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UEFA Champions League

Übersehen wie Gosens, Girona statt Bayern: Wie es Sporting-Leihgabe Pedro Porro aus einer Region ohne Scouts zu ManCity schaffte

Sebastian Stier
Übersehen wie Gosens, Girona statt Bayern: Wie es Sporting-Leihgabe Pedro Porro aus einer Region ohne Scouts zu ManCity schaffteGetty Images
"Hier kommt niemand vorbei", heißt es aus dem spanischen Hinterland, aus dem Pedro Porro stammt. Lange wurde der talentierte Stürmer übersehen. Ein trainierender Grundschullehrer, ein Auswahlturnier und die alte Schule des Opas brachten die Wende - und machten Porro zu einem umworbenen Top-Spieler.

Extremadura. Allein schon beim Namen wird die Kehle trocken. Zusammengesetzt aus den spanischen Wörtern extrema und dura heißt das zu Deutsch: extreme Trockenheit. Und die Region im hintersten Südwesten Spaniens trägt ihren Namen nicht von ungefähr. Karg ist die Landschaft, der Boden ausgedörrt von der immensen Strahlkraft der Sonne. Im Sommer können die Temperaturen bis zu 50 Grad betragen, weit und breit kein Zugang zum Meer. Es ist das Land der Eichen und der Schweine. Der beste Schinken des Landes wird in der Extremadura produziert.

Erfolgreiche Fußballer gedeihen in dieser Umgebung sehr selten. Dass auf Seiten von Sporting CP ein Spanier aus diesem Landstrich dabei mithelfen soll, Lissabon gegen Borussia Dortmund ins Achtelfinale der Champions League zu schießen, ist vor diesem Hintergrund eine Besonderheit. Siegt Sporting mit zwei Toren Differenz, ziehen die Portugiesen ins Achtelfinale der Königsklasse ein. Für solche Spiele ist Pedro Porro nach Lissabon gekommen.

Der 22 Jahre alte Außenbahnspieler ist eines der aufregendsten Talente in einem an aufregenden Talenten reichen Kader von Sporting. Da wären Pedro Goncalves, Tiago Tomas oder Joelson Fernandes. Und eben Porro. Was den Spanier von seinen Mitspielern unterscheidet: Er ist ein Übersehener. Einer wie Robin Gosens, den die Talentsucher hierzulande lange nicht auf dem Schirm hatten und der nie ein Nachwuchsleistungszentrum von innen sah. Geschichten wie von Gosens und Porro sind extrem selten geworden im Fußball der Gegenwart. Zu eng sind in der Regel die Netze der Scouts.

Abends trainiert der Grundschullehrer die Fußballjugend

Bei Porro war es anders. Einer wie er, aus dem spanischen Hinterland, war scheinbar dazu bestimmt, die Champions League vor dem Fernseher zu verfolgen, statt sie als Aktiver mitzuprägen. Während seine heutigen Mitspieler Goncalves, Tomas oder Fernandes früh in die Akademien großer oder mittelgroßer Profiklubs wechselten, spielte Porro bis zu seinem 15. Lebensjahr für Gimnastico Don Benito in seiner gleichnamigen Heimatstadt. Amateurfußball in der Provinz, die Champions League war so unwahrscheinlich wie Dauerregen in der Extremadura.

Etwas mehr als 35.000 Menschen leben in Don Benito. Die Anlage des C.A. Gimnastico liegt neben einem Industriegebiet. Gimnastico ist ein reiner Amateurverein, die erste Mannschaft kickt in der 5. Liga. Den wenigsten Kindern ist eine Profikarriere vorherbestimmt. "Wir sind ein bescheidener Klub, einer für jedermann“, sagt Carlos Moreno im Gespräch mit DAZN. Tagsüber ist der 37-Jährige Grundschullehrer in Don Benito, abends trainiert er die Fußballjugend von C.A. Gimnastico.

Erinnert er sich an seinen ehemaligen Schützling Porro, denkt er an einen extrem ehrgeizigen Jungen mit einem starken Charakter, der verlieren nicht ausstehen konnte. "Dann war es manchmal schwierig, an ihn heranzukommen", sagt Moreno.

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Leistungsexplosion mit zehn Jahren 

Auf der anderen Seite war Porro aber auch leicht zufriedenzustellen. Etwa mit Freistoßübungen oder mit Elfmeterschießen nach dem Training. "Er hat das geliebt. Seine Schusstechnik war schon als Kind exzellent, da gab es kaum etwas zu verbessern", erzählt Moreno. Und dann seine Ballbehandlung. "Außergewöhnlich", schwärmt der Jugendcoach. Den Jungen hätte eine gewisse Unbekümmertheit ausgezeichnet. Eine Lockerheit, die man nur auf Amateurplätzen, beim Kicken mit Freunden entwickeln könne.

Angefangen hat Porro schon als Vierjähriger in der Futsal-Abteilung des Klubs, später wechselte er dann zum Fußball. Sicher, talentiert sei der Junge gewesen, aber so richtig überragend? Ein zukünftiger Profi? "Eher nicht", sagt Moreno. Das änderte sich um Porros zehntes Lebensjahr herum. Plötzlich explodierten seine Leistungen, so wie sein Antritt explodierte. Den anderen Kindern in seinem Alter war er so überlegen, dass die Trainer ihn von nun an immer eine Altersstufe höher einsetzen. Auch dort zählte er zu den Besten.

