Er war der Beste seiner Zeit, von seinen Fans abgöttisch geliebt und von allen Gegnern gefürchtet - er war Il Fenomeno, das Phänomen: Einen urgewaltigen Torjäger wie Ronaldo hatte es zuvor noch nicht gegeben.
Keiner konnte Ronaldo Luís Nazario de Lima das Wasser reichen, keiner erzielte damals mehr Tore, spielte spektakulärer - und wurde trotz aller Highlights einer bewegten Karriere doch immer wieder ausgebremst.
Die DAZN -Dokumentation "The Phenomenon" zeichnet die einzigartige Karriere Ronaldos nach, beleuchtet neben den großen Erfolgen auch die dunklen Momente und lädt alte Weggefährten und Kontrahenten ein - und alle sind sie gekommen: Von Zinedine Zidane über Romario bis Roberto Carlos.
Am Ende dreht sich aber alles um Ronaldo, der offen wie selten zuvor über die wichtigsten Stationen seiner Laufbahn spricht und auch über das mögliche vorzeitige Ende aller Träume nach seinen zahlreichen Verletzungen.
Ronaldo über …
… die WM 1994
"Die Weltmeisterschaft hat für mich immer oberste Priorität gehabt. Auch wenn ich bei der WM 1994 nicht eine Minute gespielt habe, war es wie ein Universitätsabschluss. Von da an musste ich nur noch die Welt erobern [...] Ich habe einen Teil meiner Jugend verpasst, aber ich bereue es nicht, weil ich das tue, was ich liebe: Fußball spielen."
… seinen Spitznamen
"Als ich diesen Spitznamen in Italien bekam, mochte ich ihn anfangs nicht. Ich mochte ihn wirklich nicht. Ich dachte, das gibt mir nur zusätzlichen Druck, den ich nicht brauchte. Ein Phänomen darf nicht scheitern, darf keinen Schmerz empfinden und darf nicht aufhören, Tore zu schießen."
… seinen Konkurrenten Romario
"Romario hat mir immer gesagt, dass er der Beste sei und kein anderer ihm das Wasser reichen könnte. Aber in meinem Fall war das Ganze anders. Ich glaube, er wusste bereits, dass ich das Potential hatte, ihn zu übertreffen [...] Mit dem Ausfall von Romario wurde der Druck auf mich automatisch größer. Aber wir mussten weitermachen. Es gab keinen anderen Weg. Brasilien war mit oder ohne Romario weiterhin der Favorit auf den WM-Titel (1998, Anm.) ."
… sein erstes WM-Tor
"Mein erstes Tor bei einer WM, von der ich mein ganzes Leben geträumt habe. Das nimmt diese Last von dir. Tore haben diese Kraft. Sie geben Stürmern Selbstvertrauen und Superkräfte."
… Fußball in Italien
"Die italienische Liga war körperlich anspruchsvoller, sodass die Italiener mehr Trainingseinheiten absolvierten. Sonntags spielten sie, montags liefen sie acht oder neun Kilometer. Ich wusste, dass mir das schaden würde. Und später wurde mir recht gegeben."
… seine schwere Knieverletzung am Tag seines Comebacks
"Ich spürte, wie sich meine Kniescheibe in Richtung meines Oberschenkels bewegte. Ich weinte und schrie aus Verzweiflung. Der Schmerz war eigentlich gar nicht so stark. Aber der Schmerz in meinem Herzen war umso größer [...] Wieso? Wieso passierte mir das? Ich dachte das Schlimmste. Ich dachte, das sei das Ende. Die erste Person, die mich besuchen kam, war überraschenderweise Zidane. Bis dahin hatten wir nicht zusammengespielt. Wir waren nur Rivalen."
... seine Reha
"Zu dem Zeitpunkt hätte ich in der Lage sein müssen, mein Bein zwischen 130 und 140 Grad zu beugen. Ich schaffte aber nur 95. Daraufhin bin ich zu einem Arzt in den USA gegangen. Er untersuchte mich und sagte, dass ich mit viel Glück und weiteren Operationen ein normales Leben führen könnte. Aber ich würde nie jemals wieder Fußball spielen. Ich kam dort extrem verängstigt und traurig heraus. Ich flog direkt nach Paris, um Gerard Saillant zu treffen und übergab ihm die Diagnose des amerikanischen Arztes. Er schickte mich in eine Klinik in Capbreton. Wo ich vier Monate lang Zeit mit französischen Sportlern aus verschiedenen Sportarten verbrachte. Das habe ich jeden Tag gemacht. Jeden einzelnen Tag. Ich musste die steife Sehne lockern und Flexibilität gewinnen. Das ist die größte Qual, die ich mir jemals angetan habe, nur um die Beweglichkeit meines Knies wiederzubekommen. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass meine Geschichte mit knapp 24 Jahren dort enden könnte. Das wollte ich nicht akzeptieren. Ich musste zurückkommen und Tore schießen. Das war alles, woran ich denken konnte."
