Gehälter in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro, horrende Ablösesummen, jede Menge Stars und zwar alternde, aber immer noch ganz schön gute Ex-Weltfußballer: Keine Liga der Welt wühlt den Fußball-Markt im Sommer 2023 so auf wie die Saudi Pro League. Mit schier endlosen finanziellen Mitteln kauft die Liga aus Saudi-Arabien europäische Fußballstars ein, um den Wert ihres Wettbewerbs zu erhöhen, Aufmerksamkeit zu generieren und Spektakel zu bieten.
Am 11. August 2023 startete die neue Saison - wahrscheinlich waren noch nie so viele Blicke auf die kleine Liga gerichtet wie diesmal.
Alles fing an mit Cristiano Ronaldo. Gleich zu Beginn ihrer Offensive angelten sich die Herrscher des Landes aus dem nahen Osten den größten Fisch. Im Januar 2023 unterschrieb der fünfmalige Weltfußballer und berühmteste Sportler des Planeten einen Vertrag über zweieinhalb Jahre bei Al-Nassr, ein Verein aus der Hauptstadt Riad. Ronaldo soll 200 Millionen Euro pro Jahr für seine Dienste kassieren und agiert nicht nur wie gewohnt als Tormaschiene, sondern auch als Markenbotschafter und Gesicht einer Liga, die auf dem Vormarsch ist.
Ronaldo als Marken- und Landesbotschafter
Und Ronaldo geht in seiner zu Teilen neuen Aufgabe auf. Sportlich sowieso über alle Zweifel erhaben (14 Tore in den ersten 16 Ligaspielen), rührt CR7 auch fleißig die Werbetrommel für sein neues Zuhause. "Meiner Meinung nach, wenn sie die Arbeit fortsetzen, kann die saudische Liga in fünf Jahren unter den besten fünf Ligen der Welt sein", bewertet Ronaldo die Qualität der Saudi Pro League. Und verteilt im selben Zuge Spitzen gegen seine alte europäische Heimat.
"Der europäische Fußball hat viel an Qualität verloren", sagt Ronaldo, und macht nur eine Ausnahme: "Die einzige immer noch gut funktionierende Liga ist die Premier League. Sie ist allen anderen Ligen weit voraus." Auch die spanische Liga, die er bei Real Madrid jahrelang prägte, "hat nicht die große Qualität. Die portugiesische Liga ist eine gute Liga, aber sie ist keine Spitzenliga. Die deutsche Liga hat meiner Meinung nach auch viel verloren." Und Saudi-Arabien? Wird immerhin bald "die türkische und die niederländische Liga überholen."
Zitate des 38-Jährigen, gesprochen zu Beginn der Sommertransferphase 2023. Seitdem hat sich viel getan - und Ronaldos Rechnung scheint aufzugehen. Karim Benzema ist ihm gefolgt, Marcelo Brozovic und Riyad Mahrez sind gefühlt vom Platz des Champions-League-Finals direkt in den Privatflieger gen Fernost eingestiegen. N'Golo Kante, Sergej Milinkovic-Savic, Sadio Mane, Roberto Firmino, Edouard Mendy: Champions-League-Sieger und -Finalisten, Leistungsträger, (ehemalige) Weltklassefußballer. Zahlreich schlossen sie sich den Vereinen der Saudi Pro League an.
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Sie alle folgen dem Lockruf des Geldes. Ihre Gehälter, zuvor bei Vereinen wie Manchester City, Bayern München, Inter Mailand oder FC Chelsea auch schon fernab des Hungertuchs, vervielfachten sich. Um in einer Liga zu spielen, die bislang fernab jeglicher globalen Aufmerksamkeit existierte. Wüste statt Champions League. Doch wie lange ist das noch so? Wie stark kann die Saudi Pro League werden und wie viel Einfluss können die europäischen Stars wirklich nehmen?
Saudi Pro League wird die Nummer 1 in Asien
Die Qualität unterschiedlicher Ligen miteinander zu vergleichen, fällt naturgemäß schwer. Innerhalb eines Kontinents funktioniert das womöglich noch am besten. So lässt sich auf dem asiatischen Raum festhalten, dass die Saudi Pro League auch schon vor der Flut an Fußballstars zusammen mit der J-League aus Japan und der K-League aus Südkorea zu den drei stärksten gehörte. Aus diesen drei Ländern stammte in den vergangenen sieben Jahren stets der Sieger der AFC Champions League.
Al-Hilal aus Riad ist der Rekordsieger der asiatischen Ausgabe der Königsklasse, stand fünf weitere Male im Finale. Al-Ittihad hat auch schon zwei Mal im wichtigsten Wettbewerb Asiens triumphiert, mit sechs Titeln stellen die saudi-arabischen Klubs hinter Japan (8) und Südkorea (12) die meisten Titelgewinne. Al-Hilal schaffte es zudem 2022 als erster asiatischer Klub ins Finale der Klub-WM (3:5 gegen Real Madrid). "Diese Erfolge sind eine gute Startbasis", sagt Jack Dorsey der Sportschau. Dorsey ist Journalist und Experte für den Fußball in Nahost.