Der Opa ist immer dabei

Wenn Moreno heute an Porro denkt, fällt ihm vor allem dessen Lächeln ein. In neuen Mannschaften fand er sich schnell zurecht, sein aufgewecktes Wesen machte ihn beliebt. An den Sonntagen, wenn die Spiele anstanden, durfte sich Porro immer seines eigenen Fanclubs sicher sein. Der bestand aus seiner kompletten Familie. Vater, Mutter, Geschwister, Onkel, Tante. Und seinem Opa Antonio.

Der, ein stämmiger, breitschultriger Mann, war immer dabei. Egal ob Heim- oder Auswärtsspiel, Antonio verpasste keine Begegnung. Er war es, der vor allen anderen an seinen Enkel glaubte. Aber ihn auch forderte. Antonio war ein Mann alten Schlages, Porro lehrte er Ernsthaftigkeit und Widerstandsfähigkeit. Was man beginnt, bringt man auch zu Ende, lautete einer seiner Grundsätze. Aufgeben kommt nicht infrage.

Pedros Leistungen sprachen sich herum, Klubs aus der nahegelegenen, größeren Stadt Badajoz machten Angebote. Aber Pedro dachte nicht daran zu wechseln. In Don Benito hatte er alles, was er zum Leben und Fußballspielen brauchte. "Er kommt noch heute jedes Mal zur Anlage, wenn er in Don Benito ist. Dann schaut er seinen Freunden beim Spielen zu oder den Kindern. Er ist dem Klub noch immer sehr verbunden", sagt Grundschullehrer Moreno.

"Hier kommt niemand vorbei" 

Ein anderes Trikot zog Pedro Porro erst über, nachdem ihn die Trainer der Regionalauswahl Extremaduras zu einem Sichtungslehrgang eingeladen hat. Sie hatten von einem Jungen aus Don Benito gehört. Gesehen, geschweige denn ihn aktiv beobachtet, hatten sie ihn nicht. "Wir sind nicht die Gegend oder der Klub, zu dem sich Talentspäher verirren. Hier kommt niemand vorbei", sagt Moreno.

Außer Porro ist bis heute kein Fußballer aus Don Benito Fußballprofi geworden. Bei der Regionalauswahl fiel sein Talent sofort auf. Vor allem sein Tempo und seine Flankenläufe beeindruckten, genau wie seine Ausdauer und der Biss, den er an den Tag legte. Nie aufgeben, immer bereit sein, so wie sein Opa es ihn gelehrt hatte. Die Trainer setzen ihn auf der rechten Außenbahn ein, dort spielt er heute auch bei Sporting.

Auf der Position überzeugte er bei der Landesmeisterschaft der Regionalauswahlen, vergleichbar mit dem deutschen Turnier zwischen den Bundesländern, wie kein Zweiter. Das Turnier fand in Badajoz statt, der größten Stadt Extremaduras. Pedros Opa war natürlich auch dabei, er schlief in einem Van, um sich die 120 kilometerlange Heimfahrt zu sparen.

Gegen die Auswahl Kantabriens erzielte Porro drei Tore, Extremadura gewann 3:2. Am Folgetag war Extremadura auch gegen die hoch eingeschätzte Auswahl Madrids erfolgreich, spätestens nach diesem Spiel war den Spähern auf der Tribüne klar, dass sie in Porro ein echtes Talent gefunden haben. Beziehungsweise lange übersehen hatten.

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Auch der FC Bayern warb wohl um Porro

Die Angebote kamen nun nicht nur aus Badajoz, sondern auch aus Madrid. Rayo Vallecano, bekannt für seine gute Jugendarbeit, warb intensiv um ihn. Porro musste sich entscheiden. Weg aus Don Benito, weg von seiner Familie. Um etwas nachzujagen, von dem er lange nicht wusste, dass er es überhaupt erreichen konnte. Aber der Junge fühlte sich bereit und sagte Rayo zu.

Bei Rayo hatte Porro keinerlei Anpassungsschwierigkeiten. Und gab es doch mal Probleme, lächelte er sie einfach weg. Im Trikot von Vallecano erlebte er seine nächste Leistungsexplosion. Mit den stärkeren Mitspielern um ihn herum blühte er regelrecht auf. So sehr, dass nach seinem zweiten Jahr bei Rayo wieder Angebote an ihn herangetragen wurden. Diesmal eine Stufe höher. Atletico, Real und laut einem Bericht der Zeitung As auch der FC Bayern warben um Porro. Umso überraschender, dass der FC Girona seine Zusage erhielt.

Zukunft bei Manchester City? 

Der Klub war gerade erst in die Primera Division aufgestiegen. Viel interessanter aber: Seit kurzem zählte Girona auch zur City Football Group, einem Zusammenschluss von Vereinen, die untereinander Spieler tauschen und deren primäres Ziel es ist, den Hauptklub Manchester City mit großen Talenten zu versorgen. Gironas Präsident warb offensiv mit seinen Kontakten und stellte ein Engagement bei City in Aussicht. Porro, der die meiste Zeit seines Lebens in einer Kleinstadt im spanischen Hinterland gelebt hatte, wollte nun die Welt sehen und biss an.

Im Trikot von Girona debütierte er in der Primera Division, ehe er zwei Jahre später tatsächlich einen Vertrag bei Manchester City unterschrieb. Gespielt hat er für die Engländer bisher aber nicht. City verlieh Porro zuerst zu Real Valladolid, dann an Sporting CP. In Lissabon gehört er zu den Säulen des Teams und war einer der Gründe, dass Sporting im Frühjahr zum ersten mal seit 2002 wieder portugiesischer Meister wurde.

Im heißen Don Benito hat sich Carlos Moreno darauf ein kühles Bier aufgemacht. So wie er es auch tun wird, sollte Pedro Porro mit Sporting den BVB aus der Champions League werfen.

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