... Hector Cuper, Trainer bei Inter Mailand
"Hector Cuper war der schlechteste Trainer, den ich in meiner gesamten Karriere hatte. Ich glaube, seine Trainingsmethoden haben mir sehr geschadet. Jeden Tag ließ er uns vier Kilometer zum Aufwärmen laufen. Wenn ich mein zu Hause verließ, dachte ich darüber nach, und wollte nicht zum Training gehen."
... die WM 2002
"Es war Zeit für das erste Spiel der Weltmeisterschaft. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, war etwas unsicher. Ich wusste nicht, ob mein Knie halten würde. Nach diesem Tor (gegen die Türkei, Anm. d. Red.) wusste ich, dass mein Knie alles aushalten kann. Meine Frisur erregte viel Aufmerksamkeit. Sie lenkte die Aufmerksamkeit von meiner Verletzung ab. Ich denke, es diente als eine Art Ablenkung für die Presse und die Türkei, die nicht glaubte, dass ich spielen würde."
... sein Tor im Halbfinale gegen die Türkei
"Ich konnte den Ball nicht mit der Innenseite schießen. Ein seitlicher Pass oder Schuss hätte die Verletzung verschlimmern können. Ich bekam eine Chance, mit der Pike zu schießen. Und es war perfekt."
... die Vorbereitung auf das WM-Finale 2022
"Ehrlich gesagt habe ich bis zum Finaltag nicht an 1998 gedacht. Aber nach dem Mittagessen verfolgte mich der Geist von '98 sehr. Ich hatte keine Lust, auf mein Zimmer zu gehen und ein Nickerchen zu machen. Also bin ich durch die Hotelflure gelaufen, um zu sehen, wer noch wach war. Ich unterhielt mich zwei oder drei Minuten mit Teamkollegen, dann sagten sie: ‚Ich gehe mich ein bisschen ausruhen.‘ Okay, bis später. Ich habe niemandem gesagt, wie ich mich fühlte. Nach einer Weile konnte ich niemanden mehr finden, mit dem ich reden konnte. Ich hatte große Angst vor einer Wiederholung von 1998[...] Die Wahrheit ist, dass ich meine Weltmeisterschaft bereits gewonnen hatte. Meine Weltmeisterschaft war meine Genesung. Und durch diese schwierige Zeit bin ich ein besserer Freund geworden. Es hat mich zu einem besseren Sohn gemacht. Es hat mich zu einem besseren Vater gemacht. Und es hat mich zu einem viel besseren Menschen gemacht."
Zinedine Zidane über ...
… das WM-Finale 1998
"Als wir in die Kabine kamen, wurde uns gesagt, dass er vielleicht nicht spielen würde. Irgendwas ist passiert. Wir wussten nicht was."
… seinen Krankenhausbesuch bei Ronaldo
"Das war ganz spontan. Ich habe es keinem erzählt. Es war eine Überraschung. Ich wollte ihm sagen: Du bist unglaublich, ich bewundere dich. Mach weiter und komm bald wieder, der Fußball braucht dich. Und dann bin ich gegangen."
Roberto Carlos über ...
… Ronaldo 1998
"Er war zu der Zeit der beste Fußballer der Welt und alle große Marken wollten ihn haben. Er lebte praktisch das Leben eines Popstars."
… Ronaldos Frisur
"Lächerlich. Und DAS wurde zur Mode. Alle Kinder in Brasilien taten es und stell dir ihre armen Eltern vor. Das würde ich meinem Sohn nie erlauben."
Bild: Getty Images Getty Images
Christian Vieri über ...
… seinen Wechsel zu Inter
"Marcelo Lippi rief an und fragte: 'Was machst du? Willst du zu Inter kommen?‘' Ich sagte: 'Ich bin schon im Auto, in einer halben Stunde bin ich da, um den Vertrag zu unterschreiben.' Ich wollte mit Ronaldo zusammenspielen. Am ersten Trainingstag ging ich zu ihm und sagte: 'Ich bin wegen dir hier. Wir werden in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren alles zerstören. Niemand ist besser als wir.'"
