Seit März 2023 ist Thomas Tuchel Trainer beim FC Bayern München. Der deutsche Übungsleiter erweitert nach den Stationen Mainz 05, Borussia Dortmund, Paris St.-Germain und FC Chelsea seine eindrucksvolle Vita - konnte die Saison beim Rekordmeister aber in den wenigen Monaten, die verblieben, nicht mehr retten. "Im Vergleich zur vergangenen Saison ist Luft nach oben, das ist uns allen bewusst. Da haben wir die Ansprüche nicht erfüllt", sagt Tuchel nun in einem Interview mit dem Vereinsmagazin 51.
In der neuen Saison heißt es somit wieder volle Atta, gibt Tuchel die Ziele an, "wir wollen Meister werden, endlich mal wieder zum Pokalfinale nach Berlin, und in der Champions League gehört der FC Bayern immer zu den Titelkandidaten."
Auch wenn er den Titelgewinn in der Königsklasse nicht als direktes Ziel ausgibt, so strebt Tuchel mit dem Bayern seinen zweiten Champions-League-Triumph an. Der erste gelang ihm unverhofft mit dem FC Chelsea, den er im Winter 2021 kurz nach seiner Entlassung bei PSG übernahm und prompt zum Finalsieg gegen Manchester City coachte. "Ich muss zugeben: Es ist tatsächlich kurios", erinnert sich der 49-Jährige.
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Champions-League-Sieg ist nur ein flüchtiger Moment
Und holt dann aus: "Man arbeitet hart für einen Traum, irgendwann wird er zum konkreten Ziel - und wenn man den Champions-League-Pokal in der Hand hat, macht das plötzlich viel weniger mit einem, als ich gedacht hatte. Hätte mir das vorher jemand gesagt, hätte mich das womöglich schockiert." Obwohl es nur ein "flüchtiger Moment" ist, "man kann ihn nicht festhalten", will Tuchel diesen Moment "unbedingt" nochmal erleben: "Das steckt in mir drin. Es geht nach wenigen Tagen automatisch weiter mit der Vorfreude auf neue Ziele."
Damit einher geht sein Drang zum Perfektionismus, der ihm nachgesagt wird - und den er sich auch selbst bescheinigt, obwohl er damit in einem Dilemma steckt. "Perfektionist und Fußballtrainer ist eine ziemlich katastrophale Kombination. Aber das muss man lernen zu akzeptieren. Jeder von uns macht Fehler. Was ich nur schwer tolerieren kann, ist, wenn sie mit dem Mangel an Konzentration, Bereitschaft oder Aufmerksamkeit zu tun haben."
Tuchel bezeichnet seinen Perfektionismus als "Stärke und Schwäche zugleich von mir. Da komme ich nicht aus meiner Haut raus. Das ist nicht immer hilfreich, weil es andere und auch mich selbst anstrengen kann. Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Spiel - obwohl ich weiß, dass es das gar nicht gibt. Da bin ich Sisyphos, der immer wieder seinen Stein den Berg hochrollt."
Das führte auch dazu, dass Tuchel in der öffentlichen Wahrnehmung als wenig nahbar und verschlossen gilt. "Ich glaube, bei mir wurde in Deutschland sehr früh eine Schublade aufgemacht, in der ich dann verschwunden bin - und niemand hat zwischendurch mal wieder reingeschaut", beschreibt er es selbst. Dabei habe das Leben "immer auch etwas damit zu tun, dass man sich weiterentwickelt. In Frankreich oder England wird vermutlich ein anderes Bild von mir gezeichnet - und vielleicht komme ich ja in Deutschland aus der Schublade auch eines Tages noch mal raus."