Julian Nagelsmann sollte eine Ära beim FC Bayern München begründen, nach nicht einmal zwei Jahren ist dieses Kapitel zu Ende. Die Bayern gaben ihrem einstigen Wunschtrainer den Laufpass, stattdessen soll jetzt ein anderer Wunschtrainer eine andere Ära einleiten. Thomas Tuchel übernimmt das Traineramt beim Rekordmeister.
Es ist eine Ehe, die sich über Jahre bereits angebahnt hatte, der Termin beim Traualtar kam aber nie zustande - mal wollte der eine nicht, mal bekam der andere kurz vor dem Ja-Wort kalte Füße. Und als beide jetzt wollten, waren die Bayern schon verheiratet. Aber dafür gibt es ja Scheidungen.
Nun gut, genug von Hochzeits-Metaphern. Tuchel genießt einen exzellenten Ruf bei den Bayern, was nicht nur an seinen Erfolgen mit Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea liegt. Auch in der Bundesliga erarbeitete er sich ein hohes Standing, die Bayern bekamen seine Qualitäten oftmals hautnah am eigenen Leib zu spüren. Zwar verlor Tuchel in seiner Trainerkarriere gegen keinen anderen Klub so oft wie gegen die Bayern (elfmal), aber er feierte auch einige große Siege.
Die Erinnerungen an so manches episches Duell mit Tuchel-Mannschaften dürften auch dazu geführt haben, dass die Bayern jetzt Nägel mit Köpfen machten - bevor der Wunschtrainer wieder woanders unterschreibt. Wir blicken auf einige brisante Duelle zwischen Thomas Tuchel und dem FC Bayern zurück.
Das erste Mal: Tuchels Mainzer schocken van Gaal und Co.
Am 3. August 2009 übernahm Thomas Tuchel, der damalige U19-Trainer des FSV Mainz 05, die Profi-Mannschaft der Rheinhessen. Zuvor war der Däne Jörn Andersen noch vor dem Bundesligastart entlassen worden, nachdem die Mainzer in der ersten Runde des DFB-Pokals gescheitert waren. Der damals 35 Jahre alte Tuchel hatte die Mainzer A-Junioren wenige Monate zuvor zur deutschen Meisterschaft geführt und war für den Mainzer Manager Christian Heidel der optimale Kandidat, um seine Philosophie auch bei den Profis einzubringen.
Nach zwei Unentschieden gegen Leverkusen und in Hannover kam am dritten Spieltag der FC Bayern München nach Mainz. Bei den Bayern hatte Louis van Gaal das Zepter im Sommer übernommen, zwischen beiden Klubs lagen gefühlt Welten. Doch Tuchels Mainzer schafften die Sensation und gewannen 2:1 gegen den schier übermächtigen Rekordmeister. Tuchels erster Sieg als Bundesliga-Trainer war also ausgerechnet gegen die Bayern.
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Ein Jahr später: Mainz mischt die Liga auf
Ein knappes Jahr später erlebten die Mainzer die wohl beste Phase ihrer damaligen Vereinsgeschichte. Tuchel und seine "Bruchweg Boys" legten einen Raketenstart in die Saison 2010/11 hin und gewannen die ersten sieben Spiele allesamt. Darunter auch ein Auswärtssieg am sechsten Spieltag in München. Die jungen Wilden um Sami Allagui, Lewis Holtby, Adam Szalai oder Andre Schürrle kannten keine Angst vor der Allianz Arena und stürmten zu einem 2:1-Sieg.
Schon vor dem Spiel sprach Bayern-Trainer van Gaal hochachtungsvoll über den Mainzer Fußball, nannte ihn gar "begeisternd". Nach der Partie und der erneuten Niederlage gegen Tuchel dürfte seine Meinung nicht viel anders ausgesehen haben. Mainz beendete die Saison schließlich auf dem fünften Platz und zog unter Tuchels Ägide erstmals in der Vereinshistorie in den Europapokal ein.
Tuchels BVB und die Lehrstunde durch die Pep-Bayern
Nach weiteren Siegen und Niederlagen gegen die Bayern als Mainz-Coach ging Tuchel 2015 den nächsten Schritt auf der Karriereleiter und wurde Nachfolger von Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund. Und die Saison begann so, wie sich die BVB-Fans das vom Nachfolger ihres Volkshelden erwartet hatten. Fünf teils überragende Siege in den ersten fünf Spielen, dann jedoch zwei enttäuschende Unentschieden in Hoffenheim und vor allem zu Hause gegen Darmstadt 98. Anfang Oktober 2015 stand das Auswärtsspiel in München auf dem Programm.
