Alex Schlüter und Benni Zander sprechen in der aktuellen Ausgabe des KMD-Podcast mit Rene Adler. Neben einem Rückblick auf Adlers sportliche Karriere in der Bundesliga und der Nationalmannschaft blicken die drei auf den Geschäftsmann Adler, der mit der Entwicklung einer App jungen Spielern mehr Eigenverantwortung in der Karriereplanung geben und das gesamte Fußball-Business transparenter gestalten möchte. Gesprochen wird außerdem über Frisuren, Wagnisse, verpasste Chancen und den Umgang mit Rückschlägen.
Im Anschluss an das Interview analysieren die beiden Hosts den vergangenen Bundesliga-Spieltag. Kicker-Reporter Thomas Hiete gibt Einblicke in die Problemzonen des VfL Wolfsburg, der nun wettbewerbsübergreifend seit zehn Spielen nicht mehr gewonnen hat.
Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt:
Rene Adler über…
… seinen letzten Einsatz als Torhüter
"Das letzte Mal war beim Abschiedsspiel von Rafael van der Vaart. Als Ex-Torhüter willst du nach deiner Karriere normalerweise nicht mehr ins Tor gehen, sondern im Feld spielen. An dem Tag hatte ich schon Bock ins Tor zu gehen. Das habe ich bitterböse bereut, als Arjen Robben auf mich zukam. Das hat in meiner aktiven Zeit schon nicht so gut geklappt."
… sein Karriereende aufgrund von Verletzungen
"Ich hatte mein letztes Spiel, ich wusste nur nicht, dass es das letzte sein wird. Ich hatte da schon arge Knieprobleme und es war mit Mainz auch abgesprochen, dass ich die Spiele noch durchziehe - es ging um den Klassenerhalt - in der Hoffnung, dass ich nach der OP nochmal zurückkommen kann. Lange Rede, kurzer Sinn: Es war ein schwerer Knorpelschaden. Meine rote Linie war, dass ich später noch mit meinen Söhnen Fußball spielen können wollte. Ich kenne genug Kollegen, die, nachdem sie einmal um die Alster joggen, zum Punktieren gehen müssen. Dafür ist mir Sport zu wichtig. Da haben mir die Ärzte von außen auch ein Stück weit die Entscheidung abgenommen."
… sein Bundesliga-Debüt
"Michael Skibbe war damals Trainer in Leverkusen. Ich war vor diesem Spiel acht Monate lang verletzt und erst eine Woche wieder im Training. Dann kam die rote Karte gegen Hans-Jörg Butt. Am Tag nach dem Spiel kam Skibbe auf mich zu und sagte mir, dass ich gegen Schalke spielen würde. Ich habe gesagt: 'Trainer, das können Sie nicht machen. Sie versauen meine Karriere. Ich war acht Monate raus. Ich bin gar nicht fit.' Ich hatte richtig Schiss. Ich hatte dann eine Woche Zeit, aus der Nervosität und Angst Freude werden zu lassen. Das hat geklappt, obwohl nichts rund lief. Mein damaliger Mentor und Torwarttrainer Rüdiger Vollborn war verletzt. Unser Teammanager Hans-Peter Lehnhoff hat mich warmgeschossen, aber das hat mich alles nicht gestört. In der ersten Halbzeit war ich wenig im Spiel und in der zweiten Halbzeit hat Schalke auf mein Tor gespielt und ich habe ein paar Bälle ganz gut gehalten."
… die verpasste WM 2010
"Ich habe gelernt, meinen Frieden damit zu machen. Jogi und das Trainerteam haben mich als Nummer 1 bestimmt und ich konnte die WM dann wegen einer Rippenverletzung nicht spielen. Ich habe viel Zeit in die Aufarbeitung gesteckt, weil du so etwas nicht so einfach wegsteckst. Diese 'Was wäre wenn'-Gedanken kommen natürlich, aber es bringt nichts, sich das auszumalen und über Eventualitäten nachzudenken. Ich habe gelernt, positiv nach vorne zu blicken. Ich brauche nicht dem lieben Gott die Schuld dafür geben, sondern nur mir allein. Ich habe overpaced, mich so stark gepusht und unendlich trainiert. Ich konnte mit dem Druck, den ich mir selber gemacht habe, nicht gut umgehen. Ich wollte, dass dieses Turnier mein Tor zur Weltspitze wird. Das war schlicht und ergreifend zu viel. Diese verpasste WM hat mir auch unfassbar viel für mein weiteres Leben gegeben, weil ich ein Stück weit mehr verstanden habe, wie ich ticke."
… seine App 11TransFAIR
"Als Spieler bist du immer auf dein Netzwerk angewiesen. Während meiner Karriere hat mich das schon immer gestört. Wenn mein Vertrag auslief, stand ich vor der Frage, was ich jetzt mache. Nach meiner Zeit beim HSV wäre ich super gerne ins Ausland gegangen, aber ich wusste gar nicht, wie ich da rangehen soll. Es hat mich immer gestört, dass es da nicht so etwas wie Immobilien-Scout gibt. Mein Mitgründer und Freund hat mir während der Karriere schon gesagt, wie wahnsinnig intransparent das Fußball-Business ist, und dass wir da etwas machen sollten. Nach meiner Karriere war die Zeit reif und wir sind das Thema angegangen."
