Sein erstes Bundesligaspiel mit Schalke verlief für Sebastian Polter turbulent: Zwei umstrittene Interventionen des Videoschiedsrichters hatten ein aberkanntes Tor sowie einen Platzverweis für S04 zufolge, das sich bei der Rückkehr ins Oberhaus dem 1. FC Köln mit 1:3 geschlagen geben musste. In der 134. Ausgabe von kicker meets DAZN – Der Fußball Podcast schildert der Schalker Neuzugang während seines bereits zweiten Besuches bei KMD seine Sicht auf die kontroversen Schiedsrichterentscheidungen, spricht über die Faszination Schalke und einen oft totgeschwiegenen Aspekt des Daseins als Fußballprofi: das Geldverdienen.
Außerdem arbeiten sich Alex Schlüter und Benni Zander durch den gesamten ersten Spieltag, wagen sich dabei zeitgleich an Teil zwei ihrer Saisonvorschau und lassen sich von kicker-Reporter Matthias Dersch den Modeste-Transfer zum BVB erklären.
Zu hören ist diese Folge wie immer auf Abruf überall, wo es Podcasts gibt!
Sebastian Polter bei kicker meets DAZN exklusiv über …
… Schalkes aberkanntes Tor gegen Köln
"Der Torwart reklamiert nach dem Tor nicht eine Sekunde. Es gibt Torhüter – die ich jetzt nicht nennen möchte –, die wedeln mit dem Arm, bis das Spiel zu Ende ist. Manchmal zurecht, manchmal übertrieben – aber dann ist es eine Option für den Schiedsrichter, das Ganze zu hinterfragen. Kölns Torhüter hat nicht einen Moment daran gedacht, irgendetwas anzufechten. Wenn ich mir die Bilder ansehe, glaube ich auch nicht, dass es Maya (Yoshida, d.Red.) ist, der ihn behindert, sondern sein eigener Innenverteidiger. […] Rodri (Zalazar, d.Red.) hat beim Schuss eine komische Körperhaltung, sein Kopf ist sehr weit links. Wenn man das Gesicht von Rodri und das des Torwarts nimmt, hat er keine Sicht auf Rodri. Aber auf den Ball, der auf dem Boden liegt, hat er eine ganz klare Sicht. Daher kannst du für mich das Tor nicht zurücknehmen."
… die umstrittene Rote Karte gegen Dominick Drexler
"Es waren 50.000 Leute im Stadion, inklusive unserer Bank, inklusive Kölner Bank, inklusive Jonas Hector der betroffen war, inklusive Dome (Drexler, d.Red.) der betroffen war. Und ich glaube, keiner hat in dem Moment gewusst, was der Schiri gerade macht und warum er diese Situation unterbricht. Alleine das zeigt, dass es gar keinen Diskussionsspielraum gab, irgendetwas abzupfeifen. […] Für mich ist es keine Rote Karte, weil keine Dynamik drin ist. Man muss sich den Zweikampf ansehen, in was für einer langsamen Geschwindigkeit er stattfindet. Dome ist fast schon auf Hectors Rücken drauf, Jonas macht eine komische Körperbewegung nach rechts weg – das war alles sehr unkontrolliert. Deswegen finde ich, dass der Videobeweis gar nicht eingreifen darf, weil es keine klare Fehlentscheidung ist."
… sein Gespräch mit Schiedsrichter Schröder und Verbesserungen beim VAR
"Man muss ein klares Signal an die Schiedsrichtergespänne der ersten und zweiten Liga senden, dass in solchen Situationen wir Spieler, die tagtäglich auf dem Platz die Knochen hinhalten, noch mehr involviert werden sollten. Gerade bei so langsamen, unkontrollierten Geschichten muss man aufpassen, ob man eine Rote Karte gibt oder es nicht doch weiterspielen lässt. Es war ja keine Situation, in der Dome mit 300 Stundenkilometern angerannt kommt und ihm gegen das Knie tritt. […] Wir haben über jede Situation noch einmal gesprochen. Es ist einfach wichtig, diesen Austausch zwischen Spieler und Schiedsrichter noch mehr zu haben. Es gab einmal eine Debatte, ob in den Videokeller ein Ex-Profi mit rein muss – das wäre sicherlich etwas, mit dem man das optimieren könnte. Wenn man eine Meinung eines jahrelang auf diesem Niveau aktiven Fußballers mit dazu nimmt."
