoll. Wir reden von den Dingen, die nicht laufen, das ist geballt. Die Dinge, die gut gelaufen sind und was dadurch alles bewirkt wird, die werden im Moment völlig außer Acht gelassen. Es ist gerade ein Negativ-Hype, auch durch den Saisonverlauf bedingt. Da muss man gegensteuern. Außerdem muss zum Thema Videoassistent Image-Arbeit betrieben werden."

… den Umgang mit dem VAR

"Es ist wichtig, dass wir uns mit den Trainern unterhalten und an sie herankommen. Um mit ihnen zu besprechen, dass man die Dinge, trotz all des Drucks, gerade in der Erstkommunikation vielleicht erstmal außen vor lässt, eine Nacht drüber schläft, oder aber sachlich konstruktiv eine Meinung darlegt. Häufig hört man im ersten Moment: Das sieht doch jeder, stampft den VAR ein. Die Kommunikation nach dem Spiel finde ich oft zu populistisch und zu negativ.

… das Fremdeln mit dem VAR

"Das geht allen so, die lange Fußball gespielt haben oder lange im Fußball tätig waren. Aber man muss Veränderungsprozesse positiv begleiten. Das ist die Zukunft. Wenn ich sehe, was jetzt bei der Weltmeisterschaft passiert, wie da technisch aufgerüstet wird: Halbautomatische Abseitstechnologie, wie viele Kameras installiert sind, wie da das VAR-Setup ist, das ist personell doppelt so stark aufgestellt wie unseres. Dem muss man sich stellen. Und im Umgang und der Kommunikation miteinander nicht alles verteufeln, sondern ein bisschen entspannter herangehen. Die Kritik betrifft ja nicht ausschließlich den VAR, sondern auch alles drumherum. Wenn es mal funktioniert, hätte es der Schiedsrichter auf dem Platz sehen können. Schiedsrichter auf dem Platz werden angeblich immer schlechter, deswegen muss der VAR häufiger eingreifen. Dann dauert es zu lange. Das Thema, dass man sich nicht mehr sofort über ein Tor freuen kann. Das sind alles kleine Bausteine, die in einer schlechten Phase aufgebaut werden. Dann ist man am Rande der Ohnmacht und fragt sich: Was macht man jetzt, um das Thema wieder positiv zu befeuern? Das ist total schwierig."

… VAR-Bilder im Stadion

"Die Einspeisung des Materials endet dort, wo das Stadion beginnt. Dort ist der Klub der Hausherr und dafür verantwortlich, was mit dem Material passiert. Da besteht bislang noch keine Einigung. Vielleicht müsste man da nochmal anders oder größer, visionärer denken. Vielleicht schafft man eine Möglichkeit, dass jeder im Stadion die Situation per App sehen kann. Das ist dann aber auch wieder eine Frage der Rechteklärung. Das ist ein langer Entwicklungsprozess."

… die Idee, Feldschiedsrichter ihre Entscheidungen live erläutern zu lassen

"Da wird ja häufig der Vergleich zum American Football gezogen. Das ist schon ein anderer Sport. Da dominieren Spielunterbrechungen und implizierte Werbepausen. Da ist die konditionelle Herausforderung etwas anders. Ich stelle mir einen Schiedsrichter vor, der minutenlang hin- und herrennen muss, weil das Spiel so schnell ist, dann muss er raus und eine Situation erläutern. Das gilt es zu bedenken. Dann sind manche Schiedsrichter nach wie vor traditionell unterwegs und wollen nicht in den Vordergrund rücken, unauffällig bleiben. Die haben vielleicht Berührungsängste. Kann man sicherlich alles irgendwie hinbekommen, aber im Moment ist das noch nicht so weit."

… Kontinuität im Regelwerk

"Vor drei oder vier Jahren gab es innerhalb von zwei Jahren fast 100 Regeländerungen, alle mehr oder weniger bedeutsam. Seitdem kommen einige nicht mehr hinterher. Selbst wir haben Probleme. Gerade im Handspielbereich, da wurde hin- und hergebaut. Ich kann die Intention des IFAB verstehen, die sind auch moderner geworden und nehmen Input auf. Die versuchen dann, Baustellen zuzumachen. Aber erfahrungsgemäß ist es so: Machst du eine Baustelle im Regelwerk zu, ergibt sich irgendwo eine neue. So ein Regelwerk und der Sport selbst wird auf Dauer nur akzeptiert, wenn eine Kontinuität besteht."

"Die Hinserie im Herbst ist traditionell sehr anstrengend, insbesondere für die internationalen Schiedsrichter. Im Sommer sollte Pause sein, da beginnen aber schon viele Qualifikationsrunden. Dann kommt die intensive Gruppenphase, jede Woche ist ein Spieltag in der Champions League, Europa League oder Conference League, die jetzt noch neu dazu kam. Zwischendurch sind Pausen, da finden aber Länderspiele statt. Die Hinrunde ist eine extreme Belastung. Das ist der Grund, weswegen uns teilweise die Hände gebunden sind. Wenn du ein Topspiel am Freitag hast und deine Top-Leute waren alle unter der Woche international unterwegs, dann kommst du bei der Ansetzung an Grenzen. Manche Schiedsrichter melden sich dann auch. Wir haben die Vereinbarung: Wenn es zu viel wird und sie eine Pause brauchen, sollen sie Bescheid sagen."

… einen Workshop mit Ex-Profis 

"Das ist eine Initiative, die Jochen Drees maßgeblich begleitet. Was wir jetzt herausarbeiten, was wir 2023 besser machen wollen, das werden wir als Grundlage mit denen besprechen, um ein Meinungsbild zu haben. Auch wenn wir grundsätzlich auch jetzt schon mit vielen Experten, ehemaligen Spieler und Sportdirektoren im Austausch sind. Aber das ist dann eher ein Spontandialog und kein geplanter, konstruktiver Workshop, wo man versucht, die Dinge einheitlich zu gestalten."