Marco Rose und Michael Ballack haben n der Sachsenauswahl in der Jugend zusammengespielt. In der neuesten Folge des Podcasts kicker meets DAZN erinnern sich die beiden an ihre Anfänge in der ehemaligen DDR.
Zudem sprechen sie mit den Moderatoren Alex Schlüter und Benni Zander über die Veränderungen im Fußball und die Anforderungen an einen Trainer sowie an einen Kapitän in einer Mannschaft.
Hier gibt es die besten Aussagen auf einen Blick. Die komplette Folge kicker meets DAZN gibt es wie immer überall zu hören, wo es Podcasts gibt.
Rose über erste Treffen mit Michael Ballack: "Wir haben in der Jugend gegeneinander gespielt. Ich bei Lok Leipzig und Balle (Michael Ballack, Anm. d. Red.) bei Karl-Marx-Stadt und wir haben unter Manfred Kupferschmied in der Jugend in der Sachsenauswahl gespielt.
Rose mit über eine gemeinsame Zeit in der Sachsenauswahl: "Es gab damals die Länderturniere in Duisburg. Balle war unser Fixstern und bester Spieler. Ich war nur froh, dass ich überhaupt dabei war und kam einmal von der Bank in ein Spiel. Dann kam alles zusammen. Ein Foul von mir zwei Meter außerhalb des Strafraums hat der Schiedsrichter in den Sechzehner verlegt. Es gab Elfmeter, der Gegner drehte die Partie und dann hat der Manfred wieder ausgewechselt. Also ich war weit weg von der Nationalmannschaft.”
Rose über seine Fußballerfamilie: "Mein Opa war ein großer Fußballer hier in Leipzig, der in den 40er Jahren ein Länderspiel für Deutschland gemacht hat. Mein Vater war eher die Kategorie "Hau drauf”, der war immer der lauteste auf dem Platz. Durch ihn habe ich die meiste Zeit meiner Jugend auf den Fußballplätzen verbracht und bin durch die Vereinsheime gekrochen. Den Geruch der "Schlangengift”-Salbe, mit der sich Spieler einrieben, damit ihnen warm wird, werde ich nie vergessen. Mein Vater hat mich dann aber auch zu meinen Spielen begleitet. Wenn ich am Boden lag, sagte er, ich solle aufstehen, ansonsten hat er mich in Ruhe gelassen.”
Ballack über Fußball gucken in der DDR: "Die DDR-Oberliga war präsent und natürlich dein Heimatverein. Für mich war die Bundesliga ganz weit weg, weil sie in den Medien auch nicht präsent war. Wenn eine Antenne mal vielleicht in den richtigen Wind gedreht wurde, hast du vielleicht mal ein krisseliges ZDF-Bild reinbekommen, aber das war damals Luxus.”
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Michael Ballack: "Ich habe auch in Bremen-Bettwäsche geschlafen”
Ballack über Werder Bremen: "Ich war wie Marco riesiger Fan von Werder. Als wir 13 oder 14 Jahre alt waren, hatten wir nach der Wende Zugang zu Panini-Bildchen, diese Sticker und Autogrammkarten. Das gab es in der DDR nicht in dieser Form, in der Bundesliga aber schon. Das habe ich gesammelt und dafür extra Vereine angeschrieben. Bremen hatte damals die großen Namen mit der Ikone Otto Rehhagel, Wynton Rufer oder Rune Bratseth. Ich habe auch in Bremen-Bettwäsche geschlafen.”
Ballack über Autogramm-Anfragen an die Bundesliga-Klubs: "Da kam dann unterschiedlich viel zurück. Ich kann mich erinnern, dass Bayern München sehr aktiv war. Damals war noch Opel Sponsor und die Spieler wurden für die Autogrammkarten vor den Autos positioniert. Aber auch von Kaiserlautern und Werder Bremen hatte ich unglaublich viele Autogrammkarten.”
Rose über die Ausbildung in der DDR: "Das System war schon durchdacht und gut. Deswegen gab es in der kleinen DDR viele gute Fußballer, die am Ende rausgekommen sind. Es ging schon sehr früh leistungsorientiert los. Wir mussten in der Halle Tests machen mit Torschuss, Dribbeln, Jonglieren und so. Man musste sich damals schon beweisen. Es war viel Zug dahinter, wir mussten auch viel entbehren. Es wurde - ähnlich wie aktuell mit Partnerschulen - Wert daraufgelegt, dass man schon in der Früh trainiert, dann zur Schule geht und dann noch einmal trainiert. Trotzdem hat man Wert auf die schulischen Leistungen gelegt. Ich glaube, wir haben aus dieser Zeit einiges mitgenommen.”