… nachvollziehbarere Regelauslegungen
"Den Schiedsrichter gab es noch nicht, der sich über das Regelwerk hinweggesetzt hat, weil er vielleicht aus eigener Erfahrung als Spieler oder jahrelanger Erfahrung als Schiedsrichter sagt: Okay, das Regelwerk ist das eine, aber nur die Situation an sich zu bewerten ist das andere. Ich kenne aus den Niederlanden einen Schiedsrichter, Bas Nijhuis, der setzt sich regelmäßig über die Regularien hinweg. Und nicht, weil er damit irgendwas zeigen will, sondern weil er das Gefühl für die Spieler hat. Sodass man sich denkt: Der entscheidet das richtig, weil er es nachvollziehen kann, was der Spieler in dem Moment für eine Intention hatte."
Bild: Getty ImagesGetty Images
… seinen Abschied aus Bochum trotz Bekenntnis zum Klub
"Diese Aussage hatte ich im Februar und nicht Richtung Ende der Saison getätigt. Das wurde nochmal rausgekramt. Aber trotzdem stehe ich dazu: Ich glaube, dass ich von der Mentalität her zu dem Verein gepasst habe. Alle Vereine, die ich mir aussuche, müssen zu mir passen, damit ich mein eigenes Spiel auf den Platz bringen kann. Ich kann mich nicht mit einem Verein identifizieren, der die Werte, die ich als Mensch verkörpern möchte, nicht vertritt. Das ist ein Grund, warum ich gesagt habe, dass ich – 31 Jahre alt, viele Tore geschossen, der Mannschaft und dem Verein Bochum dankbar, die Spielzeit in der Bundesliga gehabt zu haben – in meiner Karriere noch einmal den nächsten Schritt gehen möchte."
… den Reiz von Schalke 04
"Mit 31 war es für mich wichtig zu fragen: Was kannst du noch machen, wenn es für dich zu einem größeren Verein gehen kann? Wohin, wo in meinen Augen etwas heranwächst nach dem Negativerlebnis, in die zweite Liga gegangen und wieder hochgekommen zu sein. Und dann wieder Werte wie Klassenerhalt, kampfbetontes Spiel, Überlebenskampf in einzelnen Situationen, als Stürmer schon anfangen zu verteidigen; ich bin jemand, der es liebt, als Stümer der erste Verteidiger zu sein. Genau wegen dieser Werte habe ich mich entschlossen, zu einem größeren Verein wie Schalke 04 zu gehen, für mich der zweit-, drittgrößte Verein, den es in Deutschland gibt. In so einem tollen Stadion spielen und mit 31 einen langfristigen Vertrag unterschreiben zu können – all das waren Gründe, mit denen Rouven Schröder und Frank Kramer mich überzeugt haben, zu Schalke zu kommen.
… die Bezahlung als Fußballprofi
"Im Fußball geht's auch um Bezahlung, aber viele möchten da nicht drüber sprechen. Wir Fußballer sind privilegiert und verdienen einen Schweinehaufen Geld, dafür muss man dankbar sein. Aber wir haben nur eine kurze Zeit während unserer Karriere im bezahlten Fußball – vielleicht zehn, zwölf, die richtig Guten 15 Jahre. Da ist es auch wichtig, an seine Familie zu denken und dieses Geld so lange wie möglich verdienen zu können – aber auch etwas dafür zu tun."
… die Besonderheiten "großer" Klubs
"Größe ist immer relativ. Wenn man einmal die Vereine vergleicht, bei denen ich gespielt habe, ist zum Beispiel Union Berlin ein Verein, der für mich "groß" ist. In der Hinsicht, mit welcher Würde und Respekt die Leute den Verein leben und was für ein Wachstum dort vonstattengeht. Aber auch der VfL Wolfsburg: Klar, da gibt es eine kleinere Fanszene und weniger Zuschauer, aber die Leute, die dort in der Region leben, lieben den VfL Wolfsburg. Und das ist für mich das allerhöchste Gut, dass du den Verein - mit egal was - liebst. Das habe ich hier vorgefunden. […] Das sind Menschen, die den Verein seit Jahren lieben, die Urlaube sausen lassen oder umplanen, um uns ins Trainingslager zu begleiten, die unter der Woche ein Stück Fleisch weniger essen, damit sie sich ein Trikot leisten können – all diese Dinge muss man honorieren. Diese Werte verkörpere ich selber, das finde ich geil, wenn Vereine so ticken."