Jelena Rybakina hat Wimbledon gewonnen. Die gebürtige Russin, die für Kasachstan startet, setzte sich im ersten Grand-Slam-Finale ihrer Karriere überraschend gegen die favorisierte gegen Ons Jabeur aus Tunesien mit 3:6, 6:2, 6:2 durch. Die 23-Jährige wusste, bei wem sie sich zu bedanken hatte. Verbandspräsident Bulat Utemuratow hatte Rybakina früh gefördert und sie 2018 von einem Start unter kasachischer Flagge überzeugt. Als Russin wäre ihr Tennis-Märchen nach dem Bann des All England Club nicht möglich gewesen.
Rybakina richtete ihr Wort an Utemuratow und dankte "für die Unterstützung im Halbfinale und Finale". Die "Wichtigsten", sagte sie aber auch, seien ihre Eltern, die in Moskau leben und nicht nach Wimbledon gereist sind, "ohne die wäre ich nicht hier, so viel steht fest". Die Zuschauer lachten bei der etwas unsicheren, aber sympathischen Siegesrede.
Nette Worte fand Rybakina auch für Jabeur, die nach ihrem Erfolg über Tatjana Maria im Halbfinale letztlich verdient verlor. "Du bist eine Inspiration für alle", sagte sie. Ein schwacher Trost für die Tunesierin, die sich an einem besonderen Tag so viel vorgenommen hatte. "Ich liebe das Turnier so sehr, ich bin sehr traurig", gab Jabeur zu und wünschte allen Muslimen ein glückliches Opferfest: "Happy Eid Al Adha." Ihre Tränen waren noch nicht getrocknet.
Jabeur hält dem Druck nicht stand
Jabeur verpasste zwei Tage nach ihrem Halbfinalsieg über die deutsche Wimbledon-Überraschung Tatjana Maria die Krönung. Dabei hatte die Weltranglistenzweite stark begonnen, verlor aber zu Beginn des zweiten Satzes ihren Aufschlag und dann ihre Linie. Wie gegen Maria wirkte die 27-Jährige teilweise zu verspielt, Rybakina dagegen erstaunlich kühl. Mit schnörkellosem Tennis reagierte sie auf die Variation ihrer Gegnerin.
Das Finale verlief allerdings zunächst nicht nach ihren Vorstellungen. Zweimal gab Rybakina ihren Aufschlag im ersten Satz ab, laut Wimbledon-Rekordchampion Martina Navratilova "derzeit die größte Waffe im Frauentennis". Jabeur dagegen gelang viel, aber längst nicht alles. Die Last, die sie sich selbst auferlegt hatte, drückte von Minute zu Minute schwerer auf ihre Schultern. "Ich spiele ja nicht nur für mich", hatte sie gesagt: "Ich spiele für mein Land, für die arabische Welt, für den afrikanischen Kontinent." Aus Jabeur brach es auf dem Centre Court immer wieder heraus, Rybakina zeigte keine Emotionen.
Rybakina, die erst zum zweiten Mal in ihrer Karriere in Wimbledon spielte, gilt im Tenniszirkus schon lange als großes Versprechen, doch die Pandemie hatte ihren Aufstieg etwas gebremst. 2021 erreichte sie in Wimbledon bereits das Achtelfinale und in Roland Garros erstmals das Viertelfinale bei einem Grand Slam. In diesem Jahr spielte sie an der Church Road im Londoner Südwesten das Turnier ihres Lebens.