Am Freitag wird die neue Bundesligasaison eröffnet, wenn Europapokalsieger Eintracht Frankfurt den Serienmeister Bayern München empfängt (ab 20.30 Uhr live auf DAZN ). Bevor es wieder losgeht und die Bayern die elfte Meisterschaft in Serie anpeilen, verrät DAZN-Experte Sandro Wagner, warum es in diesem Jahr schwerer für den FC Bayern wird.
Das liegt zum einen am personell sinnvoll verstärkten BVB. Aber auch an der Transferstrategie des Rekordmeisters, die aus Wagners Sicht vor allem in Bezug auf Innenverteidiger und Nationalspieler Niklas Süle kritisch zu sehen ist. Denn Wagner glaubt nicht, dass Millionen-Transfer Matthijs de Ligt eine große Verbesserung gegenüber Süle darstellt.
Doch nicht nur zum FC Bayern und BVB äußert sich Wagner. Der ehemalige Bundesliga-Stürmer spricht auch über die Trainer Steffen Baumgart und Frank Kramer, bedauert die Entlassung von Marco Rose und hofft auf die Wiederauferstehung des Mario Götze in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt.
Sandro Wagner über …
… die Chance auf einen echten Meisterschaftskampf
"Die sehe ich ganz klar. Ich glaube, dieses Jahr wird es richtig eng. Wenn man sich die Bayern die letzten sechs Monate in der Liga angeschaut und gewisse Automatismen gesehen hat, dazu jetzt noch der Wegfall von Lewandowski. Und dann sieht, was der BVB auf der Trainerposition und bezüglich neuer Spieler gemacht hat: Dann hoffe ich als neutraler Bundesligazuschauer, dass es spannend wird und bin auch fest davon überzeugt. Wenn man allerdings die Dortmunder in den letzten Jahren in Mainz und Augsburg sieht, wo sie Punkte unnötig liegen gelassen haben, dann ist eine latente Angst da. Das kann bei dieser Mannschaft immer wieder passieren. Wenn sie das in den Griff kriegen, dann glaube ich, haben wir eine Spannung bis zum Ende. Wenn du unbefangene erfolgreiche Spieler bekommst - Adeyemi, Schlotterbeck, Süle - kann das was mit der Mannschaft machen."
… über die Transfers von Borussia Dortmund:
"Niklas Süle ist ein Sensationstransfer. Schlotterbeck ist für mich der Innenverteidiger der Bundesliga letztes Jahr gewesen, mit dem meisten Potential von allen Innenverteidigern. Weil er eine unglaublich mutige, offensive Spieleröffnung hat. Gegen den Ball ist er unfassbar eklig. Das ist ein Spieler, der ist ein bisschen anders, ein bisschen verrückt - in der Art und Weise, wie er spielt. Für so einen Spieler gehst du ins Stadion oder holst dir ein Trikot. Für den deutschen Fußball ist das ein geiler Kicker."
… den BVB-Abgang von Erling Haaland
"Sie haben Haller und Adeyemi geholt. Haller fällt jetzt natürlich erstmal aus , aber wenn wir das kurz beiseite lassen und hoffen, dass er bald zurück ist: Dann hast du Haaland bestmöglich ersetzt. Wenn ich mir anschaue, wie oft Haaland angeschlagen war, wie oft er das Spiel auf sich bezogen hat, finde ich das Offensivspiel deutlich besser als letztes Jahr. Wenn ich die Wahl hätte zwischen Haaland oder Adeyemi und Haller, würde ich einhundert Mal Adeyemi und Haller nehmen. Haller hat damals bei Frankfurt richtig starke Leistungen gezeigt. Der hätte damals schon bei einem Topklub spielen müssen. Er hat dann einen Umweg über West Ham gemacht, da hat er warum auch immer nicht funktioniert, ist dann zu Ajax - einem Topklub - und hat da gezeigt, dass er nicht nur national, sondern auch in der Champions League Tore machen kann. Er kann die Bälle auch unglaublich gut halten und verarbeiten. Er hat eine gute Technik, setzt die Spieler gut ein, und er ist auch ein guter Typ. Von daher ist das ein Sensationstransfer. Und Adeyemi ist ein hungriger, schneller Spieler. Das Thema hungrig definiert er ganz anders. Er ist 90 Minuten lang unzufrieden. Das ist ein wichtiger Faktor: Du brauchst unzufriedene Spieler, die immer wieder in die Tiefe, in die Aktionen gehen, die immer wieder Situationen im Eins-gegen-Eins suchen, nur so kannst du Freiräume für dich selber und für die Mitspieler kreieren. Von daher sind die beiden Transfers für mich ganz klar besser als Haaland."