Er bezeichnet die Saudi Pro League als "Machtzentrum" im asiatischen Fußball. Passend dazu auch der aufsehenerregende Sensationssieg der Saudi-Arabischen Nationalmannschaft bei der Winter-WM 2022 in Katar, als der krasse Außenseiter als einzige Nation den späteren Weltmeister Argentinien mit 2:1 besiegen konnte. Die Saudi Pro League, sie kommt nicht aus dem Nichts. "Diese Erfolge sind eine gute Startbasis", sagt Dorsey.
Viele Stars in wenigen Vereinen
Eine Basis, auf der nun mit hochklassigen internationalen Fachkräften gebaut wird. Auf wie neben dem Platz. Denn mit Steven Gerrard, Matthias Jaissle, Jorge Jesus, Nuno Espirito Santos oder Slaven Bilic arbeiten erfahrene und angesehene Trainer in Saudi-Arabien und bringen dem Nahen Osten den europäischen Fußball näher. Alle 18 Teams der Liga arbeiten mit einem ausländischen Trainer.
Mit der Ansammlung ausländischer Stars stieg auch der Wert der Liga. Transfermarkt.de schätzt den summierten Marktwert aller 18 Teams auf 780 Millionen Euro (Stand: 10. August), vor einem Jahr waren es noch rund 350 Millionen. Damit ist die Saudi Pro League die klare Nummer 1 im asiatischen Raum.
Im europäischen Vergleich reiht sie sich auf Rang 11 ein, knapp hinter die Jupiler Pro League aus Belgien. Nicht ausgeschlossen, dass die Milliardengrenze noch bis zum Ende der Transferphase am 1. September geknackt wird. Die Eredivisie und Süper Lig müssten, wie von Ronaldo prophezeit, einpacken. Auch die MLS, für die sich Lionel Messi entschieden hat und die Ronaldo natürlich schlechter findet als die Saudi Pro League ("Die saudische Liga ist besser als die MLS"), käme mit ihrem Martkwert von 1,25 Milliarden in Sichtweite.
Vergleicht man allerdings die Teams untereinander, so fällt die große Diskrepanz auf. Zwischen dem wertvollsten Verein Al-Hilal (163 Millionen Euro) und dem Schlusslicht Al-Riyadh (5 Millionen Euro) klafft eine Lücke von 158 Millionen Euro. Die vielen Stars sind auf wenige Vereine aufgeteilt, einzig Al-Ahli, Al-Ittihad, Al-Nassr, Al-Hilal und Al-Ettifaq haben sich in diesem Sommer mit Profis verstärkt, die der Marke "europäischer Star" zuzuordnen sind.
Mit Al-Ahli, Al-Hilal, Al-Nassr und Al-Ittihad sind es zudem ausgerechnet genau die vier Teams, die dem Staatsfonds PIF unter dem Vorsitz von Kronprinz Mohammed bin Salman unterliegen, der auch Besitzer von Newcastle United ist. Zusammen mit Al-Ettifaq sind das nur fünf Team einer Liga, die vor kurzem auf 18 Mannschaften aufgestockt wurde.
Saudi Pro League: Diese Transfers sind perfekt
SPIELER (ALTER) | ABGEBENDER VEREIN | NEUER VEREIN | ABLÖSESUMME |
---|---|---|---|
Cristiano Ronaldo (38) | Manchester United | Al-Nassr FC | ablösefrei |
Karim Benzema (35) | Real Madrid | Al-Ittihad Club | ablösefrei |
Ruben Neves (26) | Wolverhampton Wanderers | Al-Hilal | 55 Millionen Euro |
Kalidou Koulibaly (32) | FC Chelsea | Al-Hilal | 23 Millionen Euro |
N'Golo Kante (32) | FC Chelsea | Al-Ittihad Club | ablösefrei |
Edouard Mendy (31) | FC Chelsea | Al-Ahli | 20 Millionen Euro |
Jota (24) | Celtic Glasgow | Al Ittihad | 30 Millionen Euro |
Marcelo Brozovic (30) | Inter Mailand | Al-Nassr FC | 18 Millionen Euro |
Roberto Firmino (31) | FC Liverpool | Al-Ahli | ablösefrei |
Sergej Milinkovic Savic (28) | Lazio Rom | Al-Hilal | 40 Millionen Euro |
Jordan Henderson (33) | FC Liverpool | Al-Ettifaq | 14 Millionen Euro |
Seko Fofana (28) | RC Lens | Al-Nassr FC | 25 Millionen Euro |
Alex Telles (30) | Manchester United | Al-Nassr FC | 7 Millionen Euro |
Moussa Dembele (27) | Olympique Lyon | Al-Ettifaq | Ablösefrei |
Jack Hendry (28) | Club Brügge | Al-Ettifaq | 6,9 Millionen Euro |
Malcom (26) | Zenit St. Petersburg | Al-Ahli | 60 Millionen Euro |
Riyad Mahrez (32) | Manchester City | Al-Ahli | 35 Millionen Euro |
Allan Saint-Maximin (26) | Newcastle United | Ah-Ahli | 27 Millionen Euro |
Fabinho (29) | FC Liverpool | Al-Ittihad Club | 46 Millionen Euro |
Franck Kessie (26) | FC Barcelona | Al-Ahli | 12,5 Millionen Euro |
Sadio Mane (31) | FC Bayern München | Al-Nassr | 30 Millionen Euro |
Grzegorz Krychowiak (33) | FK Krasnodar | Abha Club | ablösefrei |
Fachkräfte auf und neben dem Platz - aber sind es genug?