… 11TransFAIR für Spieler
"Wir haben eine Plattform kreiert, auf der du ein Profil anlegen kannst und dich verifizieren musst, damit keine Fake-Spieler auf der Plattform landen. Ihr glaubt gar nicht, wie viele Neymars und Messis versuchen, auf die Plattform zu kommen. Der Gedanke ist, den Spieler wieder mehr in die Eigenverantwortung zu bringen. Er soll nicht seine Verträge verhandeln, sondern ein Eigeninteresse entwickeln, seine Karriere zu überblicken. In der Fußballjugend wird man so erzogen, dass alles außerhalb des Platzes von anderen übernommen wird. Man wundert sich dann aber gleichzeitig, wenn das nicht so klappt. Ab und an muss man sich an die eigene Nase fassen. Wenn ich mich mit gewissen Dingen nicht beschäftige, dann kann ich nicht erwarten, dass das in meinem Interesse funktioniert."
… die Funktion von 11TransFAIR
"Es geht darum, einen Marktplatz zu kreieren, auf dem du ganz transparent Angebot und Nachfrage abbildest. Für jeden Spieler gibt es Daten, das ist gläsern. Daraus erfährst du aber nicht, ob ein Spieler gerne in die MLS möchte, oder Bock auf Australien hat. Bei uns kann der Spieler das hinterlegen und diese Informationen fließen neben den Leistungsdaten in den Algorithmus ein. Das ist dann ähnlich wie Parship: Es gibt eine Suche und es gibt ein Angebot. Der Algorithmus zeigt dir dann, wie gut das zusammenspielt und vielleicht gibt es ein Match."
… den potenziellen Konflikt mit Beratern
"Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass wir nicht die Robin Hoods sind, die die Branche von den bösen Beratern befreien müssen. Beratung ist etwas Gutes. Ein junger Spieler, der viele Einflüsse hat, braucht Beratung. Ich nehme allerdings wahr, dass sich die Beratung viel zu sehr auf die Säule Vermittlung konzentriert, weil da das Geld herkommt. Ich habe mal gehört, dass es inzwischen mehr Berater als Spieler gibt. Das zeigt, wie viel Gier auf dem Markt ist, schnelles Geld zu verdienen. Das hilft keinem, weder den Vereinen noch den Spielern. Wenn sich diese Plattform durchsetzt, wird sie die Berater nicht gänzlich ersetzen, aber es wird die schlechten, die nur am eigenen Profit orientiert sind, vom Markt nehmen, weil wir als Plattform den Markt transparenter machen."
… die Überforderung von jungen Profis
"Als junger Profi willst du einfach nur Fußball spielen. Den Rest sollen andere machen. Ich habe aus Naivität und Loyalität auf Leute vertraut, von denen ich geglaubt habe, dass sie es können und aus Interesse für mich machen. Da wurde ich oft enttäuscht, weil das Eigeninteresse der Leute im Vordergrund stand. Junge Fußballer, die wenig Interesse haben und bequem sind - ich schließe mich da selbst ein - sind dafür ein gefundenes Fressen."
… ein mögliches Beispiel
"Angenommen du willst als Spieler schon immer nach Italien, würdest dort aber ein bisschen weniger als in England verdienen. Das wäre dir als Spieler aber egal. Dein Berater hätte aber ein hohes Interesse daran, dich nach England zu bringen, weil sein Honorar an dem Transfererlös und den Prämien und so weiter bemessen wird. Es kommt vor, dass die Möglichkeit nach Italien zu gehen, nicht an dich herangetragen wird. Das ist intransparent. Du bist abhängig davon, was dir Dritte erzählen."
… die Positionierung von Spielern
"Ich sehe viele Spieler, die sich auch in politischen Themen stark machen. Mir wurde vor zehn Jahren im Rahmen der Nationalmannschaft noch gesagt, dass ich von Statements zur Politik die Finger lassen und mich auf den Fußball konzentrieren soll. Inzwischen ist das gefordert. Es ändert sich extrem viel. Und warum soll sich nicht ändern, dass der Spieler den Überblick über seine Karriere behält und entscheidet, was er wo macht? So etwas wird in Zusammenarbeit mit dem Team besprochen, wozu ein guter Berater natürlich dazugehört."
… sein Karriereende in Mainz
"Eigentlich wollte ich ins Ausland gehen. Ich wollte noch einmal eine andere Sprache und Kultur kennenlernen. Ich wusste, dass es der letzte Vertrag meiner Karriere wird. Geld war mir nicht so wichtig. Es gab kein gutes Match im Ausland. Ich hatte die Möglichkeit und das Netzwerk nicht, sodass ich nicht zu dem Verein gekommen bin, den ich mir gewünscht hätte."
… Sicherheit vs. Flexibilität
"Ich war klar der Sicherheitstyp. Ich will nicht sagen, dass ich ein Heimscheißer war, aber schon sehr sicherheitsdenkend. Wenn ich etwas bereue, dann, dass ich nicht den Mut hatte, aus der Komfortzone herauszusteigen. Rückblickend bin ich vielleicht auch zu lange in Leverkusen geblieben. Mit meinem Wissen jetzt hätte ich mir mehr Mut zu einem Schritt ins Ausland gewünscht. Nach dem Motto: Ich mach das jetzt einfach. Ist eine Lebenserfahrung. Ich bin in Leverkusen groß geworden. Ich kannte jeden. Ich hatte gutes Geld. Ich wusste, was ich habe. Wir haben international gespielt. Das war auch Bequemlichkeit und das würde ich ändern. Wenn ich in meiner neuen Karriere jetzt merke, dass mich die Angst übermannt und ich ein bisschen Schiss in der Buxe habe, dann gehe ich bewusst rein."