Ballack über die Schulzeit in der DDR: "In der DDR galt der Sport als Aushängeschild, demzufolge waren diese Kinder- und Jugendsportschulen strukturiert. Sie waren perfekt entwickelt und ausgelegt auf die Ausbildung jedes einzelnen in dessen Sportart. Wir waren unterteilt in reine Fußballer-, Turner- oder Leichtathletik-Klassen und damit hast du keine Schule verpasst, wenn du beispielsweise ein Spiel hattest. Der Unterrichtsstoff wurde eben danach fortgesetzt.”
Rose über seine Profikarriere: "Es hat sich nicht abgezeichnet, ich musste immer kämpfen. In der A-Jugend war ich als junger Jahrgang mit Abstand der kleinste. Ich bin in einem Jahr dann gefühlt 20 Zentimeter gewachsen, dementsprechend habe ich dann Fußball gespielt, weil ich überhaupt nicht mehr wusste, wo links und rechts oder oben und unten ist. Mir war schwindelig, aber ich habe gesagt, ich will mich durchkämpfen. Ich habe während meiner Zeit bei den Amateuren eine Ausbildung gemacht, dann aber mal die Chance in Leipzig in der 2. Bundesliga bekommen. Dann brauchst du natürlich ein wenig Glück, dass sich die Dinge so entwickeln.
Es hat immer etwas mit Widerständen überwinden zu tun. Das hat Balle mit so einer Weltkarriere zum Start machen müssen und das musste ich auch. Das ist sicherlich etwas, das dem einen oder anderen mittlerweile abgeht, wenn man sich heute den Nachwuchs anschaut.”
Rose über Veränderungen im Fußball: "Der Fußball hat sich stark verändert. Als ich selbst noch gespielt habe, habe ich zum ersten Mal in Hannover von Ralf Rangnick von Raumdeckung gehört. Dort habe ich das erste Mal Viererkette gespielt, was heute normal ist. Manche Dinge kommen aber auch wieder zurück. In der Bundesliga spielen viele Mannschaften sehr mannorientiert. Der Fußball ist gläserner geworden, wir hatten damals beispielsweise keine GPS-Systeme. Viele Sachen haben sich extrem weiterentwickelt, die Jungs sind noch mehr Athleten. Ernährung, Regeneration und Schlaf bringen die letzten Prozente. Wir haben damals schon auch ab und an in der Disco regeneriert – und nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal in der Woche. Für die Spieler haben sich die Dinge weiterentwickelt – nicht nur zum Vorteil. Social Media ist dazugekommen und es reden noch mehr Experten mit und dementsprechend muss man sich ein Stück weit anpassen.”
Rose über den Trainerjob: "Als Spieler habe ich mir gedacht, Trainer sein, ist schon geil. Dann wirst du Trainer und merkst, der Tag ist ja doch fast zu kurz, um alles abzubilden. Das ist schon eine sehr komplexe Aufgabe. Ich bin immer für meine Meinung eingestanden, aber ich habe immer gesagt, ich bin nicht der, der den ersten Fußball genäht hat, sondern ich lerne gerne dazu – auch von meinen Spielern, die mittlerweile sehr fußballschlau sein können.”
Ballack über eine mögliche Trainerkarriere: "Ich hatte sehr intensive Jahre als Spieler, die haben mich erfüllt, so dass ich diese andere Seite als Trainer bis heute gemieden habe. Du musst diese Verbissenheit haben wie als Spieler, aber die habe ich bis heute nicht, um mit dieser ganzen Verantwortung und den verschiedenen Charakteren zurechtzukommen. Du brauchst natürlich Führungsstärke und eine gewisse Lockerheit. Es ist ja Wahnsinn, was du heute als Cheftrainer alles bedienen musst. Dem musst du alles gerecht werden, ohne dass du dann selbst zu verbissen bist, wie ich es als Spieler war. Da gibt es die wenigen großen Spieler, die dann auch große Trainer sind. Du brauchst eine gewisse Distanz zu der ganzen Materie, aber du brauchst auch einen unheimlichen Antrieb, um diese Motivation jeden Morgen mitzubringen. Du musst dich selber motivieren, aber du musst diese auch übertragen.”
Rose über Gelassenheit als wichtiges Attribut für einen Trainer: "Die Gelassenheit brauchst du als Trainer, vor allen Dingen im Umgang mit Medien und Social Media, dich nicht immer locken zu lassen, was natürlich nicht einfach ist. Ab und zu musst und willst dich auch mal wehren. Auf der anderen Seite weißt du, dass es dir als dünnhäutig ausgelegt wird, wenn du es zu häufig machst.”