Der Eindruck, dass alle Teams jetzt massenweise mit Superstars gespickt sind, täuscht. Wir reden immerhin von einer Liga mit über 500 Sportlern. Wie viel Einfluss können da 20 bis 30 überfinanzierte Stars nehmen? Einen Hinweis darauf hat neulich das Testspiel des Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Heidenheim gegen Al-Ahli gegeben. Dort standen Ex-Welttorhüter Edouard Mendy und Liverpool-Ikone Roberto Firmino auf dem Feld.
Heidenheim gewann mit 6:2 und Trainer Frank Schmidt sagte im Anschluss angesäuert: "Das war heute leider nicht der erhoffte Test für uns. Der Platz stand am Ende komplett unter Wasser, sodass kein richtiges Fußballspiel mehr möglich war. Insbesondere aber die Qualität des Gegners war nicht das, was wir als Herausforderung im Trainingslager brauchen. Wir haben uns dem Gegner heute angepasst und viele falsche Entscheidungen getroffen."
Saudi-Arabien denkt und plant langfristig
Es scheint, als müsse noch einige Zeit vergehen, bis die Teams der Saudi Pro League flächendeckend und im internationalen Vergleich konkurrenzfähig sind. Ein paar Dutzend Stars reichen zwar aus, um den Fokus auf die Spitze zu lenken und einige tolle Spiele zu veranstalten sowie die womöglich besten Teams im asiatischen Raum zu stellen, sind aber Tropfen auf dem heißen Stein, wenn sich der Rest der Liga und damit ein Großteil des Wettbewerbs auf unterklassigem Niveau befindet.
Sinnbildlich dafür auch der Zuschauerschnitt der Vorsaison, als im Schnitt fast 40.000 Zuschauer pro Partie zum Meister Al-Ittihad gegangen sind, während vier Vereine keine 4.000 Zuschauer ins Haus bekamen, zwölf Teams keine 9.000.
Allerdings: Saudi-Arabien hat die Zeit. Das Geld geht vorerst nicht aus, die Planung, zu einem Zentrum der Welt zu werden, ist langfristig angesetzt. 2030 will Saudi-Arabien mit Griechenland und Ägypten die FIFA Weltmeisterschaft austragen, 2027 findet die Asienmeisterschaft hier statt. Abseits des Fußballs ist seit 2021 die Formel 1 in Dschidda zu Gast, mit der LIV-Tour wurde ein eigener Golf-Kosmos hochgezogen. Parallel wird auch die Saudi Pro League wachsen. Es ist schließlich erst die erste Transferphase, in der die Saudi Pro League ins Spiel eingestiegen ist.
Saudi Pro League: Zuschauerschnitt 2022/23
# | Mannschaft | Summe | Spiele | Schnitt |
---|---|---|---|---|
1 | Al Ittihad | 355.699 | 9 | 39.522 |
2 | Al Nassr | 115.311 | 7 | 16.473 |
3 | Al Adalah | 111.555 | 9 | 12.395 |
4 | Al Fateh | 108.198 | 9 | 12.022 |
5 | Al Hilal | 89.838 | 10 | 8.984 |
6 | Al Ra’ed | 66.412 | 10 | 6.641 |
7 | Al Ettifaq | 72.283 | 11 | 6.571 |
8 | Al Tai | 32.290 | 5 | 6.458 |
9 | Al Shabab | 36.940 | 6 | 6.157 |
10 | Al Taawoun | 41.068 | 8 | 5.134 |
11 | Al Khaleej | 50.528 | 10 | 5.053 |
12 | Damac FC | 39.130 | 10 | 3.913 |
13 | Al Batin | 20.610 | 6 | 3.435 |
14 | Abha Club | 23.860 | 7 | 3.409 |
15 | Al Fayha | 25.947 | 8 | 3.243 |
16 | Al Wehda | 14.432 | 9 | 1.604 |
insgesamt | 1.204.101 | 134 | 8.986 |