… Marco Roses Entlassung beim BVB
"Ich kenne den einen oder anderen Spieler, die waren zufrieden mit ihm und traurig, dass er weg war. Daran wie er mit der Mannschaft gearbeitet hat, kann es nicht liegen, da waren keine Gräben in der Mannschaft. Die Vereinsführung hat sich einfach etwas anderes vorgestellt für die nächsten Jahre. Aber sie sind Zweiter in der Bundesliga geworden... Ich find’s sehr schade. Er war vor zwei Jahren der Trainer in Deutschland und ist jetzt zweimal unglücklich bei seinen Vereinen ausgeschieden, das ist nicht schön. Aber Rose hat so viel Qualität als Trainer, da braucht man sich keine großen Sorgen machen."
… Trainerentlassungen in der Bundesliga
"Man hat das Gefühl, dass es auf der Position schnell geht. Aber die Vereine haben ja ganz andere Einblicke als wir. Die sprechen mit dem Trainer selbst, sehen nicht nur die Ergebnisse, sondern sprechen mit Spielern, Physiotherapeuten, Mitarbeitern, Scouts, Analysten - und die Gesamtmeinung bringt dich dann dazu, zu sagen: Es passt nicht. Dann kann man ansetzen: Warum passt es nicht? Hätte man vielleicht vorher sehen können, dass es nicht passt? Ich glaube, das ist ein großer Hebel: die Entscheidungsfindung vorab des einen oder anderen Vereins."
… Rose-Nachfolger Edin Terzic
"Edin Terzic kennt man gar nicht so gut. Er hat, bevor er letztes Jahr den BVB trainiert hat, nicht so viele Fußabdrücke hinterlassen. Als Co-Trainer kann man den Einfluss und Impact immer schwer bemessen. Wenn man sich die ganze Saison anschaut, war die sportliche Situation nicht immer ganz leicht. Es gab Phasen, wo es nicht so gut lief. Am Ende hat man es mit dem Sieg des DFB-Pokals gekrönt und dann die eine oder andere Situation positiver bewertet, als sie wirklich war. Wenn man sich anschaut, dass er die Massen emotionalisiert, die Klub-Gremien zufriedenstellt, glaube ich, dass etwas wachsen kann. Ich bin Befürworter, dass wir einen spannenden Meisterschaftskampf haben. Es muss Spannung her für das Gesamtprodukt Bundesliga."
… die Transferstrategie des FC Bayern
"Ich glaube, dass man in dieser Transferphase die Struktur ändern wollte. Man hat rausgehört, dass die Mannschaft satt ist. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du kriegst es als Verantwortlicher hin, dieses Gefühl rauszubekommen. Oder ich hole neue Spieler und verändere die Statik der Mannschaft. Sie haben sich für Weg B entschieden. Sie haben sehr viel Geld ausgegeben, viele neue Spieler geholt und schaffen dadurch eine ganz andere Leistungskultur. Jeder etablierte Spieler hat nun einen anderen Druck zu performen als letztes Jahr im März und April, als sich die Mannschaft von selbst aufgestellt hat."
… Matthijs de Ligt:
"Das ist ein richtig guter, toller Innenverteidiger. Aber Juventus gibt den nicht umsonst ab. 100 Prozent überzeugt hat er in Turin nicht, wenn man sich umhört. Davor hatte er bei Ajax als Kapitän ein Sensationsjahr, da ist er durch Leistung herausgestochen. Wenn ich mir Süle und de Ligt anschaue, hätte ich es schön gefunden, wenn man versucht hätte, den Weg mit Süle einzuschlagen. Wenn man es leistungsmäßig bewertet - das ist eine subjektive Meinung: Niki Süle ist ein deutlich besserer Innenverteidiger als de Ligt."
… Niklas Süle
"Wenn ich Entscheidungsträger bei Bayern wäre, hätte ich mir 70 Millionen gespart, hätte Süle vielleicht den einen oder anderen Euro mehr gegeben und dann hätte ich das cool gefunden, wenn man um ihn herum eine Innenverteidigung aufbaut. Er hat ein sehr hohes Potential. Als Spieler spielst du ungern gegen Süle, von der Körperstatur alleine, er bringt eine Masse mit und da sehe ich de Ligt im Nachteil. Er ist auch ein Brocken, aber er hat nicht diese körperliche Voraussetzung von Süle."
