KOLUMNE
Zu meiner Zeit bei der TSG 1899 Hoffenheim war ich als Mann für internationale Beziehungen und Scouting viel in Spanien unterwegs. So lernte ich irgendwann Monchi kennen, der zwischen 2000 und 2017 sowie seit April 2019 beim FC Sevilla als Sportdirektor federführend für die Kaderplanung verantwortlich ist.
Heutzutage zählt Monchi zu meinen wichtigsten Ansprechpartnern im internationalen Bereich. Wenn man im Fußballgeschäft tätig ist, braucht man immer wieder zweite Meinungen von Personen, die zum Beispiel an gewissen Spielern näher dran sind als man selbst. In Deutschland vertraue ich da primär auf die Expertise von Fredi Bobic und Alexander Rosen, international sind es vor allem Txiki Begiristain von Manchester City und eben Monchi, die ich bei gewissen Themen um Rat frage.
Monchi gehört für mich weltweit zu den besten Sportdirektoren überhaupt. Besonders beim FC Sevilla hat er es immer geschafft, die Stimmung zwischen Umkleidekabine, Management und Trainerteam perfekt zu regeln.
Das mag banal klingen, es gibt aber viele Vereine, auch auf absoluten Top-Niveau, in denen etwa Spieler verpflichtet werden, von denen das Management überzeugt ist – aber nicht der Trainer. Auch ich habe solche Transfers als Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf schon vollzogen. Ich würde sogar behaupten: Solche Transfers sind die Regel. In einem komplexen Gebilde wie einem Fußballverein ist es eben unheimlich schwierig, mit allen wichtigen Parteien einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Monchi allerdings achtet bei jedem Transfer darauf, dass der Spieler sportlich wie menschlich auf allen Ebenen ins große Ganze passt. Er würde also keinen Spieler verpflichten, der sich zwar mit Sevilla, aber nicht mit dem aktuellen Trainer identifizieren kann. Ein solches Gebaren ist im Fußballgeschäft ganz selten – und quasi sein Geheimrezept. So verpasst er vielleicht den einen oder anderen vielversprechenden Transfer, sorgt aber für die wohl größtmögliche Harmonie. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das unglaublich gute Recruitment- und Scoutingteam, das Monchi in all den Jahren beim FC Sevilla aufgebaut hat.
Man muss dazu wissen, dass Sevilla zwischen 1997 und 2001 in drei von vier Saisons in der Segunda Division vertreten und somit eine stinknormale Zweitligatruppe war. Monchi stieg mit dem Klub nicht nur in seiner ersten Saison als Meister auf, er machte aus Sevilla auch einen international bekannten und gefürchteten Verein mit einem strahlenden Namen, den Dauersieger in der Europa League. Seit dem Aufstieg im Jahr 2000 erreichte Sevilla jede Saison einen einstelligen Tabellenplatz, allein das ist beachtlich.
Wichtig ist in diesem Zuge die Philosophie, die Monchi in Andalusien etabliert hat: das mobile 4-3-3, das bei Ballbesitz immer wieder zu einem 3-4-3 mutiert. Ähnlich wie beim FC Barcelona ist der Fußball von der Jugend bis zu den Profis auf dieselben Prinzipien ausgelegt. Dabei geht es um ein hohes Pressing in allen Mannschaftsteilen. Schlüssel zum Erfolg ist, dass Coach Julen Lopetegui größten Wert auf mannschaftstaktische Werte legt. Der gesamte Kader funktioniert - nicht nur die erste Elf. Und nach diesen Prinzipien sucht Monchi auch die Trainer aus. Der Coach muss immer zur Philosophie des Klubs passen – nicht andersherum.
Quelle: imago images / Miguelez
Welch ein überragendes Auge Monchi hat, zeigen allein die Spieler, die er groß gemacht beziehungsweise verpflichtet hat. Da sprechen wir über Dani Alves, Ivan Rakitic, Julio Baptista, Seydou Keita, Grzegorz Krychowiak, Adriano, Kevin Gameiro oder Wissam Ben Yedder. Wenn man Monchi nach seinem besten Transfer fragt, würde er Alves nennen. Ihn hat er zum Spottpreis von rund einer Million Euro vom Esporte Clube Bahia geholt und sechs Jahre später für rund 36 Millionen Euro an den FC Barcelona weiterverkauft.
Grundsätzlich kann man sagen, dass es Teil der Klubphilosophie ist, Spieler zu verpflichten, die unter dem Radar schwimmen, diese besserzumachen und teuer weiterzuverkaufen. Wenn er alle Spieler bekommen hätte, um die er sich bemüht hat, dann hätte Sevilla mit Sicherheit alle möglichen Titel gewonnen. Der Klub war allerdings im nationalen Vergleich gegen Real, Barca und Atletico sowie die den frühen Nullerjahren auch gegen den FC Valencia stets im Nachteil.
Wie gut Monchi in seiner Rolle als Sportdirektor tatsächlich ist, zeigen insbesondere zwei Spieler, die er unbedingt verpflichten wollte, letztlich aber nicht bekommen hat. Der brasilianische Linksverteidiger Marcelo war im Januar 2007 vor seinem Wechsel von Fluminense zu Real Madrid mit Sevilla bereits einig. Er saß im Flieger nach Andalusien und wurde Monchi im allerletzten Moment von den Königlichen weggeschnappt.
Zudem wollte Monchi 2004 einen gewissen Robin van Persie von Feyenoord Rotterdam verpflichten. Auch hier sah es gut aus - bis Arsenal mit finanziell und sportlich größeren Möglichkeiten dazwischengrätschte.
Die Zeit bei der Roma allerdings zeigte auch, dass nicht alles reibungslos klappen kann. Es war eine Zeit, die Monchi am liebsten vergessen würde. Arsenal versuchte, ihn dieses Jahr in die Premier League zu locken. Vergeblich, denn sein Herz schlägt für den FC Sevilla.
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