Ballack über seine Verbissenheit als Spieler: "Ich konnte zumindest außerhalb des Platzes loslassen. Das war für mich ganz wichtig, dass ich den Ausgleich habe und nicht in dieser Disziplinblase zu stecken, die du als Profisportler brauchst. Der Ausgleich heißt, mal loszulassen. Mal Dinge zu tun, die andere Jugendlicher oder junge Menschen auch machen. Das war ganz wichtig, um wieder Kraft zu tanken und wieder Top-Leistungen zu bringen.”
Ballack über Unberechenbarkeit eines Trainers: "Du musst glaubhaft sein und etwas rüberbringen, aber gleichzeitig darfst du nicht zu ausrechenbar sein, weil du dich nicht abnutzen darfst. Für mich war es als Spieler die beste Konstellation, wenn ich einen Trainer nicht hundertprozentig lesen konnte, wenn der so eine gewisse Crazyness hatte. Das hielt die Mannschaft über einen längeren Zeitraum auf Spannung. Gerade wenn du nach einem verlorenen Spiel weißt, was passiert, ist es glaube ich nicht so gut. Es ist dieser Spagat, ich komme an den Spieler heran, lasse ihn aber in gewisser Weise auf Distanz, um zu zeigen, ganz nahbar bin ich auch nicht.”
Rose über den Umgang mit den Spielern: "Für mich persönlich ist die Authentizität das Allerwichtigste. Es gibt nicht den einen Stil, mit dem man erfolgreich ist. Das Wichtigste ist, dass du bei dir bleibst. Und dann kommt es natürlich darauf an, diese Balance und den Spannungsbogen zu finden, nicht immer ausrechenbar zu sein. In englischen Wochen arbeiten wir beispielsweise mit unterschiedlichen freien Tagen.
Zudem gibt es ein paar Dinge, die mir wichtig sind, an denen rüttele ich nicht. Das sind ganz einfache Sachen, die wir früher mit dem auf den Weg bekommen haben, die wir gelernt haben: Teamfähigkeit, Anstand – so ganz simple Sachen. Über die Jahre habe ich aber auch gelernt, dass wir in einer Fußballmannschaft viele Kulturen haben und manche Dinge, die ich für extrem wichtig halte, in vielleicht anderen Kulturen nicht ganz so wichtig sind. Dann muss man sich ein Stück weit darauf einlassen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Bei mir kann auch mal einer zu spät kommen, ich bin auch nicht gefeit davor.”
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Marco Rose: "Bei mir gab es noch nie kommuniziertes Straftraining"
Rose über Straftraining: "Bei mir gab es noch nie kommuniziertes Straftraining. Was bei mir schon vorkommt, dass ich in einer Trainingseinheit spontan reagiere, wenn mir diese nicht gefällt. Wenn das nicht so funktioniert, wie ich mir das wünsche, wird halt mal gelaufen. Du musst ein Gefühl dafür entwickeln, wann passt es, wann macht es Sinn – ohne dass du es planst, sonst ist es nicht authentisch. An manchen Tagen bricht es mal aus mir heraus, an anderen kann ich das ganz gut kontrollieren.”
Ballack über Straftrainings: "Ich hatte das bei Felix Magath und auch bei Christoph Daum. Das eine war ohne Ansprache, ohne Kommunikation. Da gab es einfach nur eine Message vom Co-Trainer, dass du um 9:30 Uhr draußen sein musstest und du wusstest, was kam. Christoph Daum hat es dagegen lächelnd mit der Schubkarrenübung über den halben Platz gemacht.”
Rose über die Kapitänsrolle: "Wenn man eine Mannschaft kennenlernt, gibt es immer eine Menge Jungs, die man gerne mal fragt, aber die Rolle Kapitän ist schon eine wichtige für mich. Willi Orban (Kapitän von RB Leipzig, Anm. d. Red.) ist für mich ein sehr wichtiger Ansprechpartner. Es gab Jahre, in denen ich den Kapitän bestimmt habe, in diesem Jahr haben wir gewählt.
Als ich zu Gladbach kam, war Lars Stindl Kapitän und ich dachte, dass es keinen Grund gibt, das zu ändern. Also habe ich ihn bestimmt und nur den Mannschaftsrat wählen lassen. Lars hat es damals auch angenommen, kam danach aber zu mir und meinte, dass er gerne mit mir davor darüber geredet hätte. Ihm wäre das Feedback von der Mannschaft auch wichtig, ob er nach den vielen Jahren der richtige sei. Das Jahr darauf haben wir dann auch gewählt und er ist bestätigt worden.”