… Hasan Salihamidzic
"In München hast du als Manager immer Druck. Man sieht ja, wie leicht die öffentliche Meinung zu beeinflussen ist. Du bist der Held, wenn du für 150 Millionen shoppen gehst. Wenn das immer so einfach wäre, das ist ja irre. Davor war nicht alles schlecht bei Brazzos Arbeit, es gab auch viele gute Sachen. Und jetzt danach werden auch viele gute Sachen sein, aber jetzt seine Arbeit anhand eines Transfersommers zu bewerten, ist Irrsinn. Wenn du nach Hoeneß und Rummenigge in die Verantwortung kommst, ist das für jeden unfassbar schwer, da Fuß zu fassen. Bayern München ist für jeden ein schwieriges Pflaster. Wenn man unterm Strich sieht, was er geschaffen hat, ist das schon gut."
… Steffen Baumgart, der von den Bundesligaprofis zum Trainer des Jahres gewählt wurde
"Bei Köln hat jeder gedacht: Das ist ein Absteiger. Steffen Baumgart ist da mit einer unfassbaren Euphorie hingegangen. Er hat diese negativ behaftete Seite der Medaille nie angesprochen, er hat die positive angesprochen. Hat mit vielen Spielern gearbeitet, die davor nicht im Fokus waren beziehungsweise weggeschickt werden sollten. Er hat allen eine Chance gegeben. Modeste, Kainz - die hatte man gar nicht auf dem Schirm. Das ist ein Verdienst des Trainers. Er gibt die Richtung und die Energie vor."
… die Reaktion auf Frank Kramer beim FC Schalke
"Was haben Schalke-Fans erwartet, was für ein Trainer kommt? Da bin ich ein Stück weit weg. Vielleicht geht Kramer bei Schalke durch die Decke, vielleicht ist das genau der Mann. Ich glaube schon, dass Rouven Schröder sich Gedanken macht, warum er diesen Trainer auf diesen Posten setzt. Deswegen muss man erstmal abwarten, wie sowas vollzogen wird. Kramer hat mit Bielefeld eine gute Arbeit geleistet. Natürlich ist es immer schöner für einen Trainer, wenn er auf Händen ins Stadion getragen wird und gesagt wird: ‘Du bist unser Mann’. Ich glaube, für so einen erfahrenen Trainer wie Kramer ist das aber gut einzuschätzen."
… Mario Götze
"Wer so etwas tolles für unsere Fußballnation geleistet hat wie er, bei dem hofft jeder, dass er die Leistung auch wieder in der Bundesliga auf den Platz bekommt. Er kommt in ein Umfeld, das euphorisiert ist, kommt zu einem Trainer, der seine Arbeit unfassbar gut macht. Die Kombination ist eigentlich perfekt. Die Tendenz ist bei Mario absolut positiv, er hat Bock, hat einen eigenen Antrieb, er will es nochmal allen zeigen."
… die positive Überraschung der Saison:
" Werder Bremen . Die haben jetzt keine großartigen Transfers gemacht, aber da hat sich etwas Gutes gefunden letztes Jahr. Sie werden jetzt nicht nach Europa kommen, aber mit dem Abstieg werden sie auch nichts zu tun haben. Sie werden eine ruhige Saison haben, von Platz 10 bis 14 würde ich sie einordnen. Auch Frankfurt kann eine Überraschung werden."
… das Leben als Spieler und Trainer
"Als Trainer hast du keine freie Zeit. Als Spieler hast du zum Beispiel die Sommerpause. Ich kann mich wirklich mal auf mich konzentrieren, auf meinen Körper, meine Seele, meinen Geist. Als Trainer bist du komplett in alle Transfer- und Staff-Aktivitäten involviert. Abschalten oder gar nichts machen ist unmöglich."
… den Einfluss von Kylian Mbappé in Paris
"Ich kann das gar nicht glauben, dass ihm vertraglich ein Mitspracherecht eingeräumt wurde oder wird. Wenn das einer darf, dann ist das absoluter Irrsinn, wenn du einem Spieler Entscheidungsgewalt gibst über den Verein, er über dem Trainer, dem Manager steht und über Spieler entscheidet. Das macht Nullkommanull Sinn, das würde es in Deutschland nie geben. Bezüglich der Spielidee auf dem Platz finde ich aber schon gut, wenn man Spieler einweiht oder mitnimmt bei der Transferpolitik."