Eigentlich wollte sich das Geißbockheim am späten Mittwochnachmittag schon gen Feierabend verabschieden, als plötzlich Gewusel und Aufregung ausbrach und in der bezüglich FC-Themen traditionell emotionalen und aufgedrehten Domstadt Verwirrung herrschte. Grund dafür war ein Urteil des Fußball-Weltverbands FIFA, das aus dem absoluten Nichts kam. Ein Jahr lang, also in den Transferperioden im Sommer 2022 sowie im Winter 22/23, soll es dem 1. FC Köln untersagt werden, neue Spieler unter Vertrag zu nehmen.
Der Grund dafür ist der laut FIFA unrechtmäßige Transfer des jungen Stürmers Jaka Cuper Potocnik, der im Frühjahr 2022 vom slowenischen Erstligisten Olimpija Ljubljana verpflichtet wurde. In FC-Kreisen hat sich der heute 17-jährige Potocnik spätestens in dieser Saison einen Namen gemacht, indem er in 13 Spielen in der U19 Bundesliga West 13 Tore schoss und der zweitbeste Torschütze der höchsten Jugendliga war. Mit dem Team von Cheftrainer Stefan Ruthenbeck steht Potocnik in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft sowie im Halbfinale des DFB-Pokals der Junioren.
Geht es nach der FIFA und Olimpija Ljubljana, dürfte der talentierte Stürmer aber gar nicht im FC-Trikot auflaufen. Nicht nur sei seine Kündigung am 30. Januar 2022 bei seinem Ausbildungsverein unrechtmäßig gewesen. Da der FC Potocnik nur einen Tag nach dessen Kündigung unter Vertrag genommen hat, wirft Ljubljana dem Effzeh zudem vor, Potocnik zum Vertragsbruch gedrängt zu haben, um ihn seinerseits ablösefrei unter Vertrag nehmen zu können.
Neben der Transfersperre wurde Potocnik für vier Monate gesperrt, das Pokal-Halbfinale am Sonntag gegen Hertha BSC wird er ziemlich sicher verpassen. Außerdem muss Köln dem abgebenden Verein Olimpija Ljubljana knapp 52.000 Euro Entschädigung zahlen. So weit die Fassung der FIFA und von Olimpija Ljubljana. Die der 1. FC Köln einen Tag später vehement widerspricht.
Transfersperre gegen Köln: Berufung vom FC angekündigt
"Wir werden schnellstmöglich Berufung gegen dieses Urteil einlegen, das aus unserer Sicht eine Farce ist. Es ist nicht nur inhaltlich eine Farce, sondern auch, wie es zustande gekommen ist", sagte Geschäftsführer Christian Keller am Donnerstagmittag in einer Medienrunde am Geißbockheim. So lägen der FIFA lediglich zwei Schriftsätze vor, die Klage von Ljubljana und die Erwiderung des FC, eine mündliche Anhörung gab es nicht. "Letztlich haben sich drei Richter vom FIFA-Tribunal in ein Kämmerlein zurückgezogen und dann ein Urteil gefällt, dass drakonischer kaum geht", so ein sichtlich angesäuerter Keller.
Auch das geltende FIFA-Recht stößt dem 46-Jährigen auf. "Das FIFA-Recht ist eine umgekehrte Beweislast", erläutert Keller, "in dem Urteil steht nicht drin, dass der 1. FC Köln den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. Es steht drin, dass wir nicht beweisen konnten, dass wir ihn nicht angestiftet haben. Das ist ein massiver Unterschied. Hier muss der, der beklagt ist, beweisen, dass er es nicht gemacht hat."
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Außergerichtliches Treffen bringt keine Einigung
Von einer Anstiftung zur einseitigen Kündigung will Keller auch nichts wissen. "Der Spieler hat bei Ljubljana im Juni 2021 einen Vertrag unterschrieben. In diesem Vertrag waren diverse Zusagen enthalten, unter anderem, dass er in der ersten Herrenmannschaft von Ljubljana trainieren darf. Diese wurden nachweisbar nicht eingehalten. Entsprechend hat der Spieler am 30. Januar 2022 seinen Vertrag einseitig gekündigt", schildert er.
Dass es überhaupt zu einem Verfahren gekommen ist, ist das nächste Thema, dass Keller und den FC in Unglauben fallen lassen. Denn eigentlich herrschte zwischen Olimpija Ljubljana und dem 1. FC Köln ein gesundes und sachliches Verhältnis. So hat sich Keller im Sommer 2022 mit den Verantwortlichen der Gegenseite getroffen, um die Sache außergerichtlich aus dem Weg zu räumen.
"Das Treffen hat am 30. August 2022 stattgefunden. Im Nachgang haben sich die Gäste schriftlich für das großartige Gespräch und die tolle Atmosphäre bedankt. Im Anschluss haben sie ein schriftliches Angebot erhalten, um die Sache gütlich zu einigen. Das haben sie abgelehnt und Klage eingereicht", berichtet Keller. Das Irrsinnige daran: Mit dem Urteil der FIFA und den 52.000 Euro, die der FC zahlen soll, erhält Ljubljana deutlich weniger, als Köln dem Verein ursprünglich geboten hat.
Was passiert mit Potocnik?
Keller zusammenfassend: "Die FIFA hat aus unserer Sicht ein komplett absurdes Urteil ohne jedwede Grundlage getroffen." Wie geht es nun weiter? Der Bundesligist will schnellstmöglich Einspruch einlegen beim obersten Sportgerichtshof CAS und auf eine Suspension des Urteils hinwirken, solange ein finaler Spruch offen ist. Dann könnte Köln wahrscheinlich zumindest im kommenden Sommer an seinem Kader arbeiten, je nach Tempo des CAS wäre Potocnik zudem für die Endrunde der A-Junioren-Meisterschaft spielberechtigt, die am 10. April mit dem Auswärtsspiel in Mainz beginnt.
Überhaupt, Potocnik. "Natürlich versteht er die Welt nicht mehr", weiß Keller über den unfreiwilligen Auslöser des ganzen Ärgers. Wann er wieder für den FC stürmen darf, steht in den Sternen. Sorgen um den Teenager macht sich Keller aber nicht: "Natürlich ist Jaka sehr traurig, aber er ist ein sehr stabiler Junge, dafür dass er erst 17 Jahre alt ist. Wir haben ihm gesagt, er soll sich keinen Kopf machen, wir kriegen das schon wieder hin - auch für ihn."