Rose über Anforderungen eines Kapitäns: "Wenn du in die Rolle Kapitän reinwächst, hast du schon viel, was ein Trainer erwartet. Es ist auch nichts Übermenschliches. Mir persönlich wäre es wichtiger, dass es der Kapitän der Mannschaft ist, als dass es "mein” Kapitän ist. Wenn ich das Gefühl habe, der Spieler hat ein großes Gehör im Team und gleichzeitig kann ich eine gute Verbindung zur Mannschaft dadurch aufbauen. Die Verbindung Mannschaft/Kapitän wäre mir dann wichtiger, auch wenn er nicht so viel auf dem Platz bringt, was ich mir vielleicht vorstelle.”
Michael Ballack: "Ich war kein einfacher Kapitän"
Ballack über seine Zeit als Kapitän: "Ich war kein einfacher Kapitän, war sicherlich manchmal ein bisschen harsch und unfair zu den Mitspielern. Ich war sehr emotional in meinen Leistungsgedanken und habe den eigenen Anspruch auch an meine Mitspieler gestellt. Im Jugendalter hat mein Vater zu mir gesagt, dass ich ruhiger sein müsse gegenüber den Mitspielern. Das musste ich auch lernen. Natürlich kannst du deinen Charakter nicht verstellen, aber es ist ein Lernprozess.
Im Profialter ist das normal, dass Kapitäne, die gewählt werden, alles verkörpern und viel ausfüllen: Leistungsgedanke, empathisch sein und gut ankommen in der Mannschaft. Das Einfordernde ist meistens dann unbequem und für die Mitspieler hart zu akzeptieren. Da kommt es auf die Art und Weise an, wie ich einfordere. Da hat auch nicht jeder Kapitän diese besondere Gabe und Stärke, dennoch einfühlend genug gegenüber deiner Mannschaft zu sein. Es ist aber immer noch ein Leistungssport und am Wochenende steht über allem der Sieg und dem ordne ich alles unter. Wenn das jeder versteht, ist das Best-Case-Szenario. Es gibt innerhalb einer Mannschaft unterschiedliches Denken, wie komme ich dahin, wie viel opfere ich für den Sieg.”
Ballack über den Unterschied vom FC Bayern zu anderen Klubs: "Das Siegergen wurde in diesen Verein über viele Jahre durch Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß implantiert. Als ich zum FC Bayern kam, war es noch einmal ein Unterschied. Da gibt es auch eine gewisse Härte. Das ist nicht immer ein Genuss, das jeden Tag zu erleben, weil es ein brutaler Leistungsgedanke ist.”
Rose über die Kabine: "Es ist der Best Case für einen Trainer, wenn du eine Kabine hast, in der nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen ist. Wenn du einen Kapitän, erfahrene Spieler und auch junge Spieler hast, die mit Leistung vorangehen. Wenn du eine Kabine hast, die auch mal unbequem sein kann. Wo man insgesamt füreinander da ist und eine gute Atmosphäre hat, aber auch unbequeme Wahrheiten ausspricht. Wenn du so eine Kabine hast, ist die Gefahr, dass du dich als Trainer verbrauchst, geringer.
In Leipzig arbeiten wir daran, wollen auch dort besser werden. Wir haben schon Spielertypen, die das leisten können. Das musst du zulassen, aber das ist ein Prozess. Bei den Bayern ist das über Jahrzehnte gewachsen, weil dort immer der Anspruch da ist, du musst Deutscher Meister werden.”
Rose über den Kontakt zu den Spielern: "Wir sind teilweise mehr zusammen als mit unseren Familien, du hockst ständig aufeinander. Dann ist es natürlich wichtig, dass man sich schätzt und ein Stück weit kennt. Es gab oft genug Momente, wo Führungsspieler zu mir gekommen sind. Wenn ich das Gefühl, dass das, was aus der Mannschaft kommt, Sinn macht, bin ich der Erste, der sagt ‘das machen wir so’.”
Ballack über seine Beziehung zu Trainern: "Daum war einer meiner wichtigsten Trainer, hat aber außerhalb des Platzes nicht viel mit mir gesprochen. Er war manchmal sehr launisch, aber ich konnte es einschätzen, ich habe gewusst, es ist nichts Persönliches. Viele Spieler missinterpretieren sowas und haben dann Schwankungen in ihren Leistungen, weil sie ihr Selbstvertrauen verlieren.
Ich hatte große Spieler – auch Nationalspieler - neben mir, die zu mir gekommen sind und sich beklagt haben, dass der Trainer nicht mit ihnen geredet hat. Du merkst auch auf diesem Niveau, wie sensibel dieses Gebilde ist.”