… Fußball mit Ronaldo
"Ich erinnere mich an einen Tag, an dem wir trainierten, und er sagte: 'Bob, versuch mal das!' Und ich sagte: 'Wie soll ich das denn machen?!' Ich fing an zu lachen. Verdammt, ich kann das nicht. Es war, als würde man mit Michael Jordan bei den Chicago Bulls spielen. Wir hatten 5.000 oder 6.000 Fans, die uns beim Training zusahen. [...] Wir waren so gut zusammen, einfach unglaublich. Was wir nicht alles hätten schaffen können ohne die Verletzung. Wir hätten alles gewinnen können."
… das Verhältnis Cupers zu Ronaldo
"Ich hätte dem Trainer (Cuper, Anm.) sagen sollen: 'Lass ihn einfach in Ruhe. Lass ihn machen, was er will.' Wenn es um mich geht, muss ich trainieren, das ist okay. Zanetti muss trainieren, Recoba muss trainieren, keine Frage. Aber bei den Problemen, die er hatte, sollte man ihn einfach in Ruhe lassen."
Paolo Maldini über ...
... Ronaldo
"Die einzigen beiden Spieler, bei denen ich jemals das Gefühl hatte: 'Denk nach, sei vorsichtig', waren Maradona und Ronaldo. Ich habe noch nie einen Spieler mit seiner Geschwindigkeit und Kraft gesehen."
Romario über ...
… das Duo Ronaldo und Romario
"Brasilien hatte Romario und Ronaldo, also musste man uns respektieren. Unsere Gegner taten das und unsere Mannschaftskameraden auch. Wir haben praktisch jedes Spiel und jedes Turnier gewonnen, das wir zusammen gespielt haben. Und wenn ich nicht wäre, wäre er der beste Stürmer, den ich je gesehen habe. Aber wenn ich mich mit selbst einbeziehe, naja. Dann kommt er an zweiter Stelle."
… seine Ausbootung 1998, angeblich wegen einer Verletzung
"Diese Lügner, Mistkerle und Verräter. In der Nacht vor diesem Tag sagten alle, ich würde nicht rausgeworfen werden. Sie haben ihr Wort nicht gehalten. Ich war stinksauer."
Diego Simeone über ...
… Ronaldo
"Er war ein Mistkerl. Er konnte einfach alles. Und wenn jemand so gut ist und Spiele im Alleingang gewinnen kann, dann will man das Beste aus ihm herausholen. Aber er hat nur herumgealbert und damit konnte ich überhaupt nicht umgehen. Warum lachst du? Wir haben ein wichtiges Spiel und du lachst nur. Aber er war einfach ekelhaft gut. Und wenn er gut drauf war, haben wir meistens gewonnen. Dieser Mistkerl."
... Ronaldos Patellasehnenriss
"Wir alle haben ein Geräusch gehört. Wir alle hörten irgendetwas reißen. Wir befürchteten sofort das Schlimmste, denn das Geräusch war furchtbar laut."
Gerard Saillant (franz. Knie-Spezialist und Chirurg) über ...
… Ronaldos erste Patellasehnen-Verletzung
"Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Er hatte eine super Muskulatur und einen überragenden Antritt. Aber die Sehne war dem nicht gewachsen. Ich hatte ein besonderes Interesse an Sehnenoperationen und insbesondere an der Patellasehne. Ich hatte mir mit einigen Veröffentlichungen einen Namen dazu gemacht. Er hatte einen Teilriss und wir beschlossen, nur den gerissenen Teil zu operieren. Ehrlich gesagt: Das war ein Fehler."
… Ronaldos Patellasehnenriss
"Ich würde sagen, dass ich verzweifelter war als er. Denn die vorherige Behandlung war gescheitert, und damit auch ich. Ich sagte, ich würde es vollkommen verstehen, wenn du einen anderen Chirurgen haben willst. Er sagte nur: 'Kein Problem, Doc. Auf geht’s.'"
Luiz Felipe Scolari über ...
… die Kader-Nominierung 2002
"Ich war ein Nervenbündel. Ich hielt es für unwahrscheinlich oder für eine 95-prozentige Chance, dass Ronaldo nicht rechtzeitig fit wird."
… sein Verhältnis zu Ronaldo
"Ich habe angefangen, Ronaldo besser zu verstehen. Ich mag es, immer mit anzupacken. Bei manchen Spielern kann man das tun, bei anderen nicht. Und bei Ronaldo kann man das nicht."
... Ronaldos Frisur
"Wie kannst du dir die Haare so schneiden? Es hat mich irritiert. Es hat mich wirklich genervt. Warum machst du das? Und wenn wir verlieren? Wie sollen wir das erklären? Hast du mich um Erlaubnis gefragt? Ich war wütend auf ihn."