Was folgte, war eine Lehrstunde für Tuchel durch sein Vorbild Pep Guardiola. Mit 5:1 fegten die Bayern den BVB aus der Allianz Arena. Tuchel wurde in jenem Spiel zum Opfer seines eigenen Strebens nach Perfektion. Denn er veränderte die Formation grundlegend und riss zudem die Innenverteidigung mit Mats Hummels und Sokratis auseinander. Ein schwerer Fehler, den die Pep-Bayern gnadenlos bestraften.
Tuchel und Guardiola verbindet seit der gemeinsamen Zeit in der Bundesliga eine Freundschaft, der Spanier war schon bei den Spielen zuvor gegen Tuchels Mainzer fasziniert. Der Legende nach kam es 2015 zu einem Abendessen zwischen beiden in München, bei dem Gläser und Salzstreuer zweckentfremdet wurden und als taktisches Spielzeug herhalten mussten. Sicher ist: Jene Niederlage in München hatte einschneidende Auswirkungen auf Tuchels weitere Karriere.
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Elfmeterdrama im Pokalfinale: Pep verabschiedet sich mit dem Double
Was unter anderem auch das Finale des DFB-Pokals 2016 zeigte. Anders als noch ein halbes Jahr zuvor rannte der BVB nicht in mehrere Konter und ließ sich defensiv nicht entblößen. Die Null stand, auch nach 120 Minuten. Es kam zum Elfmeterschießen, die Bayern machten einen Fehler weniger und setzten sich durch. Für Guardiola war es das letzte Spiel als Bayern-Trainer, er schenkte dem Klub noch einmal das Double. Und Tuchel musste noch etwas auf seinen ersten großen Titel als Trainer warten.
Die Revanche im Pokal: Tuchels Meisterleistung nach dem Anschlag
Die Chance zur Revanche im Pokal ergab sich für den BVB ein gutes Jahr später, im Halbfinale gastierten die Dortmunder in München. In der Bundesliga spielte der BVB keine so starke Saison wie noch ein Jahr zuvor, unter anderem hatte Aufsteiger RB Leipzig den Dortmundern den Rang als Nummer zwei der Liga abgelaufen. Im Pokal aber war der BVB eine Macht - und gewann auch das Halbfinale in München. 3:2 hieß es am Ende aus Sicht der Gäste.
Besonders bemerkenswert: Nur wenige Tage zuvor gab es im Vorfeld des Champions-League-Viertelfinals gegen die AS Monaco einen Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB, bei dem sich unter anderem Marc Bartra schwer verletzte. Tuchel aber schaffte es, seine Mannschaft schnell aufzurichten. Im Pokal-Endspiel setzten sich Tuchels Dortmunder schließlich gegen Eintracht Frankfurt durch und feierten den ersten großen Titel seit dem Double 2012 unter Klopp. Für Tuchel war es zudem die erste große Trophäe als Profitrainer.
Was damals noch keiner ahnte: Wenige Wochen später wurde der Trainer entlassen. Es gab Streit mit der Vereinsführung um Hans-Joachim Watzke bezüglich des Umgangs mit dem Anschlag. Auch zwischenmenschlich soll es nicht mehr gepasst haben.
Champions League: Tuchels Mission scheitert gegen die Bayern
Tuchel nahm sich nach seinem Aus beim BVB eine einjährige Auszeit und wurde 2018 neuer Trainer von Paris Saint-Germain. Mit dem Starensemble gewann er national nahezu alle Titel, international kam er zudem so nah an den Champions-League-Pokal wie kein PSG-Trainer zuvor oder seitdem. Im Finale des Corona-Turniers 2020 in Lissabon traf Paris auf die Bayern, es war ein enges Spiel vor Geisterkulisse. Schlussendlich entschied der Kopfballtreffer von Kingsley Coman das Spiel. Die Bayern jubelten, PSG scheiterte erneut daran, den Henkelpott zu holen. Es war Tuchels bislang letztes Duell mit den Bayern. Und es wird wohl noch etwas dauern, bis es zum nächsten kommt.